Wie schreibe ich eine Anwaltsklausur im Zivilrecht? - Teil 4 - Die Klägerklausur (3)

Wie schreibe ich eine Anwaltsklausur im Zivilrecht? - Teil 4 - Die Klägerklausur (3)

Teil 4) Die Klägerklausuer - Zweckmäßigkeitserwägungen (1)

Auch diese Woche setzen wir unsere Reihe rund um die Anwaltsklausur im Zivilrecht fort. Nachdem wir die folgenden Punkte bereits besprochen haben,

A. Begehr des MandantenB. Materielles Gutachten

geht es in unserer Gliederung nun mit den Zweckmäßigkeitserwägungen weiter:

C. Zweckmäßigkeitserwägungen

Nachdem Du im materiellen Gutachten die Frage danach, was dem Mandanten zusteht, positiv beantwortet hast, geht es in den Zweckmäßigkeitserwägungen um Folgendes:

Wie kann der Mandant das, was ihm zusteht, am effektivsten erlangen?

I. Wäre eine Klage zulässig?

Zunächst prüfst Du, ob Du überhaupt eine zulässige Klage für den Mandanten erheben könntest.

1. Welche Klagearten kommen in Betracht?

Dabei nimmst Du als erstes diejenigen Klagearten in den Blick, mit denen Du den Anspruch des Mandanten erfolgversprechend durchsetzen könntest. Kommen mehrere in Betracht, triffst Du an dieser Stelle noch keine Entscheidung, da die richtige Wahl noch von anderen Faktoren abhängen kann.

„Die Frage, welche Klagearten in Betracht kommen, hängt vom Rechtsschutzziel der Mandantin ab. Sie begehrt die Reparatur ihres Fahrzeugs, also die Vornahme einer Handlung durch die Gegnerin. Dies stellt eine Leistung dar, so dass in jedem Fall eine Leistungsklage erhoben werden könnte.

Ob auch eine Klage auf Feststellung der Nachbesserungspflicht des Gegners nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig wäre, hängt vor allem davon ab, ob die Mandantin ein rechtlich schützenswertes Interesse an dieser Feststellung hat. Dabei ist zu beachten, dass dieses Feststellungsinteresse grundsätzlich fehlt, wenn die Mandantin bereits auf Leistung klagen könnte, wie es vorliegend der Fall ist. Hiervon wird zwar eine Ausnahme zugelassen, wenn zu erwarten ist, dass der Beklagte schon auf ein Feststellungsurteil hin seine Leistungspflicht erfüllen wird. Hierfür gibt es aber keine Anhaltspunkte aus dem Vorbringen der Mandantin. Vielmehr ist zu befürchten, dass die Gegnerin sich auch nach einem Feststellungsurteil weigern wird, die Reparatur durchzuführen.

In Betracht kommt deshalb nur die Leistungsklage.“

2. Liegen sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen vor?

Hier prüfst Du alle Zulässigkeitsvoraussetzungen - aber auch nur solche -, die zweifelhaft sein könnten. Kommen mehrere Gerichtsstände in Betracht, stellst Du sie dar, entscheidest dich aber noch nicht. Vergiss nicht, auf mögliche Prozesshindernisse zu achten (bspw. Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit, § 1027 ZPO).

„Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass eine Klage unzulässig sein könnte. Die Gegnerin ist als juristische Person parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO), muss im Prozess jedoch durch ihren Geschäftsführer vertreten werden. Fraglich ist, vor welchem Gericht geklagt werden könnte.

Sachlich zuständig sind die Amtsgerichte, da sich aus dem Kostenvoranschlag ergibt, dass die Reparaturkosten zwischen 2.000,00 und 3.000,00 Euro liegen werden und damit den für die Zuständigkeit der Amtsgerichte maßgeblichen Wert von 5.000,00 Euro nicht überschreiten (§ 23 Nr. 1 GVG).

Örtlich zuständig ist in jedem Fall das Amtsgericht Lübeck als das Gericht am Sitz der Gegnerin (§§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dort liegt auch der Erfüllungsort für die Nachbesserung (§ 29 Abs. 1 ZPO), wobei offenbleiben kann, ob es hierfür auf den Wohnsitz der Mandantin oder ebenfalls auf den Sitz der Gegnerin ankommt, da beides in Lübeck liegt.

Eventuell kommt aber auch eine örtliche Zuständigkeit in Hamburg in Betracht. Der Kaufvertrag enthält eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung. Diese müsste gemäß § 38 ZPO wirksam sein. Da die Vereinbarung vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wurde, greift Abs. 1. Danach ist eine Gerichtsstandsvereinbarung u.a. nur zwischen Kaufleuten zulässig. Dabei gilt der Kaufmannsbegriff des HGB. Nach § 1 HGB ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Das trifft auf die Mandantin nicht zu, während die Gegnerin als Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3 GmbHG) Formkaufmann ist (§ 6 Abs. 1 HGB). Die Gerichtsstandsvereinbarung ist deshalb unwirksam.

Es ist der Mandantin auch nicht dazu zu raten, eine nach dem Entstehen der Streitigkeit nunmehr zulässige Vereinbarung (Abs. 3 Nr. 1) zu treffen. Da die Mandantin in Lübeck wohnt, bietet ihr eine Prozessführung in Hamburg keine Vorteile.

Für eine Klage zuständig ist deshalb nur das Amtsgericht Lübeck.“

II. Welche Erfolgsaussichten bietet die Rechtsverfolgung?

Nun kommt es darauf an, ob dem Mandanten auf der Grundlage des materiellen Gutachtens und der prozessualen Überlegungen zur Klage zu raten ist.

1. Welches Vorgehen ist am effektivsten?

In den meisten Fällen liegt es auf der Hand, dass für den Mandanten Klage erhoben werden sollte. Denkbar ist es aber auch, Eilrechtsschutz, die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens oder lediglich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beantragen.

„Für die Frage des effektivsten Vorgehens kommt es darauf an, ob es für die Mandantin einen schnelleren und kostengünstigeren Weg als eine Klage gibt. Ein nochmaliges Aufforderungsschreiben an die Gegnerin verspricht keinen Erfolg, da diese die Nachbesserung bereits ausdrücklich abgelehnt hat. Ein Mahnantrag ist nicht zulässig, da der Anspruch nicht auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat (§ 688 Abs. 1 ZPO). Der Mandanten ist folglich zur Klage zu raten.“

2. Welche Risiken verbleiben?

Ein Restrisiko für den Mandanten wird zwar immer verbleiben, deine Aufgabe ist es aber, es soweit wie möglich zu reduzieren.

  • Droht ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten, das zur Kostenbelastung des Mandanten führen würde (§ 93 ZPO), solltest Du zusätzlich vorschlagen, dem Gegner vor Klageerhebung ein Aufforderungsschreiben zu schicken. Darauf darfst Du dich aber nicht beschränken.
  • Hast Du Anhaltspunkte für Gegenforderungen des Gegners, kann es sinnvoll sein, diese zu verrechnen bzw. gegen diese aufzurechnen oder eine Zug-um-Zug-Verurteilung zu beantragen.
  • Fällt dem Mandanten, der einen Schadensersatzanspruch hat, ein Mitverschulden zur Last, solltest Du den entsprechenden Anteil von der Klageforderung abziehen.

„Über das bereits beschriebene Restrisiko, das mit den allgemeinen Unwägbarkeiten einer Beweisaufnahme verbunden ist, hinaus besteht nicht die Gefahr, den Prozess zu verlieren. Ein sofortiges Anerkenntnis durch die Gegnerin verbunden mit der Kostentragungslast der Mandantin trotz Obsiegens (§ 93 ZPO) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Gegnerin durch die Verweigerung der Nachbesserung einen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.“

3. Wer ist der richtige Klagegegner, wenn mehrere Schuldner in Betracht kommen?

Richtet sich der Anspruch des Mandanten gegen mehrere Schuldner, stellt sich die Frage, ob auch alle verklagt werden sollten, soweit nicht ohnehin eine notwendige Streitgenossenschaft besteht (§ 62 ZPO). Verklagst Du mehrere Beklagte, erhöht sich das Kostenrisiko für den Mandanten selbst dann, wenn sie von demselben Anwalt vertreten werden, da dieser für jeden weiteren Mandanten eine zusätzliche 0,3-Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG erhält. Dieses Risiko ist aber bspw. dann vertretbar, wenn ansonsten die Verjährung des Anspruchs gegen einzelne Schuldner droht. Hierbei musst Du auch beachten, dass es nicht zulässig ist, die Hemmung der Verjährung lediglich durch Streitverkündung an die übrigen Gesamtschuldner (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) zu hemmen (BGH VII ZR 102/14, Rn. 15).

4. Welcher Gerichtsstand sollte gewählt werden, wenn mehrere in Betracht kommen?

Kommen nach deiner Prüfung mehrere Gerichtsstände in Betracht, musst Du dich jetzt für einen entscheiden.

a) Ausschließlicher Gerichtsstand

Ist einer der Gerichtsstände ein ausschließlicher (bspw. §§ 24, 29a, 32b ZPO), ist die Entscheidung leicht. Wie der Begriff schon zeigt, schließt ein solcher Gerichtsstand den allgemeinen Gerichtsstand und die besonderen Gerichtsstände aus.

b) Abwägung

Ansonsten hat ein Kläger die Wahl (§ 35 ZPO), die er aber nur einmal treffen kann. Hier kann es darauf ankommen, welches Gericht für den Mandanten (oder den Anwalt) am besten zu erreichen ist oder wo eine Beweisaufnahme im Hinblick auf die Wohnorte der Zeugen am kostengünstigsten durchgeführt werden kann.

c) Streitgenossen

Willst Du Streitgenossen verklagen, musst Du ein Gericht wählen, das für alle zuständig ist. Gibt es das nicht - und ist auch nicht abzusehen, dass sie sich auf eine Verhandlung vor dem unzuständigen Gericht rügelos einlassen -, müsstest Du zunächst einen Gerichtsstandsbestimmungsantrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellen. Hierfür zuständig ist das Gericht, das für alle Gerichtsstände der Streitgenossen das im Rechtszug zunächst höhere ist, allerdings nicht der Bundesgerichtshof (Abs. 2). Diesen Antrag stellst Du dann zusammen mit einem Klageentwurf.

d) Funktionelle Zuständigkeit

Willst Du Klage vor einem Landgericht erheben, musst Du noch entscheiden, ob eine Zivilkammer oder eine Kammer für Handelssachen (KfH) zuständig sein soll. Die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen setzt voraus, dass es sich um eine Handelssache gemäß § 95 GVG handelt. Aber auch wenn das Fall ist, kannst Du vor der Zivilkammer klagen, da die Zuständigkeit der KfH einen Antrag des Klägers voraussetzt (§ 96 Abs. 1 GVG). Allerdings kann dann der Beklagte ebenfalls eine Verweisung beantragen (§ 98 Abs. 1 Satz 1 GVG).

Maßstab der Auswahl ist vor allem die Frage, ob es für die Entscheidung auf den besonderen Sachverstand der Handelsrichter (§§ 105 Abs. 1, 109 GVG) ankommt.