Examensreport: ÖR II 1. Examen November 2018 in NRW

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

 

Die Prägung von Edelmetallen, sogenannte Punzierung, gibt es auch in Deutschland. Dabei handelt es sich um einen Stempel, der so die Feinheit des Edelmetalles anzeigt. Die Punzierung nehmen die Hersteller grundsätzlich selbst und freiwillig vor. Wenn sich allerdings herausstellt, dass die Angaben falsch sind, begehen sie nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern haften ebenfalls und müssen Schadenersatz leisten. Liegt tatsächlich ein vorsätzliches Handeln vor, begehen die Hersteller sogar eine Straftat.

Die Staaten A, B und C sind Mitgliedstaaten der Europäischen Union. In diesen Mitgliedstaaten wird die Punzierung nicht durch die Hersteller selbst vorgenommen, sondern durch eine staatliche Stelle. In A, B und C dürfen somit auch nur Edelmetalle verkauft werden, die eine solche staatliche Punzierung erhalten haben. Demzufolge erkennen diese drei Staaten die Punzierungen aus den jeweils anderen Staaten nicht an. Der Mitgliedstaat A gewährt für Hersteller aus Deutschland daher die Möglichkeit, die Produkte vor ihrem Verkauf in A punzieren zu lassen. Punzierungen aus Deutschland würden in A ohne staatliche Punzierung von diesem Mitgliedstaat generell anerkannt werden, wenn die Punzierungen auch schon in Deutschland durch eine staatliche Stelle durchgeführt werden würden.

Die X-GmbH hat ihren Sitz in Deutschland und stellt Edelmetallprodukte her, die sie zudem auch vertreibt. Die X möchte ihre Produkte nun auch insbesondere in dem  Mitgliedstaat A verkaufen. Um dies umzusetzen, muss gemäß der Verwaltungspraxis des Mitgliedstaates A vor jeder Auslieferung die Punzierung bei der staatlichen Stelle in A oder B oder C beantragt und vorgenommen werden. Hier kommt es aber leider immer wieder zu sprachlichen Schwierigkeiten, weshalb sich die Lieferzeiten der X-GmbH erheblich verzögern, insbesondere im Vergleich zu den in A ansässigen Unternehmen. Demzufolge werden viele Bestellungen von Kunden aus A bei der X-GmbH wieder storniert.

Die Bundesrepublik Deutschland vermutet allerdings in der Handhabung des Mitgliedstaates A einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit. Insbesondere gäbe es mit der europäischen Richtlinie über das CE-Siegel bereits eine europaweite Regelung, welche die Qualität von Produkten gewährleisten soll. Die Kommission verfasst daher eine begründete Stellungnahme nach Art. 259 AEUV und stellt diese dem Mitgliedstaat A zu. Dieser verneint aber einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit mit der Begründung, dass von staatlichen Stellen vorgenommene Punzierungen verlässlicher seien. Das sei bedeutend, weil schon – was zutrifft – kleinste Abweichungen eine erhebliche Auswirkung auf die Gewinnspanne hätten. Die Bundesrepublik Deutschland betreibt nun wegen dessen Verwaltungspraxis ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat A.

 

Aufgabe 1Hat das Vertragsverletzungsverfahren Erfolg?

 

Aufgabe 2Unterstellt Sie, dass das Vertragsverletzungsverfahren keinen Erfolg hat. Kann die X-GmbH aus Grundfreiheiten oder deutschen Grundrechten von der Bundesrepublik Deutschland verlangen, dass auch in Deutschland eine solche staatliche Punzierungsstelle geschaffen wird? Die Bundesregierung meint, dass die Grundfreiheiten „in dieser Konstellation“ nicht anwendbar wären, und hat Zweifel was die „Funktion der Grundrechte“ angeht.

 

Aufgabe 3Unabhängig von einer Verpflichtung, hält die Bundesregierung es zum Abbau bestehender Nachteile für die deutschen Hersteller für erforderlich, auch in Deutschland die Möglichkeit zur Punzierung durch eine staatliche Stelle zu schaffen. Das untenstehende Gesetz bringt die Bundesregierung sodann in den Bundestag ein, wo es - in einem ordnungsgemäßen Verfahren - beschlossen wird. Nachdem der Bundesrat auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet, wird das Gesetz schließlich verkündet. Die Landesregierung L meint, dass der Bund hierfür keine Kompetenz hätte. Verwaltung sei Ländersache. Und sowieso hätte der Bundesrat zustimmen müssen. Ist das Gesetz also mit den Vorschriften des Grundgesetzes vereinbar?

Gesetz:

§ 1: Hersteller von Edelmetallen haben die Möglichkeit, eine staatliche Punzierung zu erhalten.

§ 2: Zu diesem Zweck wird eine Bundesoberbehörde mit Sitz in Bonn errichtet und dem Bundesministerium für Wirtschaft unterstellt.

 

Aufgabe 4Die Kommission hält es für sinnvoller, wenn statt der einzelstaatlichen Regelungen die Punzierung einheitlich durch die Europäische Union geregelt wird.
Hat sie dafür aber überhaupt die Kompetenz? In welcher Handlungsform könnte sie das tun? Welches Verfahren ist dafür vorgesehen? Wer könnte das einleiten?

 

Bearbeitervermerk:
Beantworten Sie die aufgeworfenen Fragen – ggf. hilfsgutachterlich – in einem umfassenden Gutachten.

 

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