Funkenflug-Fall

Funkenflug-Fall

Klassiker der Rechtsprechung zur Geschäftsführung ohne Auftrag und dem “auch-fremden” Geschäft

Kann das „auch-fremde“ Geschäft eine GoA begründen? Um diese Frage ging es in diesem Klassiker der Rechtsprechung. Die hier besprochene Fallgruppe der Gefahrenabwehr ist dabei weitgehend anerkannt. Höchst umstritten sind insoweit hingegen die Fallgruppen „nichtige Verträge“ oder „erstrebe Verträge“.

A. Sachverhalt

Im Jahre 1959 entstanden entlang der Bundesbahnstrecke Sch.-G. durch Funkenflug aus vorbeifahrenden Lokomotiven verschiedene Waldbrände, zu denen Bekämpfung u. a. die freiwillige Feuerwehr der klagenden Gemeinde eingesetzt wurde. Diese hat für die ihr dadurch entstandenen Aufwendungen von der beklagten Bundesbahn Ersatz verlangt.

B. Worum geht es?

Im Mittelpunkt des Falles stehen klassische Fragen der Geschäftsführung ohne Auftrag(§§ 677 ff. BGB, sog. GoA): Die Klage kann nicht auf eine unerlaubte Handlung der (damaligen) Bundesbahn gestützt werden, weil ihre Bediensteten keines der in § 823 I BGB aufgeführten Rechtsgüter der klagenden Gemeinde verletzt haben, und § 823 II BGB schon deswegen nicht anwendbar ist, weil die hier in Betracht kommenden Brandstiftungsdelikte des StGB keine Schutzgesetze zugunsten der Gemeinden sind, die die Feuerwehren unterhalten. Daher konnte sich ein Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt einer GoA ergeben, entweder als Aufwendungsersatzanspruch im Rahmen einer echten berechtigten GoA(§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) oder als Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung im Rahmen einer echten unberechtigten GoA (§§ 677, 684, 818 BGB). Voraussetzung einer echten GoA ist indes in jedem Fall, dass die Gemeinde die Löscharbeiten als „Geschäft für einen anderen besorgt“ hat. Das Berufungsgericht hatte eine GoA mit der Erwägung verneint, die Gemeinde habe nicht mit einem Fremdgeschäftsführungswillen zugunsten der Bundesbahn gehandelt. Vielmehr habe sie (nur) eine ihr obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllen wollen:

„Die Tätigkeit der Feuerwehren habe sich auf den Interessenkreis der Beklagten bezogen und deren Belange gefördert; die Klägerin habe also ein Geschäft der Beklagten geführt. Die Klägerin habe aber nicht bewiesen, daß sie auch den dahingehenden Willen gehabt habe. Mit der Brandbekämpfung habe sie, entsprechend der ihr obliegenden öffentlichrechtlichen Verpflichtung, ihr eigenes Geschäft geführt. Unter diesen Umständen hätte sie dartun müssen, daß sie auch zugunsten des „Brandstifters“ habe tätig werden wollen. Eine solche Annahme liege fern. Es seien zudem keinerlei Tatsachen beigebracht, die auf einen solchen Willen schließen ließen.“

Der BGH hatte damit folgende Frage zu beantworten:

„Kann die eine Feuerwehr unterhaltende Gemeinde von der Bundesbahn, deren Lokomotiven durch Funkenflug einen Waldbrand verursacht haben, Ersatz ihrer Löschaufwendungen nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen?“

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH bejaht in dem Funkenflugfall (Urt. v. 20.6.1963 – VII ZR 263/61 (BGHZ 40, 28 ff.)) einen Anspruch der Gemeinde aus GoA.

Zunächst stellt der BGH dar, dass auch ein sogenanntes „auch-fremdes“ Geschäft von § 677 BGB erfasst werde:

„Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß eine Geschäftsführung iS des § 677 BGB auch dann möglich ist, wenn der Handelnde vornehmlich zur Wahrnehmung eigener Belange und nur nebenbei im Interesse eines Anderen tätig wird. Insbesondere hindert der Umstand, daß der Geschäftsführer einer eigenen öffentlichrechtlichen Pflicht nachkommt, nicht die Annahme, daß er damit zugleich das privatrechtliche Geschäft eines Dritten besorgt (BGHZ 16, 12, 16; 30, 162, 167).“

Dann allerdings müssen grundsätzlich Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Geschäftsführungswillen (hier: der Gemeinde) äußerlich erkennbar machen. Das gelte auch, wenn

„Diese Anhaltspunkte können sich aus der Natur des Geschäfts ergeben. Ist es bereits seinem Wesen nach ganz oder wenigstens auch ein objektiv fremdes, so wird jener Geschäftsführungswille zu vermuten, und es wird Sache desjenigen sein, der ihn leugnet, den Gegenbeweis zu führen. Anders liegt es bei äußerlich neutralen Handlungen, die für sich allein keinen Schluß darauf zulassen, ob sie der Ausführende nur für sich oder für einen anderen vornehmen will. Bei ihnen sind der Gefährdungswille und seine Erkennbarkeit von demjenigen darzutun, der sie behauptet (BGHZ 38, 270, 276; Urt v 17. Dezember 1957 – VI ZR 288/56 – VersR 1958, 168; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 5. Aufl Bd II S 231; BGB-RGRK § 677 Anm 2).“

Da die Löscharbeiten der Gemeinde objektiv (auch) der Bundesbahn zugutekommen, wird auch hier ihr Fremdgeschäftsführungswille vermutet:

„Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze im allgemeinen zutreffend wiedergegeben. Es hat aber nicht beachtet, daß sie ebenfalls anwendbar sind, wenn das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt. Das ist hier der Fall. Wohl handelte die Feuerwehr in Erfüllung der ihr auferlegten öffentlichrechtlichen Pflichten. Ziel und Zweck ihres Handelns waren und sind aber, wie stets, die Hilfeleistungen für Dritte. Als solche kamen alle in Betracht, die durch die ungehinderte Fortdauer des Feuers und seine Ausbreitung Schaden erleiden konnten. In deren Interesse lag also das Eingreifen der Feuerwehr, und demgemäß wurde auch deren Geschäft mitbesorgt.
Zu diesem Interessentenkreis gehörte hier neben den Eigentümern die Bundesbahn. Sie haftete den Eigentümern gemäß § 1 SachschHG auch ohne eigenes Verschulden für den Schaden. Deswegen mußte ihr, wie bei objektiver Betrachtung außer Zweifel stand, dringend an dessen Verringerung gelegen sein (vgl hierzu auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearb, § 165 III 2a). Nach dem oben Gesagten ist also zu vermuten, daß die Klägerin auch der Beklagten durch den Einsatz der Feuerwehr helfen wollte und demgemäß den nach § 677 BGB erforderlichen Geschäftsführungswillen gehabt hat.“

Anderes gelte allerdings dann, wenn das Gesetz den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so entfällt ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen gemäß §§ 683, 670 BGB, weil sie der Geschäftsführer eben kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll. Eine solche Bestimmung enthalte das hessische Brandschutzgesetz nicht, weswegen die Bundesbahn zum Aufwendungsersatz verpflichtet sei.

D. Fazit

Wir merken uns: Nach der Rechtsprechung des BGH kann das „auch-fremde“ Geschäft eine GoA begründen. Die Reichweite ist umstritten. Die hier besprochene Fallgruppe der Gefahrenabwehr ist dabei weitgehend anerkannt. Höchst umstritten sind insoweit hingegen die Fallgruppen „nichtige Verträge“ oder „erstrebe Verträge“.

Allgemein gilt: Die Geschäftsführung ohne Auftrag ist ein anspruchsvolles gesetzliches Schuldverhältnis. Man ist daher gut beraten, Klassiker wie den Fall der „Selbstaufopferung im Straßenverkehr“ (Gefahrenabwehr), den Erbensucher-Fall (erstrebter Vertrag) oder eben auch den Funkenflug-Fall zu kennen.