Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Eines Abends trifft sich die R mit einigen Freundinnen in ihrer Wohnung in Hannover, um gemeinsam zu zechen. Zu fortgeschrittener Stunde beschließen die R und ihre Freundinnen, noch „um die Ecken zu ziehen“. Bevor sie die Wohnung verlässt, vergewissert sich die R noch kurz, ob ihre beiden Kinder – 4 und 5 Jahre alt – auch fest schlafen. Zum Aufräumen bleibt keine Zeit, so dass eine alte Tageszeitung und ein Feuerzeug auf dem Sofa liegen bleiben. Als die R in der Nacht zurückkehrt, muss sie feststellen, dass ihre beiden Kinder tot sind. Während der Abwesenheit der R hatte sich ein Schwelbrand am Sofa entwickelt und Kohlenmonoxyd freigesetzt, das auch todesursächlich war. Im Nachhinein lässt sich nicht abschließend klären, ob der Brand durch das Zündeln eines Kindes oder durch eine unentdeckt gebliebene Zigarettenkippe zwischen den Sofakissen hervorgerufen wurde.
Bei dem Brand wurde auch der Crystal Meth Vorrat der R zerstört. Da die R dringend neuen Stoff benötigt, bittet sie den C, ihr dabei zu helfen. Sie erzählt dem C, dass ihr Dealer (D) sie beim letzten Mal um einen Teil des Stoffes „betrogen“ habe. Der C solle ihr dabei helfen, den Stoff wieder zu holen. Wie geplant begeben sich R und C auf den Weg zu dem Haus des D. Kurz bevor sie dort ankommen, simuliert die R einen Schwächeanfall, weil sie die Konfrontation mit D scheut. Der C führt die Tat wie geplant aus: Er dringt, mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole bewaffnet, in die Wohnung des D ein und bringt den D unter vorgehaltener Pistole dazu, das Versteck, in dem sich das Chrystal Meth befindet, preiszugeben. Der C nimmt das Chrystal Meth an sich und übergibt es schließlich an die R.
Wenig später wird bei dem C ein bösartiger Gehirntumor festgestellt. C möchte gerne „selbstbestimmt sterben“. Die R unterstützt ihn bei der Suche nach einer Lösung und findet in Hamburg eine Einrichtung, die eine „Suizidhilfe“ anbietet. Da C nur noch mit ärztlicher Begleitung reisefähig ist, bitten sie seinen langjährigen Hausarzt G, den Transport nach Hamburg zu begleiten. G ist her und her gerissen, willigt aber schließlich ein. Das Beratungsgespräch in Hamburg ergibt, dass sich der C die Suizidhilfe nicht leisten kann.
Wie haben sich R, C und G nach dem StGB strafbar gemacht?
Bearbeitervermerk:
- §§ 306 ff. StGB sind nicht zu prüfen.
- Evtl. erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Unverbindliche Lösungsskizze
1. Tatkomplex: Der Wohnungsbrand
Strafbarkeit der R gem. § 222 StGB
I. Tatbestand
- Erfolg
Hier: Tod
Handlung
Hier: Zigarettenglut bzw. Feuerzeug auf dem Sofa liegen lassen (und die Kinder allein im Haus zurücklassen)
(Vertretbar wäre auch, auf ein Unterlassen abzustellen. Dann ergäbe sich die Garantenstellung der R aus §§ 1626, 1629 BGB.)Kausalität (+)
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit (+)
Objektive Zurechnung (+)
II. Rechtswidrigkeit (+)
III. Schuld
-> Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit (+)
IV. Ergebnis. (+)
2. Tatkomplex: Die Drogenbeschaffung
A. Strafbarkeit des C
I. §§ 253, 255, 250 II Nr. 1, I Nr. 1a und b StGB
- Tatbestand
a) Qualifiziertes Nötigungsmittel
aa) Gewalt gegen eine Person
(-); Arg.: Spielzeugpistole
bb) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (+)
b) Abgenötigtes Opferverhalten
Problem: Abgrenzung Raub, § 249 StGB/Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB
aA: Innere Willensrichtung des Opfers; Arg.: Strukturgleichheit zu § 263 StGB -> (-)
aA: Äußeres Erscheinungsbild; Arg.: Bessere Nachweisbarkeit; Wortlaut des § 253 StGB; -> (+)
c) Vermögensnachteil
- Problem: Unerlaubter (§ 29 I Nr. 3 BtMG) Besitz als „Vermögen“
- aA: juristisch-ökonomisch; Arg.: Einheitlichkeit der Rechtsordnung -> (-)
- aA: rein wirtschaftlich; Arg: keine rechtsfreien Räume -> (+)
d) Vorsatz
e) Bereicherungsabsicht
f) Qualifikation des § 250 II Nr. 1, I Nr. 1a und b StGB
- Problem: Spielzeugpistole
- aA: (-)
- aA: (+)
Rechtswidrigkeit (+)
Schuld
Ergebnis: (+)
II. §§ 249, 250 II Nr. 1a und b, I Nr. 1 StGB
(-); Arg.: keine Wegnahme, sondern Weggabe (s.o.)
(Vertretbar wäre auch, §§ 249, 250 II Nr. 1a und b, I Nr. 1 StGB - neben §§ 253, 255, 250 II Nr. 1a und b, I Nr. 1 StGB - zu bejahen und das Verhältnis dieser Normen erst in den Konkurrenzen anzusprechen.)
III. § 123 StGB (+)
B. Strafbarkeit der R
I. §§ 253, 255, 250 II Nr. 1a und b, I Nr. 1; 25 II StGB
aA: strenge Tatherrschaftslehre -> (-)
aA: funktionale Tatherrschaftslehre -> (+); Arg.: hohes Interesse am Taterfolg
aA: Tätwille -> (+)
II. § 246 StGB
(-); Arg.: mitbestrafte Nachtat
3. Tatkomplex: Der geplante Freitod in Hamburg
A. Strafbarkeit des G
I. § 217 StGB
- Tatbestand
a) Gelegenheit zur Selbsttötung verschaffen
(+); Arg.: Selbsttötung muss nicht erfolgen
b) Geschäftsmäßig
(-); Arg.: Begleitung im Rahmen seiner ärztlichen/beruflichen Tätigkeit (andere Ansicht vertretbar)
c) Vorsatz (+)
2. Rechtswidrigkeit (+)
- Schuld (+)
- Ergebnis: (+)
II. Sonstige: (-)
B. Strafbarkeit der R
-> § 217 StGB (-); Arg.: keine Geschäftsmäßigkeit und auch Beihilfe hierzu (§ 27 StGB) ausgeschlossen, § 217 II StGB.
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