Rekordsumme von 10,4 Millionen € Strafe wegen Datenschutz-Verstoß
Millionen-Bußgeld gegen Notbooksbilliger.de: Weil das Unternehmen über Jahre sein Personal per Kamera überwacht haben soll, verhängt die niedersächsische Datenschutzbeauftragte ein Bußgeld in Höhe von 10,4 Millionen Euro. Der Online-Elektronikhändler legte Einspruch ein.
Worum geht es?
Der Online-Elektronikhändler Notebooksbilliger.de soll ein Millionen-Bußgeld zahlen, weil er sein Personal per Videokameras überwacht habe. Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel bezifferte die Sanktion auf 10,4 Millionen Euro – eine niedersächsische Rekordsumme. Das Unternehmen, das neben seinem Online-Shop auch Ladenlokale betreibt, habe nach ihrer Auffassung gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen. Über mindestens zwei Jahre soll die Notebooksbilliger.de AG mit Hauptsitz im niedersächsischen Sarstedt bei Hannover die Beschäftigten per Video überwacht haben. Die Kameras befanden sich an den Arbeitsplätzen, in den Verkaufsräumen, im Lager und in den Aufenthaltsbereichen, auf einigen Aufnahmen seien auch Kunden im Wartebereich erkennbar. Eine Rechtsgrundlage sei dafür nicht gegeben, so Thiel, doch das Unternehmen beruft sich darauf, dass eine solche Überwachung „bei Versand- und Logistikunternehmen Standard“ sei.
Verstoß gegen DSGVO wird teuer
Das Unternehmen argumentierte damit, dass man mit den Kameras den Warenfluss kontrollieren und Diebstählen vorbeugen wolle. Überzeugen konnte man die niedersächsische Datenschutzbeauftragte nicht, die nun ein Rekordbußgeld in Höhe von 10,4 Millionen Euro verhängte. Möglich wird dies durch die DSGVO.
Die Landesbeauftragten der Datenschutzbehörden bestimmen über jedes Bußgeld, das durch einen Verstoß gegen die DSGVO verhängt wird, im Einzelfall. Es gibt also keinen Katalog, der Sanktionssummen nennt – vielmehr gibt es in Art. 83 DSGVO einen Katalog von Faktoren, die das Bußgeld bestimmen. Die DSGVO ermöglicht Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes – je nachdem, welcher Betrag höher ist. Dabei wird berücksichtigt, was für eine Datenschutzverletzung vorliegt. Thiel kommentierte in einer Mitteilung der Behörde:
Videoüberwachung ist ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann.
Neben der Art der Datenschutzverletzung ist die Höhe eines Bußgeldes unter anderem von der Schwere des Verstoßes abhängig. Außerdem relevant: Wie viele Personen sind von der Datenschutzverletzung betroffen, handelte das Unternehmen vorsätzlich? Die Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen wertete das Vorgehen von Notebooksbilliger.de als schwerwiegend und spricht damit das höchste niedersächsische Bußgeld im Zusammenhang mit der DSGVO aus. Die deutschlandweite Rekordsumme wurde übrigens in Hamburg verhängt. Das Modeunternehmen Hennes & Mauritz (H&M) bekam im Oktober 2020 vom hamburgischen Datenschutzbeauftragten ein Bußgeld in Höhe von 35.258.707,95 Euro.
Generalverdacht reicht nicht aus
Aber zurück nach Niedersachsen: In ihrer Mitteilung ging Thiel auf die Argumentation von Notebooksbilliger.de ein, dass man mit seiner Überwachung eine abschreckende Wirkung erzeugen und unter anderem Diebstählen vorbeugen wolle. Dies rechtfertige aber keinen dauerhaften und anlasslosen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Personals, so Thiel:
Wenn das so wäre, könnten Unternehmen die Überwachung grenzenlos ausdehnen. Die Beschäftigten müssen aber ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht stellt.
Außerdem sei eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten nur ausnahmsweise rechtmäßig. Dazu müsse zunächst ein begründeter Verdacht bestehen, der sich gegen eine konkrete Person und nicht gegen das gesamte Personal richte. Wenn eine solche Situation vorliege, könne eine Kamerainstallation des Arbeitgebers zulässig sein. Aber auch dann dürfe diese nicht zeitlich unbegrenzt erfolgen.
Aufstellen einer Kamera muss erforderlich und im Verhältnis mit Rechtsgut sein
Wenn Arbeitgeber Kameras zur Überwachung installieren möchten, müssen diese erforderlich sein. Daher kann eine Videoüberwachung trotz konkreten Verdachts einer Straftat unzulässig sein – eben wenn sie nicht erforderlich ist, sprich ein milderes Mittel möglich ist, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Denkbar ist zum Beispiel eine stichprobenartige Taschenkontrolle des verdächtigen Mitarbeiters. Ein anderes anschauliches Szenario ist der Supermarktparkplatz. Um zu verhindern, dass nach Betriebsschluss Autos auf dem hauseigenen Supermarktparkplatz parken, könnte der Betreiber statt einer nächtlichen Videoüberwachung eine Schranke nutzen.
Rechtsquellen im Arbeitsrecht
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Eine durchgehende Überwachung, wie sie bei Notebooksbilliger.de stattgefunden haben soll, hätte ein erhebliches Gewicht. Denn die Betroffenen würden sich einer solchen Überwachung nicht entziehen können. Solche Eingriffe seien ausnahmsweise nur dann gerechtfertigt, wenn dabei mindestens gleichwertige Rechtsgüter geschützt werden. So könnte eine Kameraüberwachung eines Schwimmbeckens im Hallenbad rechtmäßig sein, wenn sie der Überwachung von Gesundheit und Leben der Badegäste dienen soll.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Wie man sieht, kann über das Thema Kameraüberwachung diskutiert werden. Wichtig ist es, sämtliche Faktoren einzubeziehen. Denn am Ende muss sowohl die Überwachung als auch die Verhängung eines Bußgeldes nach der DSGVO verhältnismäßig sein.
Bußgeld noch nicht rechtskräftig
Das ausgesprochene Bußgeld in Höhe von 10,4 Millionen Euro gegen Notebooksbilliger.de ist noch nicht rechtskräftig. Man habe Einspruch gegen den Bescheid eingelegt, dessen Höhe „in keiner Relation zur Größe und Finanzkraft des Unternehmens sowie zur Schwere des angeblichen Verstoßes“ stehe, heißt es seitens des Unternehmens. Die niedersächsische Behörde teilte abschließend mit, dass die Videoüberwachung bei dem Elektronikhändler mittlerweile rechtmäßig ausgestaltet sei.
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