Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
V ist Eigentümer mehrerer Wohnungen in der Gemeinde G. M zieht aufgrund seines Studiums nach G und interessiert sich für eine der Wohnungen des V. Bei einem Treffen im Februar 2017 legt der V dem M ein Formular vor, welches er bereits für 10 weitere Mieter verwendet hat. In dem Formular wird handschriftlich eingetragen, dass das Mietverhältnis zum 01.03.2017 beginnen soll und das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Die Miete beträgt inklusive Nebenkosten 310 Euro.
In dem Mietvertrag findet sich folgende Klausel:
§ 14 – Instandhaltung der Mietsache
Der Mieter ist bei Verletzung einer Obhutspflicht verpflichtet, dem Vermieter für den entstandenen Schaden Ersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn er die Obhutspflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Der Mieter haftet für eine Obhutspflichtverletzung Dritter, die sich mit seiner Erlaubnis in der Wohnung aufhalten, insbesondere Besucher und Personen des Haushalts, wie eigenes Verschulden. Leistet der Mieter Schadensersatz, so ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter etwaige Ansprüche gegen den Dritten abzutreten.
M bezieht die Wohnung und ist mit dem zwar funktional einwandfreien, aber durch vorherige Mieter stark abgenutzten Waschbecken im Badezimmer unzufrieden und möchte dies erneuern. Neben dem Zustand stört ihn insbesondere die Farbe des Waschbeckens. Darüber setzt er den V in Kenntnis, welcher zustimmt. M kauft ein neues Waschbecken zum Preis von 74,99 Euro und bringt dieses ordnungsgemäß an.
In der Folgezeit kommt seine Freundin F zu Besuch, welche 2-3 Mal die Woche bei ihm schläft und sich auch sonst oft in der Wohnung aufhält. Als M zu einer Vorlesung aufbricht, nutzt F die Gelegenheit, die Wohnung ein wenig zu dekorieren. Dabei stellt sie einen – auf den ersten Blick erkennbar zu schweren – Blumentopf auf ein von M ordnungsgemäß angebrachtes Regal an der Wand. Das Regal bricht zusammen, weshalb der Blumentopf zerbricht und nasse Blumenerde an der Wand hängen bleibt. Zudem wird der Laminatboden mit teils tiefen Kerben und Kratzern versehrt. Eine Beseitigung des Schadens würde 200 Euro kosten.
M verlangt von V Zahlung der 74,99 Euro für das Waschbecken und zudem eine Beseitigung des Schadens an dem Boden und der Wand. V hingegen wendet § 14 des Mietvertrags ein und ist vielmehr der Ansicht, M habe den Schaden zu reparieren. Insbesondere ist er der Ansicht, dass M auch außerhalb des Mietvertrages ohnehin für das Verhalten der F einzustehen habe. Bzgl. des Waschbeckens möchte er auch nicht zahlen, schließlich kann M – was zutrifft – das Waschbecken jederzeit ohne technischen Aufwand wieder abmontieren.
M ist wütend und sucht seinen Freund J auf, der im 2. Semester Jura studiert. Dieser rät ihm, die Miete zu mindern. Dem Rat folgt M und zahlt dem V in den Monaten April und Mai jeweils 160 Euro weniger als vereinbart.
Frage 1: Kann V von M Schadensersatz bzgl. des an dem Boden und der Wand entstanden Schadens in Höhe von 200 Euro verlangen?
Frage 2: Kann V von M für die Monate April und Mai die restlichen jeweils 160 Euro verlangen?
Frage 3: Kann M von V Ersatz für die Kosten des Waschbeckens in Höhe von 74,99 Euro verlangen?
Fortsetzung
Nachdem M dem V für die Monate April und Mai jeweils 160 Euro zu wenig zahlte, kündigt der V Mitte Mai dem M formwirksam und außerordentlich, hilfsweise ordentlich, mit dem Hinweis mit einer stillschweigenden Mietverlängerung nicht einverstanden zu sein. Im September 2017 bekommt M Angst, die Wohnung verlassen zu müssen, und zahlt die rückständigen Beträge.
Bearbeitervermerk:
Gehen Sie davon aus, dass die Minderung des M nicht gerechtfertigt ist.
Frage 4: Kann V von M die Mietsache herausverlangen?
Bearbeitervermerk:
Im Rahmen der Minderung ist davon auszugehen, dass der Minderungsbetrag angemessen ist, sollten Sie davon ausgehen, dass eine solche gerechtfertigt ist.
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: V gegen M auf Schadensersatz i.H.v. 200 Euro bzgl. Boden und Wand
A. § 280 I BGB
I. Schuldverhältnis
Hier: Mietvertrag
II. Pflichtverletzung
Hier: Beschädigung der Mietsache
III. Vertretenmüssen
Eigenes Verschulden (-)
Zurechnung des Verschuldens der F
a) Gesetzlich, § 278 BGB
(-); Arg.: F nicht Erfüllungsgehilfe des M
b) Vertraglich
-> § 14 S. 3 Mietvertrag
aa) Auslegung: (+)
bb) Wirksamkeit
-> AGB-Kontrolle, §§ 305 ff. BGB
(1) AGB, § 305 I BGB (+)
(2) Einbeziehung, § 305 II BGB (+)
(3) Inhaltskontrolle
-> Unangemessene Benachteiligung, § 307 II Nr. 1 BGB wohl (-); Arg.: F genießt auch die Vorteile der Mietsache und wäre umgekehrt auch über die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte geschützt (andere Ansicht vertretbar).
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB
Hier: Reparaturkosten für Boden und Wand, § 249 II BGB
V. Kein Ausschluss (+)
VI. Ergebnis: (+)
B. § 823 I BGB
(-) Arg.: Keine Haftung für das Vertretenmüssen Dritter im Rahmen von § 823 I BGB - auch nicht durch vertragliche Gestaltung (andere Ansicht vertetbar).
C. § 831 I BGB
(-); Arg.: F nicht Verrichtungsgehilfe
Frage 2: V gegen M auf Zahlung der restlichen Miete für April und Mai, § 535 II BGB
A. Anspruch entstanden
-> Wirksamer Mietvertrag (+)
B. Anspruch nicht erloschen
-> Minderung, § 536 BGB
I. Wirksamer Mietvertrag (+)
II. Mangel
- Schäden an Boden und Wand begründen wohl noch keinen erheblichen Mangel (andere Ansicht vertretbar, dann aber Auslegung von § 14 Mietvertrag i.S.e. vertraglichen Ausschlusses)
- Waschbecken (-); Arg.: voll funktionsfähig und so übernommen
III. Ergebnis: (-)
C. Anspruch durchsetzbar (+)
D. Ergebnis: (+)
Frage 3: M gegen V auf Ersatz der Kosten für das Waschbecken i.H.v. 74,99 Euro
A. § 536a II BGB
(-); Arg.: kein Mangel
I. Fremdes Geschäft
Hier: objektiv auch fremdes Geschäft
II. Fremdgeschäftsführungswille
-> Vermutet bei objektiv (auch) fremden Geschäften
III. Ohne Auftrag
(+); Arg: „Zustimmung“ des V ist kein Auftrag
IV. Berechtigung
-> Interessen- und willensgemäß (+); Arg.: „Zustimmung“
V. Rechtsfolge: Ersatz der Aufwendung
Hier: 74,99 Euro für den Ankauf des Waschbeckens
VI. Kein Ausschluss
-> Schenkungsabsicht, § 685 BGB (+); Arg.: es stand nie zur Debatte, dass der V die Kosten übernehmen sollte; V hat nur der Maßnahme formal zugestimmt (andere Ansicht vertretbar).
VII. Ergebnis: (-)
C. § 996 BGB
(-); Arg.: kein EBV, da M berechtigter Besitzer
D. §§ 812 ff. BGB
(-); Arg.: nicht anwendbar
Frage 4: V gegen M auf Herausgabe der Wohnung
A. § 546 BGB
I. Mietverhältnis (+)
II. Beendigung
- Außerordentliche Kündigung
-> § 543 II Nr. 3a BGB
a) Schuldnerverzug, § 286 BGB (+)
b) Nicht unerhebliche Teil
(+); Arg.: insgesamt mehr als eine Monatsmiete, § 569 III Nr. 1 BGB
c) Unwirksamkeit der Kündigung wegen Zahlung im September
(+); Arg.: V hat noch nicht einmal Räumungsklage erhoben, § 569 III Nr. 2 BGB
d) Ergebnis: (-)
2. (Hilfsweise) Ordentliche Kündigung, § 573 BGB
a) Zulässigkeit (+)
b) Voraussetzungen
aa) Berechtigtes Interesse
-> Pflichtverletzung, § 573 II Nr. 1 BGB
Hier: Verzug mit Mietzahlungen
bb) Heilung nach § 569 III Nr. 2 BGB
(-); Arg.: gilt nur für außerordentliche Kündigung
cc) Frist, § 573c BGB (+)
III. Ergebnis: (+)
B. § 985 BGB (+)
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