A. Sachverhalt
A verkauft ein Kraftfahrzeug an den gutgläubigen D zu einem Preis von 17.800 Euro. Der Wegstreckenzähler des Pkw war zuvor durch A manipuliert worden, sodass er statt der tatsächlichen Laufleistung von 333.000 km eine solche von nur 165.303 km auswies. D zahlte den Kaufpreis, der für einen Pkw mit einer Laufleistung von ca. 150.000 km marktgerecht gewesen wäre. Der Wagen hatte – wegen der hohen Laufleistung – aber tatsächlich nur einen Wert von 10.000 Euro.
Strafbarkeit des A?
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 12.7.2017 – 2 StR 160/16)
I. Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 I StGB
Indem A dem D den PKW verkaufte, könnte er sich wegen Betruges gegenüber und zu Lasten des D strafbar gemacht haben.
A täuschte D über die tatsächliche Laufleistung des Pkw, worüber D irrte. Indem D den Kaufpreis zahlte, verfügte er über sein Vermögen, das infolge des geringeren Werts des Pkw von 10.000 Euro einen Schaden in Höhe von ca. 7.800 Euro erlitt. A handelte vorsätzlich und mit der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern.
A hat sich daher wegen Betruges gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des D strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen nach § 268 I Nr. 1 StGB
Indem A den Tachostand manipulierte, könnte er sich wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen nach § 268 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Dazu müsste es sich bei der Anzeige des Kilometerstandes in einem Kraftfahrzeug um eine technische Aufzeichnung im Sinne von § 268 StGB handeln. Als solche bezeichnet das Gesetz (§ 268 II StGB) eine Darstellung von (Daten), Mess- oder Rechenwerten, (Zuständen oder Geschehensabläufen), die durch ein technisches Gerät ganz oder zum Teil selbsttätig bewirkt wird, den Gegenstand der Aufzeichnung allgemein oder für Eingeweihte erkennen lässt und zum Beweise einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt ist, gleichviel, ob ihr die Bestimmung schon bei der Herstellung oder erst später gegeben wird. Nach h.M. ist unter “Darstellung” dabei nur eine solche Aufzeichnung zu verstehen, bei der die Information in einem selbständig verkörperten, vom Gerät abtrennbaren Stück enthalten ist.
Das hat der BGH im Jahr 1980 verneint und seine frühere Rechtsprechung aufgegeben:
„Diese Voraussetzung erfüllt die Wegstreckenanzeige im Kilometerzähler eines Kraftfahrzeuges nicht. Sie ist bestimmungsgemäß Bestandteil des Meßmechanismus und von diesem ohne dessen Zerstörung nicht trennbar. Der Senat gibt damit nach erneuter Prüfung seine im Beschluß vom 21. Dezember 1972 (4 StR 566/72) unter Hinweis auf die Kommentierung bei Schönke/Schröder in der 16. Aufl. vertretene gegenteilige Auffassung auf, daß jede Darstellung von nur gewisser Dauerhaftigkeit, insbesondere auch die auf Bestandteilen des technischen Gerätes erscheinende Aussage, Schutzobjekt im Sinne des § 268 StGB sei (so OLG Frankfurt NJW 1979, 118 mit zustimmender Anmerkung Sonnen, JA 1979, 168; LG Marburg, MDR 1973, 65 f [LG Marburg 30.06.1972 - 7 Ls 58/71 Ns]; Samson in SK, § 268 StGB, Rdn. 12; Schönke/Schröder/Cramer, 20. Aufl., § 268 StGB, Rdn. 9; Preisendanz, 30. Aufl., § 268 StGB, Anm. 3 b; Schilling, Fälschung technischer Aufzeichnungen, 1970 S. 10 f; Blei, JA 1971, 724 f).“
Zur Begründung berief er sich darauf, dass die gegenteilige Auffassung weder mit dem Wortlaut des § 268 II StGB zu vereinbaren sei, noch in dessen Entstehungsgeschichte und in der Systematik des Gesetzes einen Anhaltspunkt finde:
„Bei der Auslegung von Gesetzen ist zunächst vom Wortlaut auszugehen (vgl. BGHSt 14, 116, 118; 27, 45, 50) [BGH 04.11.1976 - 4 StR 255/76]. Führend im Text des § 268 StGB ist nicht der Begriff der “Darstellung”, sondern der der “Aufzeichnung”. Darunter versteht der allgemeine Sprachgebrauch das Festhalten von etwas durch Schrift, Bild oder Ton sowie das so Festgehaltene (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1976). Gleichviel, ob damit der Vorgang als solcher oder sein Produkt umschrieben wird, schließt dieses Verständnis des Begriffes in der Regel die Verkörperung des Aufgezeichneten auf einem selbständigen, vom aufzeichnenden Menschen oder vom Gerät abtrennbaren Zeichenträger ein. Dieser Auslegung steht weder entgegen, daß die Aufzeichnung als eine “technische” qualifiziert noch, daß sie mit “Darstellung” umschrieben ist. Beides dient lediglich der Verdeutlichung der Art der Aufzeichnung, erläutert also, was als ihr Gegenstand in Betracht kommt und wodurch sie bewirkt werden muß, verändert aber nicht ihren Sinngehalt.
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte des § 268 Abs. 2 StGB. Diese Bestimmung geht auf § 306 Abs. 3 des Entwurfes 1962 zurück (vgl. BT-Drucks. V/4094 S. 37), der die technische Aufzeichnung mit “Aufzeichnung eines Meßwertes, Zustandes oder Geschehensablaufs …” umschrieb. In dieser Fassung wurde sie als § 268 Abs. 2 vom Sonderausschuß für die Strafrechtsreform beraten und beschlossen (vgl. Protokolle des Sonderausschusses, V S. 2396, 2407, 2409 ff, 2415). Erst in der dem Bundestag für die zweite und dritte Lesung zugeleiteten Entwurfsfassung wurde dies geändert. In Anlehnung an Vorschläge der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wurde der Begriff “Aufzeichnung” durch “Darstellung” ersetzt. Nach Ansicht des Sonderausschusses entsprach jedoch diese Fassung der bisherigen. Es sollte durch die Änderung eine Wiederholung des Wortes “Aufzeichnung” vermieden und der Begriff der technischen Aufzeichnung besser umschrieben werden (vgl. Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4094 S. 37). Dies spricht eindeutig gegen die Annahme, daß der inhaltlich weitere Sinngehalt des Begriffes “Darstellung” an die Stelle des bisher verwendeten der “Aufzeichnung” treten sollte. …
Dieses Ergebnis wird durch die vom Gesetzgeber gewählte systematische Einordnung des § 268 StGB bestätigt. Sein Tatbestand ist den Urkundendelikten zugeordnet und eng an den der Fälschung und Unterdrückung von Urkunden angelehnt. Dementsprechend ist der Begriff der technischen Aufzeichnung in seinen Erfordernissen denen der Urkunde angeglichen. Soweit sich nicht aus ihren wesensmäßigen Besonderheiten etwas anderes ergibt, so bezüglich des Erfordernisses der Verkörperung eines Gedankens oder des Erfordernisses des Hinweises auf einen bestimmten Aussteller (vgl. Entwurfsbegründung zu § 306 E 1962, BT-Drucks. IV/650 S. 482; Protokoll der Sitzungen des Sonderausschusses V, S. 2409, 2410 - Corves - sowie 2412 ff), sind deshalb an den Begriff der technischen Aufzeichnung die entsprechend gleichen Anforderungen wie an den Begriff der Urkunde zu stellen. Mit Recht geht daher das Oberlandesgericht Düsseldorf (VM 1975, 54) davon aus, daß, von den genannten Besonderheiten abgesehen, sich die Beantwortung der Frage, was als technische Aufzeichnung anzusehen ist, an das anzulehnen hat, was zum Begriff der Urkunde erarbeitet worden ist. Kennzeichnend für eine Urkunde ist aber, daß ihr Erklärungsinhalt in einem selbständigen Stück enthalten ist, das mit dem Erklärenden nicht fest verbunden ist und, losgelöst von ihm, Beweis erbringen kann.“ (BGH Urt. v. 7.2.1980 – 4 StR 654/79)
Eine Strafbarkeit nach § 268 StGB scheidet danach aus.
III. Strafbarkeit wegen Missbrauchs von Wegstreckenzählern gemäß § 22b I Nr. 1 StVG
A hat sich aber wegen Missbrauchs von Wegstreckenzählern gemäß § 22b I Nr. 1 StVG strafbar gemacht, indem er durch Einwirken auf den Wegstreckenzähler das Ergebnis der Messung beeinflusst hat.
IV. Konkurrenzen
Die Vorinstanz hatte angenommen, dass § 22b I Nr. 1 StVG in Tateinheit zum Betrug gemäß § 263 StGB stehe.
Dem tritt der BGH entgegen und nimmt an, dass § 22b StVG als mitbestrafte Vortat hinter § 263 StGB zurücktrete:
„§ 22b StVG wurde durch Gesetz vom 14. August 2005 (BGBl. I 2412) neu in das StVG eingefügt, um mit Blick auf § 268 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 1980 - 4 StR 654/79 , BGHSt 29, 204 ) und § 263 StGB Sanktionslücken zu schließen (BT-Drucks. 15/5315, S. 8; vgl. MüKoStVR/Weidig, § 22b StVG, Rn. 1; Humberg, SVR 2011, 164, 165; Blum, NZV 2007, 70). Das Verfälschen der Messung eines Wegstreckenzählers im Sinne des § 22b StVG stellt sich als typische Vorbereitungstat eines Betruges dar, die regelmäßig nicht von einem eigenständigen Unrechtsgehalt geprägt ist (Weidig, aaO, Rn. 2; vgl. dazu allg. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., Vor § 52 Rn. 33). Kommt es in der Folge einer solchen Manipulation zu einer strafbaren Betrugshandlung, tritt § 22b StVG als mitbestrafte Vortat daher regelmäßig im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 263 StGB zurück (ebenso Weidig, aaO, Rn. 9; offen gelassen bei Blum, aaO, S. 71).“
C. Fazit
Der Gesetzgeber hat im Jahr 2005 der „Tachomanipulation“ Einhalt gebieten wollen und daher die Strafnorm des § 22b StVG geschaffen. Mit Blick auf § 268 StGB und § 263 StGB sollten „Sanktionslücken“ geschlossen werden. Kommt es aber dann doch zu einer Strafbarkeit nach § 263 StGB, tritt § 22b STVG – seinem Zweck entsprechend – hinter § 263 StGB zurück.
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