A. Sachverhalt
Mit notarieller Erklärung vom 11. Mai 1999 teilte die Beteiligte zu 1 ihr Grundstück in Wohnungseigentum auf. Hierbei entstanden zwei Eigentumswohnungen, eine kleine mit einem Miteigentumsanteil von 280/1000 und eine große mit einem Miteigentumsanteil von 720/1000. Die große Wohnung übertrug sie dem Vater der Beteiligten zu 2. Mit notariellem Vertrag vom 16. März 2010 schenkte sie die kleine Wohnung der Beteiligten zu 2 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und unter Anrechnung auf ihren künftigen Pflichtteil und ließ sie ihr auf. In dem Schenkungsvertrag behielt sie sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an der Eigentumswohnung und den Rücktritt unter anderem für den Fall einer Veräußerung der Wohnung ohne ihre schriftliche Zustimmung und für den Fall einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu 2 vor. Der sich hieraus ergebende Rückauflassungsanspruch soll durch eine Vormerkung gesichert werden. Das Grundbuchamt hat den Vollzug des Vertrags mit Zwischenverfügungen vom 31. März 2010 und vom 15. April 2010 von der Genehmigung eines zu bestellenden Ergänzungspflegers und des Familiengerichts abhängig gemacht. Die Beschwerde der Antragstellerinnen hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wenden sich diese mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Sie wollen erreichen, dass der Schenkungsvertrag ohne die verlangten Genehmigungen vollzogen wird.
B. Worum geht es?
Der BGH hatte bislang – in der uns bekannten Entscheidung aus dem Jahr 1980 - nur entschieden, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung jedenfalls dann als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen sei, wenn die Gemeinschaftsordnung nicht unerheblich zu seinen Lasten abweiche. Ob der Erwerb einer Eigentumswohnung für einen Minderjährigen unabhängig hiervon nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei, weil er durch den Erwerb Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft und für ihre Verbindlichkeiten einzustehen habe, hatte er bislang offenlassen können. Daher hatte er nun folgende Frage zu beantworten:
“Ist der (schenkweise) Erwerb einer Eigentumswohnung lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB? Kommt es dazu auf den Inhalt der Gemeinschaftsordnung, das Bestehen eines Verwaltervertrags oder eines Mietvertrags über die Eigentumswohnung an?”
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH hält im Fall „Schenkung von Wohnungseigentum an einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen II“ (Beschl. v. 30.9.2010 – V ZB 206/10 (BGHZ 187, 119 ff.)) die Auflassung für unwirksam. Der BGH stellt heraus, dass er die im Jahr 1980 entwickelte „Gesamtbetrachtungslehre“ aufgegeben habe:
„Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170, 175). Ob diese weitergehenden Verpflichtungen von den Beteiligten des Rechtsgeschäfts angestrebt worden sind, ist unerheblich. Es genügt, wenn sie die gesetzliche Folge des angestrebten Rechtsgeschäfts sind (Senat, Beschluss vom 25. November 2004, aaO, S. 178). Ob das der Fall ist, bestimmt sich entgegen der früheren, aufgegebenen Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 9. Juli 1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28, 35) nicht nach einer Gesamtbetrachtung des dinglichen und des schuldrechtlichen Teils des Rechtsgeschäfts, sondern nach einer isolierten Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts (Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, aaO, S. 173 f.), hier also allein der Eigentumsübertragung.“
Ob die Auflassung einer Eigentumswohnung in diesem Sinne für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, werde unterschiedlich beurteilt. Zunächst stellt der BGH die herrschende Auffassung dar:
„Nach herrschender Meinung ist der Erwerb einer Eigentumswohnung im Grundsatz lediglich rechtlich vorteilhaft (LG Saarbrücken, MittRhNotK 1990, 109, 110; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, 2. Aufl., § 107 Rn. 8; Münch- Komm-BGB/Schmitt, 5. Aufl., § 107 Rn. 48 bei gg; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 107 Rn. 4; PWW/Völzmann-Stickelbrock, BGB, 5. Aufl., § 107 Rn. 9; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 107 Rn. 8; Staudinger/Knothe, BGB, Bearbeitung 2004, § 107 Rn. 13; Bauer/v. Oefele/Schaub, GBO, 2. Aufl., AT VII Rn. 230; Stürner AcP 173 [1973], 402, 432; wohl auch Jahnke, NJW 1977, 960, 961). Anders sei es nur, wenn die Gemeinschaftsordnung nicht unerhebliche Verschärfungen zu Lasten des Minderjährigen vorsehe (Senat, Beschluss vom 9. Juli 1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28, 32; BayObLG, BayObLGZ 1979, 243, 249), wenn ein Verwaltervertrag bestehe und der Minderjährige mit dem Erwerb der Eigentumswohnung in diesen eintrete (OLG Celle, NJW 1976, 2214, 2215; OLG Hamm, NZM 2000, 1028, 1029; vgl. auch BayObLG, FGPrax 1998, 21, 22) oder wenn die Eigentumswohnung vermietet sei (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rn. 3610m unter Hinweis auf Senat, Beschluss vom 3. Februar 2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137, 140, die aber selbst die Gegenmeinung vertreten). Nach dieser Meinung wäre der Erwerb der Eigentumswohnung hier lediglich rechtlich vorteilhaft. Die Wohnung wird von der Beteiligten zu 1 genutzt. Diese ist als bisherige Eigentümerin Verwalterin. Sie könnte für die Fortführung der Verwaltung als Nießbraucherin keinen Aufwendungsersatz verlangen, da ein solcher in dem Schenkungsvertrag ausgeschlossen ist. In der Teilungserklärung ist zwar vereinbart, dass sämtliche Betriebskosten nach Miteigentumsanteilen zu tragen sind. Hiervon sind aber die verbrauchsabhängigen Kosten ausgenommen, so dass die Beteiligte zu 2 gegenüber der gesetzlichen Lastenverteilung nicht, jedenfalls nicht nennenswert schlechter gestellt ist.“
Nach der Gegenauffassung komme es hingegen weder auf das Bestehen eines Verwaltervertrags noch auf den genauen Inhalt der Teilungserklärung an:
„Danach ist der Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen stets als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen (OLG München ZEV 2008, 246, 247; AK-BGB/Kohl, § 107 Rn. 23; Demharter, GBO, 27. Aufl., Anh. zu § 3 Rn. 60; Köhler, JZ 1983, 225, 230; Schöner/Stöber, aaO; unklar Hügel/Reetz, GBO, 2. Aufl., Abschnitt rechtsgeschäftliche Vollmacht und gesetzliche Vertretungsmacht Rn. 163 a. E.). Der Minderjährige werde mit dem Erwerb der Eigentumswohnung nicht nur deren Eigentümer, sondern auch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Für deren Verbindlichkeiten hafte er, wenn auch beschränkt auf seinen Anteil, nicht nur mit dem geschenkten Gegenstand, sondern auch mit seinem übrigen Vermögen.“
Der BGH hingegen geht davon aus, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung für einen Minderjährigen stets nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Es komme weder auf die Ausgestaltung der Teilungserklärung noch darauf an, ob bei Vollzug des Erwerbs ein Verwaltervertrag bestehe oder ob die Eigentumswohnung vermietet sei. Der Erwerb einer Eigentumswohnung sei für den Minderjährigen jedenfalls deshalb nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil er mit dem Erwerb der Eigentumswohnung nicht nur einen Vermögensgegenstand erwerbe, sondern Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft werde:
„Die den Minderjährigen damit kraft Gesetzes treffenden persönlichen Verpflichtungen können nicht als ihrem Umfang nach begrenzt und wirtschaftlich so unbedeutend angesehen werden, dass sie unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Verweigerung der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter oder durch einen Ergänzungspfleger nicht rechtfertigen könnten, was der Senat bei der mit dem Erwerb eines Grundstücks verbundenen Verpflichtung zur Tragung der öffentlicher Lasten angenommen hat (Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, aaO, S. 179). Denn als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wäre der Minderjährige nach § 16 Abs. 2 WEG nicht nur verpflichtet, sich entsprechend seinem Anteil an den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen. Er hätte vielmehr anteilig auch die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. Diese Kosten können ein je nach dem Alter und dem Zustand des Gebäudes, in dem sich die Eigentumswohnung befindet, ganz erhebliches Ausmaß annehmen. Hinzu kommt, dass der Minderjährige als Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet wäre, sich durch Sonderumlagen an Wohngeldausfällen zu beteiligen. Dass hier die andere Wohnung dem Vater der Beteiligten gehört und dieser bemüht sein wird, eine Inanspruchnahme seiner minderjährigen Tochter zu verhindern, ändert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde an dieser Rechtslage nichts.“
Hinzukomme,
„dass der Minderjährige als Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 WEG infolge des Erwerbs der Eigentumswohnung kraft Gesetzes den Gläubigern der Wohnungseigentümergemeinschaft für Verbindlichkeiten haftet, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstehen oder während dieses Zeitraums fällig werden. Die Haftung ist zwar der Höhe nach auf einen Betrag begrenzt, der seinem Anteil am Gemeinschaftseigentum entspricht. In diesem Umfang haftet der Minderjährige aber, worauf das Berufungsgericht mit Recht abgestellt hat, nicht nur mit der ihm geschenkten Eigentumswohnung, sondern auch mit seinem übrigen Vermögen (OLG München, ZEV 2008, 246, 247). Es liegt nicht anders als bei einem Minderjährigen, dem ein vermietetes oder verpachtetes Grundstück geschenkt werden soll. Auch dessen Erwerb ist für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil er mit dem Erwerb des Grundstücks nach § 566 Abs. 1, § 581 Abs. 2 und § 593b BGB kraft Gesetzes als Vermieter bzw. Verpächter in das Miet- oder Pachtverhältnis eintritt und als Folge davon die den Vermieter bzw. Verpächter treffenden Verpflichtungen auch unter Einsatz seines übrigen Vermögens zu erfüllen hat (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137, 140).“
Der Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen sei demnach in jedem Fall nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Er bedarf daher nach § 107 BGB der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter, die ggf. durch einen Ergänzungspfleger ersetzt werden müsse:
„Diese Entscheidung können im vorliegenden Fall aber nicht die Eltern der Beteiligten zu 2 treffen, weil ein Elternteil mit der Beteiligten zu 1 in gerader Linie verwandt und das Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist (zu diesem Erfordernis: Senat, Beschluss vom 16. April 1975 – V ZB 15/74, NJW 1975, 1885, 1886) und deshalb beide Elternteile (dazu BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708) nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB an der Vertretung gehindert sind. Das macht die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB erforderlich. Auf dessen Genehmigung hat das Grundbuchamt zu Recht abgestellt.“
D. Fazit
Merken sollte man sich den Leitsatz der Entscheidung:
“Der (schenkweise) Erwerb einer Eigentumswohnung ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und bedarf deshalb der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters nach § 107 BGB. Auf den Inhalt der Gemeinschaftsordnung, das Bestehen eines Verwaltervertrags oder eines Mietvertrags über die Eigentumswohnung kommt es nicht an.”
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen