Examensreport: ZR I 1. Examen aus dem Juni 2017 NRW

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

A ist im Reitstall des B als Reiter angestellt. Bei einem Springturnier reitet er auf einem Springpferd des B, gibt diesem beim letzten Sprung ein zu frühes Signal (mittlere Fahrlässigkeit), wodurch es zwar gewinnt (500 €), sich aber am Hoden verletzt, sodass es zeugungsunfähig wird. B verlangt nun die Heilbehandlungskosten iHv 15.000 € zzgl. Mehrwertsteuer iHv 2.500 €, die benötigt werden, um die Zeugungsfähigkeit des Pferdes wiederherzustellen. Allerdings will B diese Operation zum einen gar nicht durchführen lassen und zum anderen wendet A ein, das Pferd sei vor dem Unfall nur 10.000 € wert gewesen und durch die Zeugungsunfähigkeit hat es lediglich einen Wertverlust von 2.000 € erlitten. Außerdem müsse sich B den Gewinn anrechnen.

Frage 1: Hat B gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz, und wenn ja, in welcher Höhe?

Weil A sich weigert, die Kosten zu übernehmen, und weil C, ein Sponsor des Reitstalls, seine finanzielle Unterstützung im Falle der Weiterbeschäftigung des A einstellen wird, wodurch der Reitstall sicher insolvent wird, kündigt der B dem A außerordentlich und fristlos.

Frage 2: Ist die Kündigung wirksam?

A hat noch ausstehendes Gehalt iHv 15.000 € aus dem Jahr 2016, was er von B im Mai 2017 verlangt. Allerdings gibt es eine Klausel, die besagt, dass der Arbeitnehmer vertragliche Ansprüche innerhalb von 2 Monaten geltend machen muss, sofern er nicht nachweist, dass er die Frist schuldlos versäumt hat. Schäden wegen Körper, Gesundheit, Leben und grobem Verschulden sind von dem Ausschluss nicht betroffen.

Frage 3: Kann A von B das ausstehende Gehalt verlangen?

 

Unverbindliche Lösungsskizze

Frage 1: B gegen A auf Schadensersatz
A. § 280 I BGB
I. Schuldverhältnis

Hier: Arbeitsvertrag, § 611a BGB

II. Pflichtverletzung
Hier: Eigentumsverletzung aufgrund eines zu frühen Sprungsignals

III. Vertretenmüssen, § 276 BGB
Hier: (mittlere) Fahrlässigkeit – im Sachverhalt vorgegeben

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz (neben der Leistung)

  1. Schaden
  • Hier: Reparaturkosten, § 249 II 1 BGB i.H.v. 15.000 Euro zzgl. MwSt
  • Aber: Reparaturkosten übersteigen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 130 %, daher nur Wiederbeschaffungswert (10.000 Euro) – Restwert nach Unfall (8.000 Euro) = 2.000 Euro; Arg.: Parallele zur Rspr beim Verkehrsunfall
  • MwSt ohnehin nur erstattungsfähig, wenn angefallen, § 249 II 2 BGB
  • Außerdem: Vorteilsanrechnung i.H.v. 500 Euro; Arg.. § 254 BGB analog
  1. Neben der Leistung

Hier: Integritätsinteresse

V. Kein Ausschluss
-> Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit
Hier: Mittlere Fahrlässigkeit -> Haftungsbeschränkung auf 50 %

VI. Ergebnis: (+), i.H.v. 750 Euro

B. § 823 I BGB
(+), wiederum i.H.v. 750 Euro (s.o.)

Frage 2: Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung

-> Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB

I. Ordnungsgemäße Kündigungserklärung (+), mangels anderer Anhaltspunkte

(II. Anhörung des Betriebsrates)

III. Kein besonderer Kündigungsschutz (+)

IV. Wichtiger Grund

  1. Umstände, die an sich geeignet sind
  • Reitfehler des A nicht ausreichend
  • Weigerung des A, die Kosten zu übernehmen, nicht ausreichend
  • Einstellung der finanziellen Unterstützung durch den Sponsor bei Weiterbeschäftigung des A und dadurch sichere Insolvenz des B: wohl (+)
  1. Abwägung im Einzelfall
  • Dafür: Insolvenz für alle, auch für A, schlecht
  • Dagegen: Rückzug eines Investors Risiko des B; Reaktion des Investors nicht nachvollziehbar – nur mittleres Verschulden des A und Weigerung des A größtenteils sogar berechtigt (s.o.).

V. Ergebnis: (-)

Frage 3: A gegen B auf Zahlung des ausstehenden Gehalts, § 611a II BGB

I. Anspruch entstanden
Hier: wirksamer Arbeitsvertrag

II. Anspruch nicht erloschen (+)

III. Anspruch durchsetzbar
-> Verjährung, §§ 194 ff. BGB

  • Grundsatz: 3 Jahre, § 195 BGB
  • Aber: Ausschlussvereinbarung: 2 Monate
  1. Auslegung
    -> Verkürzung der Frist für die Geltendmachung vertraglicher Ansprüche, also auch Gehaltsansprüche

  2. Wirksamkeit
    -> AGB-Kontrolle, §§ 305 ff.BGB

a) AGB, § 305 I BGB (+)

b) Einbeziehung, § 305 II, III BGB (+)

c) Inhaltskontrolle
aa) § 309 Nr. 7 BGB (+)

bb) § 307 BGB
-> Unangemessene Benachteiligung
Hier: Verkürzung auf 2 Monate wohl zu kurz (Rspr: mindestens 3 Monate)

d) Rechtsfolge
-> Unwirksamkeit der Klausel und Geltung der gesetzlichen Regelung

IV. Ergebnis: (+)