BGH verhandelt zu fiktivem Schadensersatz

BGH verhandelt zu fiktivem Schadensersatz

Geht der Streit zwischen dem VII. und dem V. Zivilsenat des BGH in die nächste Runde?

Der VII. Zivilsenat des BGH, welcher unter anderem für das Werkvertragsrecht zuständig ist, traf 2018 eine Grundsatzentscheidung zu den sogenannten fiktiven Mängelbeseitigungskosten - oder auch fiktiven Schadensersatz - im Rahmen des Werkvertragsrechts. Der zuständige Zivilsenat hat mit dieser Entscheidung von seiner bis dato ständigen Rechtsprechung Abstand genommen und eine fiktive Schadensbemessung von Mängelbeseitigungskosten im Baurecht verneint. 

Worum geht es?

Vor diesem Hintergrund hat sich für den V. Zivilsenat, zuständig unter anderem für Kaufrecht, das Problem aufgetan, ob diese neue Linie zum fiktiven Schadensersatz auch im Kaufrecht Anwendung finden soll. Vor knapp einem Jahr legten die Richter des V. Senats dem VII. Zivilsenat deshalb die Frage vor, ob an der neuen Rechtsauffassung festgehalten werden soll, wonach der „kleine“ Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf (Beschluss v. 13.3.2020 - V ZR 33/19). 

Die Richter des V. Senats wollten am fiktiven Schadensersatz im Kaufrecht weiterhin festhalten. Weil die kaufrechtliche Rechtsprechung sich aber auf die ehemalige zum Werkvertragsrecht stützt, sah der Senat sich durch die geänderte Rechtsprechung des VII. Senats daran gehindert, seine Auffassung für das Kaufrecht so zu vertreten.

Gestellt hatte sich die Frage im Zusammenhang mit einem Streit um Schadensersatz aufgrund eines Wasserschadens nach einem Immobilienkauf. Am 26. Februar 2021 wurde nun erneut - nach der Antwort des VII. Zivilsenats auf die Vorlage - über die Sache verhandelt. Am 12. März soll das Urteil verkündet werden.

Schadensersatzansprüche im Schuldrecht AT
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Wohnungskauf als Streitfall

Die Kläger erwarben von dem Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Februar 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag heißt es in Nr. III.1:

“(Abs. 4) Der Verkäufer verpflichtet sich, die Fassade zur Gartenseite und die rechte Fassadenseite zum Stellplatz hin bis zum 1. April 2014 auf seine Kosten sach- und fachgerecht zu isolieren und zu verputzen. Für diese Arbeiten übernimmt der Verkäufer die Gewährleistung nach den Regeln des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches.
(Abs. 5) Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben.”

Nach Übergabe der Wohnung trat Ende 2014 Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer der Kläger auf, zu deren Beseitigung die Kläger den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung aufforderten. Die Wohnungseigentümer ermächtigten die Kläger durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 12.312,90 € und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten; ferner wollen sie feststellen lassen, dass der Beklagte weitere Schäden ersetzen muss.

VII. Zivilsenat erteilte Vorlage Abfuhr

Am 08. Oktober 2020 erhielten die Richter des V. Senats eine Antwort auf ihre Vorlage. Diese fiel deutlich aus. Der VII. Zivilsenat erklärte in seinem 40 Seiten umfassenden Beschluss, dass seine neue Rechtsprechung richtig sei, den Kaufrechtssenat aber nicht weiter interessieren müsse. Er begründete seine Rechtsprechungsänderung mit “Besonderheiten des Werkvertragsrechts”, weshalb die Behandlung des Schadensersatzes zum Beispiel im Kaufrecht insoweit nicht relevant sei (Beschluss v. 08.10.2020 - VII ARZ 1/20). Die Rechtsfrage der Schadensbemessung finde sich nicht ohne Grund im besonderen und nicht im allgemein Teil des Schuldrechts, so der Bausenat. Die Sach- und Rechtslage beim Kauf- und beim Werkvertrag sei aus gleich mehreren Gründen nicht miteinander vergleichbar, die Risikoverteilung völlig unterschiedlich und eine unterschiedliche Behandlung damit kein Problem, weshalb zwischen den Rechtsprechungen zum Kauf- und Werkvertragsrecht kein Widerspruch bestehe. 

Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB
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Entscheidung des V. Senats

Am vergangenen Freitag, 26. Februar 2021, verhandelte der V. Zivilsenat des BGH nun erneut in dem Fall. Dabei deutete sich an, dass der Senat weiterhin an seiner Rechtsprechung zu den fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht festhalten wird und damit seiner bisherigen Linie treu bleibt - obwohl dies von den Richtern des VII. Senats nun anders gehandhabt wird. Somit müssen sich neue Wohnungseigentümer voraussichtlich auch künftig keine Sorgen machen und nicht selbst mit viel Geld in Vorleistung treten. Sie können wohl weiterhin Schadensersatzansprüche in Höhe der schätzungsweise entstehenden Kosten gegen den Verkäufer geltend machen. 

Das Urteil des V. Zivilsenats wird am 12. März 2021 verkündet und bleibt mit Spannung abzuwarten. Die Thematik weist nämlich sowohl für die Praxis als auch für die Lehre eine hohe Relevanz auf.

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