Das Gesetz verletze Freiheitsrechte zukünftiger Generationen
Das BVerfG hat eine spannende Entscheidung zum Klimaschutz getroffen: Das Klimaschutzgesetz sei in Teilen verfassungswidrig und verletze die zukünftige Generation in ihren Freiheitsrechten.
Worum geht es?
In einer aufsehenerregenden Entscheidung hat das BVerfG das Bundes-Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz aus dem Jahr 2019 sei in Teilen nicht mit den Grundrechten vereinbar, der Gesetzgeber müsse nun nachbessern. Zwar konnte das BVerfG dabei keine Verletzung der Schutzpflichten aus Art. 2 II 1 GG und Art. 14 I GG feststellen. Doch Dreh- und Angelpunkt war in der Entscheidung Art. 20a GG. Klimaschützer:innen sprechen von einer bahnbrechenden Entscheidung.
Das Klimaschutzgesetz von 2019
Beim BVerfG lagen mehrere Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung vor, die von Klimaschützer:innen erhoben wurden. Viele von ihnen seien sehr jung, würden von Umweltverbänden unterstützt und zum Teil der „Fridays-for-Future“ – Bewegung angehören. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) aus dem Jahr 2019. Dieses soll vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels schützen und wurde von der Bundesregierung auf Grundlage des Pariser Klimaabkommens erarbeitet. Danach soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad und bestenfalls auf 1,5 Grad Celsius gesenkt werden, um Folgen des Klimawandels abzuschwächen.Daher sind im KSG für einzelne Bereiche wie Verkehr und Landwirtschaft Treibhausgas-Werte festgelegt, die im Jahr nicht überschritten werden dürfen. Datiertes Ziel des Gesetzes: Treibhausgasneutralität bis 2050. Doch die konkreten Regelungen für die jährlichen Höchstwerte waren nur bis 2030 geregelt. In dem Gesetz war vorgesehen, ab 2025 durch Rechtsverordnungen die folgenden Zeiträume zu regeln. Dem BverfG scheint das zu wenig zu sein.
BVerfG: Gesetz verletze Freiheitsrechte zukünftiger Generationen
Denn die Regelung des KSG verletze die Beschwerdeführer in ihren Freiheitsrechten, entschied das BVerfG.
Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.
Das KSG beinhalte Regelungen, die zu Lasten der künftigen Generation gehe. Da keine Regelungen für den Zeitraum ab 2030 getroffen seien, bestehe das Risiko, dass das CO2-Budget bis dahin schon umfangreich verbraucht werde. Dies könnte zu schwerwiegenden Freiheitseinbußen führen, so das BVerfG. Ein konkretes Freiheitsrecht nannte das Gericht nicht, im Gegenteil: Von den künftigen Emissionsminderungspflichten sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil nahezu sämtliche Bereiche des Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden seien. Nach 2030 würden drastische Einschränkungen drohen, so das Gericht.
Dreh- und Angelpunkt: Art. 20a GG
Zwar konnte das BVerfG nicht feststellen, dass der Gesetzgeber seine Schutzpflichten aus Art. 2 II 1 GG und Art. 14 I GG verletzt habe. Verfassungsrechtliche Grundlage sei vielmehr Art. 20a GG. Die Staatszielbestimmung verpflichte den Staat zum Klimaschutz, erklärte das Gericht, wozu auch die Herstellung von Klimaneutralität zähle.
Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden sollen.
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II 1 GG
Klausurrelevante Lerneinheit
Bislang fehle es aber an Vorkehrungen für die besonders betroffenen künftigen Generationen. Das BVerfG entschied, dass es nicht (nur) einer Generation zugestanden werden könne, große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine schwere Last überlassen und sie damit einhergehende Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.
Der Gesetzgeber müsse jetzt für die Zukunft tätig werden. Die Richter:innen verpflichteten ihn daher, bis Ende 2022 die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen ab 2031 besser zu regeln. Die Regelungen für die Senkung der Emissionen bis zum Jahr 2030 seien aber nicht zu beanstanden.
Eigentumsgarantie, Art. 14 I GG
Klausurrelevante Lerneinheit
Klimaschutz wird in Abwägungsentscheidungen gewichtiger
Klimaschützer:innen lesen in der Entscheidung des BVerfG, dass die Zeit dränge. Darauf deuten zumindest die Ausführungen aus Karlsruhe hin, dass das Gewicht des Klimaschutzes bei Abwägungsentscheidungen mit der Zeit zunehmen werde. Zwar genieße das Ziel Klimaschutz keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen. Doch wegen der Unumkehrbarkeit des Klimawandels wären Verhaltensweisen, die das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel zuwiderlaufen, nur noch unter engen Voraussetzungen zu rechtfertigen. Das relative Gewicht des Klimaschutzgebots nehme daher bei Abwägungsfragen bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu. Das Gericht mahnt:
Mit den natürlichen Lebensgrundlagen müsse sorgsam umgegangen werden.
Nationale Regelung möglich
Der Klimawandel kennt keine Ländergrenzen, sondern sei ein globales Phänomen. Ein Staat könne das Problem daher zwar nicht alleine lösen – doch dies stehe der Klimaschutzverpflichtung aus Art. 20a GG nicht entgegen. Vielmehr habe der Schutzauftrag aus Art. 20 GG eine besondere internationale Dimension. Durch die Norm sei der Staat verpflichtet, Lösungen für den Klimawandel auch auf überstaatlicher Ebene zu suchen. Durch den Verweis auf die Emissionen anderer Staaten könne sich der Staat daher nicht seiner Verantwortung entziehen.
„Historische Entscheidung“
Die Entscheidung des BVerfG sorgt für Aufsehen, denn viele Expert:innen haben mit solch klaren Worten der Karlsruher Richter:innen nicht gerechnet. Umweltverbände nannten das Urteil „bahnbrechend“, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnet es als „epochal für Klimaschutz und Rechte der jungen Menschen“.
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock sprach von einer „historischen Entscheidung“ und mahnte auf Twitter, dass in puncto Klimaschutz die nächsten Jahre entscheidend seien.
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