Examensreport: ZR III 1. Examen aus dem April 2017 in Niedersachsen

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

E ist Eigentümer eines Verkaufsmobils. Dabei handelt es sich um einen Oldtimer aus den 1950er Jahren, dessen Seite sich teilweise nach oben klappen lässt, so dass man vom Innenraum heraus Dinge an Kunden verkaufen kann. Der E erwirtschaftet auf diese Weise einen bescheidenen Lebensunterhalt für sich, seine Frau F und seinen Sohn N. Als der N auszieht um andernorts Jura zu studieren, zerbricht die Ehe mit F. E und F lassen sich im Jahre 2010 scheiden.

Am 15. Juli 2012 legt der E seinem Notar ein computerschriftlich verfasstes und unterschriebenes Schriftstück vor:

V, mein bester Freund, soll nach meinem Tod mein ganzes Hab und Gut – nämlich mein Verkaufsmobil – erhalten. Viel mehr ist mir nicht geblieben. Er soll aber nur Vorerbe sein und gut darauf aufpassen. Ich bin mir sicher, dass er das tun wird. Mein Sohn M soll sein Nacherbe sein.“

Im Jahre 2015 verstirbt der E. V, der zuvor schon den Schlüssel zum Verkaufsmobil erhalten hat, durchstöbert nach dem Tod des V das Verkaufsmobil und findet in einer Kiste zwischen diversen anderen Gegenständen, die offenkundig schon länger nicht mehr angerührt wurden, ein handschriftlich verfasstes und unterschriebenes Schriftstück:

„Meine große Liebe F,

ich verstehe nicht, wie wir uns so auseinanderleben konnten. Du sollst alles, was ich habe, erben.

Dein E“

Das Schriftstück trägt kein Datum.

V, der selbst mit dem Verkaufsmobil nichts anfangen kann, gibt in der Folge ein Inserat auf, in dem er das Verkaufsmobil wie folgt anbietet:

„Verkaufsmobil dauerhaft unentgeltlich zu überlassen. Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen.“

Auf diese Anzeige hin meldet sich der D, der schon immer den Traum vom einem Verkaufsmobil hatte. Da der D wegen des Angebots etwas skeptisch ist, fragt er den V, warum er das Verkaufsmobil kostenlos abgeben wolle. Der V entgegnet, dass er für das Verkaufsmobil keine Verwendung habe, aber einem verstorbenen Freund versprochen habe, das Fahrzeug nicht vollständig aufzugeben. Die Vorerbschaft erwähnt der V gegenüber D jedoch nicht. V und D werden sich handelseinig. D verpflichtet sich auch dazu, ggf. erforderliche Reparaturen an dem Fahrzeug vorzunehmen. Danach geht D sogleich dazu über, Waren für den geplanten Verkaufsbetrieb zu beschaffen.

Im Jahre 2017 verstirbt auch der V und hinterlässt nur die Tochter X. N wendet sich nunmehr an den D und verlangt Herausgabe des Verkaufsmobils. D bittet den N, das Verkaufsmobil behalten zu dürfen. N willigt ein und teilt dem D mit, er können das Mobil geschenkt haben.

Später erfährt der N, dass Liebhaber für derartige Verkaufsmobile bis bis zu 25.000 Euro zahlen, und bereut die Schenkung, weil er das Geld selbst gut gebrauchen könnte.

Frage: Kann N von D die Herausgabe des Verkaufsmobils verlangen?

 

Unverbindliche Lösungsskizze

 

Ansprüche des N gegen D auf Herausgabe des Verkaufsmobils

A. Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers, § 528 BGB

(-); Arg.: „Geld gut gebrauchen können“ reicht nicht aus.

B. Herausgabe aufgrund eines Schenkungswiderrufs, §§ 530, 531 II BGB

(-); Arg.: Kein Widerrufsgrund

C. § 2018 BGB
(-); Arg.: N beruft sich nicht auf ein ihm angeblich zustehendes Erbrecht

D. § 985 BGB

I. Besitz des D

(+), § 854 I BGB

II. Eigentum des N

  1. Ursprünglich: E

  2. Eigentumserwerb des V , § 1922 BGB

-> Voraussetzung: Wirksames Testament

a) Form
Hier: Öffentliches Testament, §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB -> Eigenhändige Niederschrift und Datum nicht erforderlich.

b) Kein Widerruf, §§ 2253 ff. BGB
Hier: weiteres Testament, § 2254 BGB
Aber: Zweifel bzgl. Gültigkeit wegen fehlender Zeitangaben, § 2247 II, V BGB.

c) Ergebnis: (+)
3. Eigentumserwerb des D von V, § 929 S. 1 BGB

a) Einigung
(-); Arg.: Auslegung der Erklärung („dauerhaft überlassen“/“Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen“), §§ 133, 157 BGB, ergibt wohl nur einen Willen zur Besitzüberlassung.

b) Ergebnis: (-)

  1. Eigentumserwerb des N durch Nacherbschaft, §§ 1922, 2106, 2139 BGB (+); Arg.: V gestorben

  2. Eigentumserwerb des D von N, § 929 S. 2 BGB

a) Einigung
(+); Arg.: Eventuelle Anfechtung betrifft nur schuldrechtlichen Schenkungsvertrag

b) D bereits im Besitz der Sache (+)

c) Berechtigung des N (+)
6. Ergebnis: (-)
III. Ergebnis: (-)

E. § 812 I 1 1. Fall BGB

I. Etwas erlangt
Hier: Besitz und Eigentum

II. Durch Leistung des N (+)

III. Ohne Rechtsgrund

-> Schenkungsvertrag

  1. Einigung (+)

  2. Wirksamkeit

a) Formwirksamkeit, § 125 BGB
Hier: Verstoß gegen gesetzliche Formvorschrift, § 518 I BGB

Aber: Heilung, § 518 II BGB

b) Anfechtung, §§ 142 I, 119 ff. BGB
aa) Anfechtungsgrund
(1) Inhaltirrtum, § 119 I 1. Fall BGB (-)
(2) Erklärungsirrtum, § 119 I 2. Fall BGB (-)

(3) Eigenschaftsirrtum, § 119 II BGB

(-); Arg.: Wert haftet der Sache nicht auf Dauer an

bb) Ergebnis: (-)
3. Ergebnis: (-)
IV. Ergebnis: (-)

D. Ergebnis: (-)