Examensreport: ZR II aus dem Januar 2017 NRW

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Die V-GmbH betreibt einen Gebrauchtwagenhandel und eine angegliederte Werkstatt in Düsseldorf. Im Oktober 2016 kauft der Student K bei der V-GmbH einen gebrauchten Pkw im Wert von 1.000 Euro. Die V-GmbH soll an diesem Fahrzeug vor der Übereignung noch Tuning-Arbeiten im Wert von 2.500 Euro zzgl. 500 Euro Materialkosten i.H.v. 500 Euro vornehmen. K zahlt die 4.000 Euro und erhält das getunte Fahrzeug.

Im Januar 2017 bleibt das Fahrzeug mit qualmendem Motor auf der Autobahn liegen. Über die Freisprechanlage bittet der K die V-GmbH, sich umgehend um die Reparatur zu kümmern. Der Geschäftsführer der V-GmbH lehnt dieses Ansinnen energisch ab. Er ist der Auffassung, dass die Fahrweise des K die Ursache für den Defekt sei. K entgegnet, dass er dann das Fahrzeug in die Werkstatt des X bringen müsse, der hierfür 200 Euro verlange. So geschieht es dann auch.

Die Ursache für den Defekt lässt sich nicht klären. K trägt vor, der Zustand des Fahrzeuges bereits bei Übergabe sei ursächlich. Die V-GmbH bestreitet dies und fordert den K auf, dies zu beweisen.

Aufgabe 1: Hat der K gegen die V-GmbH einen Anspruch auf Freistellung von dem Zahlungsanspruch des X?

Fortsetzung 1

Es kommt zum Prozess zwischen K und der V-GmbH. Im Prozess bestreitet die V-GmbH - wahrheitswidrig -, dass der K zur Nacherfüllung aufgefordert habe. K möchte daher seine Freundin F als Zeugin benennen, die das über die Freisprechanlage geführte Telefonat mitbekommen hat. Die V-GmbH ist der Auffassung, dass die Vernehmung der F gegen ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht verstoße. Der K habe zwar mitgeteilt, dass er über eine Freisprechanlage telefoniere, aber nicht über die Anwesenheit der F aufgeklärt. K trägt vor, dass die V-GmbH mit der Anwesenheit anderer Personen habe rechnen müssen. Außerdem habe man nur Geschäftliches besprochen. Und überhaupt könne sich die V-GmbH nicht auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen.

Aufgabe 2: Darf das Gericht die F zur den Äußerungen des Geschäftsführers der V während des Telefonats vernehmen?

Fortsetzung 2

Nach dem ganzen Ärgern möchte die V-GmbH AGB formulieren lassen. Die Haftung für Sachmängel bei Gebrauchtwagenverkäufen an Verbrauchern soll - so weit es geht - ausgeschlossen bzw. beschränkt werden.

Aufgabe 3: Formulieren Sie die AGB!

 

Unverbindliche Lösungsskizze

Aufgabe 1: K gegen V-GmbH auf Freistellung von dem Zahlungsanspruch des X

A. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB
I. Anspruch entstanden

  1. Wirksamer Kaufvertrag
  • Abgrenzung: § 651 BGB
  • Hier: zumindest typengemischter Vertrag mit kaufrechtlichem Schwerpunkt
  1. Mangel
    Hier: § 434 I 2 Nr. 2 BGB

  2. Maßgeblicher Zeitpunkt (Bei Gefahrübergang)

  • Umstritten -> Beweisprüfung
  • Grundsatz: Käufer trägt Beweislast
  • Ausnahme: Verkäufer trägt Beweislast, § 476 BGB

a) Verbrauchsgüterkauf, § 474 I BGB

(+), ggf. § 474 I 2 BGB

b) Frist: 6 Monate ab Gefahrübergang

Hier: 3 Monate

c) Kein Ausschluss, § 476 BGB a.E. (+)

d) Rechtsfolge: Beweislastumkehr

  1. Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 BGB

a) Schuldverhältnis (+)
b) Pflichtverletzung

aa) Nichterbringung oder nicht wie geschuldete Erbringung einer fälligen und noch möglichen Leistungspflicht
Hier: Mangelhafte Leistung

bb) Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung

Hier: Entbehrlich, § 281 II 1. Fall BGB

c) Vertretenmüssen, § 276 BGB (+)
d) Rechtsfolge: Schadensersatz (statt der Leistung)

aa) Schaden

  • Hier: herausgeforderte Aufwendungen

  • Auch Freistellung, § 257 BGB

bb) Statt der Leistung
(+); Arg.: Äquivalenzinteresse

  1. Kein Ausschluss (+)

II. Anspruch nicht erloschen (+)

III. Anspruch durchsetzbar (+)

IV. Ergebnis: (+)

B. Sonst. Ansprüche (-)

Aufgabe 2: Vernehmung der F -> Beweisverwertungsverbot

A. Ausdrücklich geregelt (-)

B. Herleitung aus allgemeinen Grundsätzen
-> Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I, 1 I GG

I. Schutzbereich

  1. Persönlich
    -> Jedermann-Grundrecht (+)
  • Geschäftsführer (+)
  • V-GmbH (+); Arg.: Art. 19 III GG
  1. Sachlicher Schutzbereich
    -> Rahmenrecht
    Hier: Fallgruppe „Recht am eigenen Wort“

II. Eingriff (+)
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  1. Bestimmung der Schranken -> Einfacher Gesetzesvorbehalt

  2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen

-> Beweisvorschriften der ZPO (+)

  1. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes

-> Verhältnismäßigkeit

-> Allgemeines Persönlichkeitsrecht vs. Interesse an materiell-rechtlichen zutreffenden Entscheidung
Hier: wohl überwiegendes Interesse an materiell-rechtlich zutreffender Entscheidung; Arg.: nur Geschäftliches besprochen; Hinweis auf Freisprechanlage; Bedeutung der Aussage für das Verfahren (andere Ansicht vertretbar)

Aufgabe 3: Ausschluss der Sachmängel-Gewährleistung durch AGB

A. Grundsatz: Vertragsfreiheit, §§ 311 I, 241 I BGB
B. Einschränkungen

I. §§ 309 Nr. 8 b BGB

  • Beschränkung auf Nacherfüllung möglich, aber nur wenn im Falle des Fehlschlagens ausdrücklich das Recht zur Minderung bzw. zum Rücktritt eingeräumt wird
  • Verkürzung der Verjährung bei § 434 I Nr. 2 BGB nicht möglich, in anderen Fällen Verkürzung nur auf ein Jahr

II. § 475 BGB

  • Bei Verbrauchern ist jegliche negative Abweichung von den Gewährleistungsvorschriften unzulässig
  • Nur bzgl. des Schadensersatzes können – vorbehaltlich des § 309 Nr. 8b BGB (s.o) – Einschränkungen gemacht werden.