BGH zur Vollstreckung einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung

BGH zur Vollstreckung einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung

A. Sachverhalt

Die Parteien hatten einen Kaufvertrag über einen Tischkicker geschlossen, den die Käuferin rückabwickeln wollte.

Es kam zu einem Prozess, in dem der Verkäufer den Klageanspruch anerkannte.

Es erging das folgende Urteil:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 856,42 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. November 2015 Zug um Zug gegen Rückgabe des Tischkickers (genaue Bezeichnung) zu zahlen.

Der Tischkicker befindet sich am Wohnsitz der Käuferin.

Die Käuferin – von nun an Gläubigerin – betreibt gegen den Verkäufer – ab jetzt Schuldner – die Zwangsvollstreckung. Hierzu erteilte sie der Gerichtsvollzieherin einen Vollstreckungsauftrag.

Die Gerichtsvollzieherin unterbreitete dem Schuldner an dessen Wohnsitz ein wörtliches Angebot. Der Schuldner erklärte, er werde die Leistung nur annehmen und die Forderung bezahlen, wenn ihm ein tatsächliches Angebot dergestalt unterbreitet werde, dass der Tischkicker zu ihm gebracht werde.

Die Gerichtsvollzieherin teilte der Gläubigerin mit, dass ein Annahmeverzug des Schuldners nicht habe hergestellt werden können. Die Zwangsvollstreckung sei derzeit nicht möglich.

Die Gläubigerin hat daraufhin Vollstreckungserinnerung mit dem Antrag eingelegt, die Gerichtsvollzieherin anzuweisen, die Zwangsvollstreckung vorzunehmen. Sie hat die Auffassung vertreten, das wörtliche Angebot habe den Annahmeverzug des Schuldners begründet, da die Rückgabe des Tischkickers eine Holschuld sei. Der titulierte Anspruch sei ein Rückgewähranspruch nach Rücktritt vom Kaufvertrag, Leistungsort sei deshalb der Ort, an dem sich die Kaufsache vereinbarungsgemäß befinde, also an ihrem Wohnsitz.

Das Amtsgericht hat die Vollstreckungserinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren vor dem BGH weiter.

B. Überblick

Die Entscheidung befasst sich mit den Voraussetzungen, unter denen aus einer Zug-um-Zug-Verurteilung vollstreckt werden kann.

I. Zug-um-Zug-Verurteilung

Die Parteien haben einen Kaufvertrag rückabgewickelt. Aus dem dadurch entstandenen Rückgewährschuldverhältnis war der Schuldner verpflichtet, den Kaufpreis zu erstatten, während die Gläubigerin den Tischkicker rückübereignen und herausgeben musste (§ 346 Abs. 1 BGB). Dabei ordnet § 348 BGB an, dass diese Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen sind. Beide Parteien können die von ihnen geschuldete Leistung also zurückbehalten, bis die jeweils andere Partei ihre Leistung anbietet.

Prüfungsaufbau: Rücktritt, §§ 346 ff. BGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit

Im Prozess über eine der Leistungen führt das Zurückbehaltungsrecht nicht zur Klageabweisung, sondern zur Zug-um-Zug-Verurteilung (§§ 348 Satz 2, 322 Abs. 1 BGB).

In einer Klägerklausur sollte deshalb auch nur dieser Antrag gestellt werden. Beantragt man die Rückzahlung, ohne das Zurückbehaltungsrecht des Gegners zu berücksichtigen, würde das Gericht die Klage teilweise abweisen. Das hätte zwar keine praktischen Nachteile für den Kläger, weil der Beklagte trotzdem sämtliche Kosten tragen müsste, unter Klausurgesichtspunkten wäre es dennoch falsch.

II. Vollstreckung einer Zug-um-Zug-Verurteilung

Vorliegend hat der Schuldner den Zug-um-Zug-Antrag der Gläubigerin anerkannt und ist durch Anerkenntnisurteil gemäß § 307 ZPO entsprechend verurteilt worden.

Für die Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Titels gelten vor allem §§ 756, 765 ZPO.

Nach § 756 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

Öffentliche Urkunde in diesem Sinne ist vor allem ein Urteil. Stellt der Kläger einen Zug-um-Zug-Antrag, sollte er deshalb zugleich die Feststellung beantragen, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet, soweit das auch tatsächlich der Fall ist. Der Gerichtsvollzieher muss dann die Gegenleistung nicht mehr vor der Vollstreckung anbieten. Im vorliegenden Fall hätte der Schuldner also nicht mehr darauf bestehen dürfen, dass ihm der Tischkicker geliefert wird.

III. Vollstreckungserinnerung

Für eine erfolgreiche Zwangsvollstreckungsklausur müssen die Rechtsbehelfe der Gläubiger und Schuldner sowie von Dritten bekannt sein. Die größte Bedeutung haben die Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners (§ 767 ZPO), die Klage des Gläubigers auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel (§ 731 ZPO), die Drittwiderspruchsklage eines Dritten (§ 771 ZPO), die Klage eines Dritten auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) sowie die hier von der Gläubigerin eingelegte Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).

Mit der Vollstreckungserinnerung können Gläubiger und Schuldner formelle Einwendungen gegen die Handlungen des Gerichtsvollziehers geltend machen. Vorliegend wendet sich die Gläubigerin gegen die Weigerung der Gerichtsvollzieherin, die Zwangsvollstreckung durchzuführen (§ 766 Abs. 2 ZPO).

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO
Prüfungsrelevante Lerneinheit

C. Entscheidung

Der VII. Zivilsenat des BGH hat die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen.

Zu Recht seien die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen würden.

Ein wörtliches Angebot begründe nur dann den Annahmeverzug des Schuldners, wenn die zu bewirkende Leistung eine Holschuld ist (§ 295 Satz 1 Alt. 2 BGB). Ob der Schuldner verpflichtet gewesen ist, den Tischkicker am Wohnsitz der Gläubigerin abzuholen, sei für die Gerichtsvollzieherin anhand des Titels nicht feststellbar gewesen.

In welcher Weise der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise anzubieten hat, hat er in eigener Verantwortung von Amts wegen anhand des Vollstreckungstitels zu prüfen

  • Aus dem Tenor des Anerkenntnisurteils gehe nicht hervor, wo der Tischkicker herauszugeben ist.
  • Zwar könne der Gerichtsvollzieher zur Beseitigung von Unklarheiten des Tenors grundsätzlich auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils zurückgreifen. Bei dem vorliegenden Anerkenntnisurteil bestehe diese Möglichkeit jedoch nicht (§ 313b Abs. 1 Satz ZPO).
  • Der Schuldner habe mit dem Anerkenntnis nicht zugleich erklärt, den Tischkicker an den Wohnsitz der Gläubigerin zu liefern.
  • Die Schriftsätze im Erkenntnisverfahren dürfe der Gerichtsvollzieher nicht heranziehen. Das gelte auch bei der Vollstreckung aus einem Anerkenntnisurteil.
  • Auch andere, außerhalb des Titels liegende Umstände habe der Gerichtsvollzieher nicht zu berücksichtigen. Ausschlaggebend sei allein die Rechtslage, wie sie sich aus dem Titel selbst ergibt. Materiell-rechtliche Erwägungen, die dem Vollstreckungstitel nicht zu entnehmen sind, seien vom Gerichtsvollzieher nicht zu berücksichtigen. Insbesondere sei der Gerichtsvollzieher nicht gehalten, Ermittlungen anzustellen oder auf andere Erkenntnisse zurückzugreifen, um zu prüfen, ob die von ihm anzubietende Gegenleistung materiell-rechtlich eine Holschuld ist.

Der Vollstreckungsgläubiger werde hierdurch nicht unbillig benachteiligt, weil er die im Zusammenhang mit der Nachweisführung nach § 756 ZPO denkbaren Schwierigkeiten umgehen können:

  • Er könne schon im Erkenntnisverfahren einen Feststellungsantrag dahingehend stellen, dass sich der Schuldner mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet.
  • Hat der Vollstreckungsgläubiger den Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Annahmeverzug gesetzt, könne er durch die Formulierung des Klageantrags darauf hinwirken, dass im Tenor des stattgebenden Zug-um-Zug-Urteils der Charakter der zu erbringenden Gegenleistung als Holschuld hinreichend deutlich wird.

D. Prüfungsrelevanz

Die Entscheidung eignet sich als Grundlage einer Zwangsvollstreckungsklausur, weil sie deutlich macht, dass der Gerichtsvollzieher auf Tatbestand und Entscheidungsgründe zurückgreifen kann, wenn der Tenor des Urteils unklar ist, nicht jedoch auf andere, außerhalb des Titels liegende Umstände, wie bspw. die Schriftsätze im Erkenntnisverfahren.

Die Entscheidung schärft zugleich den Blick für Anwaltsklausuren, in denen es um die Durchsetzung von Ansprüchen geht, die nur Zug-um-Zug gegen die Erbringung einer Gegenleistung bestehen. Sie zeigt, dass ein mögliches Zwangsvollstreckungsverfahren immer schon mitgedacht werden muss. Für Zug-um-Zug-Anträge bedeutet das, die Schwierigkeiten des § 756 ZPO dadurch zu vermeiden, dass bereits ein Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs gestellt wird. Das setzt natürlich voraus, dass sich der Schuldner tatsächlich im Annahmeverzug befindet. Sollten das noch nicht der Fall sein, weist der BGH auf die Möglichkeit hin, den Erfüllungsort der Gegenleistung in den Zug-um-Zug-Antrag aufzunehmen.

Ein anderes Beispiel, bei dem die Vollstreckung schon bei der Antragstellung beachtet werden muss, ist eine Unterlassungs- oder Duldungsklage. Die Vollstreckung eines solchen Titels durch Verhängung eines Ordnungsgeldes durch das Prozessgericht setzt voraus, dass das Ordnungsgeld angedroht wird (§ 890 Abs. 2 ZPO). Diese Androhung sollte mit der Klage beantragt werden, damit sie das Gericht schon im Urteil tenorieren kann; andernfalls geht durch die Androhung im Vollstreckungsverfahren unter Umständen wertvolle Zeit verloren, in der der Schuldner weiter gegen das Unterlassungsverbot oder Duldungsgebot verstößt.

Dagegen muss das Zwangsgeld zur Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung nicht angedroht werden (§ 888 Abs. 2 ZPO).