Jauchegrube-Fall

Jauchegrube-Fall

A. Sachverhalt

Die Angeklagte stopfte mit Tötungsvorsatz Frau B zwei Hände voll Sand in den Mund, um sie am Schreien zu hindern. Frau B lag regungs- und bewusstlos da und wurde von der Angeklagten irrtümlich für tot gehalten. Die Angeklagte warf Frau B in eine Jauchegrube, wo sie starb.  

B. Worum geht es?

Die Angeklagte hat B getötet. Ihre mit Tötungsvorsatz vorgenommene Handlung (Stopfen von Sand in den Mund der B) führte nicht unmittelbar zum Tod der B. Als die Angeklagte die B in die Jauchegrube warf, nahm sie hingegen an, dass die B bereits tot war. Hier handelte die Angeklagte also ohne Tötungsvorsatz.
Man könnte also annehmen, dass die Angeklagte sich zunächst wegen eines versuchten Totschlags und sodann wegen einer fahrlässigen Tötung strafbar gemacht hat. Das Landgericht hatte die Angeklagte indes wegen vollendeten Totschlags verurteilt.  

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH bestätigt im Jauchegrube-Fall (Urt. v. 26.04.1960 – 5 StR 77/60 (BGHSt 14, 193 ff.)) die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten Totschlags, teilt aber nicht die Begründung des Landgerichts.

Das Landgericht hatte die Verteilung der Angeklagten wegen vollendeten Totschlags noch auf einen durchgehenden Tötungsvorsatz gestützt. Dem widerspricht der BGH:

„Im Urteil steht, es liege “ein die ganze Tat durchziehender Generaldolus” vor (UA S.19); der bedingte Tötungsvorsatz der Angeklagten habe ihr gesamtes Vorgehen beherrscht, “beginnend mit der Verhinderung des Schreiens der Gewürgten und endend mit der Versenkung ihres Opfers in die Jauchegrube” (UA S.16). Es wäre unrichtig, wenn das Schwurgericht hiermit sagen wollte, die Angeklagte habe noch beim Beseitigen der bewußtlosen Frau B, von deren Tode sie fest überzeugt war (UA S.15), mit einem fortwirkenden bedingten Tötungsvorsatz gehandelt. Dieser war vielmehr durch jene Überzeugung der Angeklagten erledigt. Daran kann der unklare und rechtsgeschichtlich überholte Begriff eines “Generalvorsatzes” nichts ändern. Es geht nicht an, mit seiner Hilfe den ursprünglichen Tötungsvorsatz auf spätere Handlungen auszudehnen, bei denen er tatsächlich nicht mehr bestand (vgl. Hellmuth Mayer JZ 1956,109).“

Vielmehr liege ein unbeachtlicher Irrtum über den Kausalverlauf vor:

„Wie das Schwurgericht rechtlich einwandfrei darlegt (UA S.14), hatte die Angeklagte den bedingten Tötungsvorsatz, als sie Frau B zwei Hände voll Sand in den Mund stopfte, um sie am Schreien zu hindern. Dadurch verursachte sie den Tod zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar. Denn die Folge war, daß Frau B schließlich regungslos dalag, von der Angeklagten für tot gehalten und deshalb von ihr in die Jauchegrube geworfen wurde. Zu diesem Vorgange, der den Tod unmittelbar bewirkte, wäre es ohne die früheren Handlungen, die die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführt hatte, nicht gekommen. Diese sind daher Ursache des Todes. Die Angeklagte hat ihn also mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt. Er ist zwar auf eine andere Weise eingetreten, als die Angeklagte es für möglich gehalten hatte. Diese Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Ursachenablauf ist aber nur gering und rechtlich ohne Bedeutung.
Das ist für Fälle des direkten Tötungsvorsatzes schon wiederholt entschieden worden (RGSt 67,258; BGH vom 23.Oktober 1951 bei Dallinger MDR 1952,16; BGHSt 7,325, 329/330). Daß die Angeklagte bei ihrem Angriff nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatte, ist jedenfalls im vorliegenden Falle kein Grund, etwas anderes anzunehmen. Denn der Unterschied zwischen beiden Arten des Vorsatzes hat mit der Ursächlichkeit nichts zu tun. Er ändert auch nichts daran, daß das Maß, in dem der wirkliche Ursachenablauf von der Vorstellung der Angeklagten abwich, gering und daher rechtlich bedeutungslos ist.“

 

D. Fazit

Der Jauchegrube-Fall ist ein absoluter Klassiker, der jeder Studentin und jedem Studenten im Studium über den Weg läuft und um dessen richtige Lösung auch heute noch gerungen wird.