Pfandfreigabe-Fall

Pfandfreigabe-Fall

In diesem Fall geht es um materiell-rechtliche Ansprüche aus der Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen – zivilrechtliches Hochreck könnte man sagen. Was Du dabei beachten solltest und worauf es in der Klausur ankommt, haben wir in diesem Klassiker klausurorientiert für Dich aufbereitet.

A. Sachverhalt

Die Beklagte ließ am 19. März 1965 aufgrund eines Titels gegen die Firma P.-Fruchtimport GmbH, als deren Geschäftsführer der Kläger tätig war, den mit der Aufschrift “P.-Fruchtimport GmbH” versehenen Lkw Hanomag Markant mit dem amtlichen Kennzeichen H. pfänden. Das Fahrzeug stand jedoch nicht im Eigentum der Schuldnerin; der Kläger persönlich hatte es am 10. September 1964 von dem Bankhaus M. & S. erworben und noch vor der Pfändung an einen Herrn K. zur Sicherung für ein Darlehen übereignet. Am 30. März 1965 übersandte K. dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt Dr. N., den Sicherungsübereignungsvertrag mit dem Kläger und verlangte die Freigabe des Fahrzeugs. Etwa zur gleichen Zeit forderte auch der Kläger die Beklagte auf, das Fahrzeug freizugeben. Er verhandelte darüber mit dem Prokuristen S. der Beklagten und mit Rechtsanwalt Dr. N., an den er von S. verwiesen worden war. Mit Schreiben vom 1.6.1965 an Rechtsanwalt Dr. N. wiederholte der Kläger seine Aufforderung und erklärte, Korsachev habe ihm den Lkw nunmehr zurückübereignet. Zur Glaubhaftmachung fügte er eine eigene eidesstattliche Versicherung über seine Eigentümerstellung bei und bot die Einsichtnahme in den Kfz-Brief des Fahrzeugs an. Als die Beklagte daraufhin den Lkw nicht freigab, erhob der Kläger am 4. August 1965 Drittwiderspruchsklage. In diesem Verfahren (Az.: 26 C 298/65 des Amtsgerichts Hannover) legte der Kläger im September 1965 den Kfz-Brief, eine Quittung des Bankhauses M. & S. vom 10. September 1964 über den Eigentumserwerb an dem Fahrzeug und eine eidesstattliche Versicherung K. vom 7. September 1965 vor, in der dieser erklärte, dass er den Lkw am 4. Mai 1965 an den Kläger rückübereignet habe. Die Beklagte gab daraufhin mit einem an den Gerichtsvollzieher gerichteten Schreiben vom 13. Oktober 1965 den Lkw frei. Mit seiner Klage verlangte der Kläger Schadensersatz in Höhe von 19.702,- DM (18.000 DM Nutzungsausfall, 1.642 DM Wertminderung und 60 DM Kosten für ein Sachverständigengutachten) nebst Zinsen wegen der verspäteten Freigabe des Lkw’s. 

Schwerpunkte des Falls:

B. Worum geht es?

Die Beklagte betrieb als Titelgläubigerin (vgl. § 750 I ZPO) die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in das bewegliche Vermögen (§§ 802a-863 ZPO) der Titelschuldnerin, der P.-Fruchtimport GmbH. Im Zuge der Zwangsvollstreckung pfändete der von der Beklagten beauftragte (vgl. §§ 753, 754 ZPO) Gerichtsvollzieher einen Lkw Hanomag Markant. Dieser Lkw stand indes nicht im Eigentum der Schuldnerin, sondern des Klägers. Das berührt die formelle Zulässigkeit der Pfändung nicht, weil der Gerichtsvollzieher die Eigentumslage an den zu pfändenden Sachen – von wenigen Fällen „evidenten Dritteigentums“ abgesehen – weder prüfen kann noch muss. Nach § 808 I ZPO hat er lediglich zu prüfen, ob sich die Sache im Gewahrsam der Schuldnerin befindet. Der Eigentümer, der nicht Schuldner und damit „Dritter“ ist, muss sein Eigentum stattdessen klageweise geltend machen und Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben; das Eigentum ist nämlich ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ im Sinne von § 771 I ZPO. Die formelle Zulässigkeit der Pfändung sagt aber nichts über ihre materielle Rechtfertigung aus. Vielmehr ist anerkannt, dass dem Eigentümer, dessen Sache gepfändet wird und der nicht Titelschuldner ist, Ausgleichsansprüche gegen den Titelgläubiger zustehen können, weil die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremde Gegenstände grundsätzlich eine Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 I BGB darstellt und u.a. eine deliktische Haftung des Gläubigers begründen kann:

„Über die formelle Rechtmäßigkeit der Pfändung besteht kein Streit. Der Kläger macht auch nicht geltend, daß zu diesem Zeitpunkt die Beklagte oder ihre Hilfspersonen sein Eigentum an der Pfandsache bewußt mißachtet oder fahrlässig verkannt hätte. Der Klageanspruch stützt sich vielmehr nur auf die Behauptung, die Pfandsache sei von der Beklagten auch noch in einem Zeitpunkt nicht freigegeben worden, in dem das den Widerspruch nach § 771 ZPO begründende Recht des Klägers bei erforderlicher Sorgfalt ersichtlich gewesen sei. Daß ein solches Verhalten zu Schadensersatzansprüchen (u.a.) aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung führen kann, entspricht seit langem der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz herrschenden Meinung. (RGZ 61, 430 [432]; 67, 310/312; RG JW 11, 368; RGZ 108, 260 [262]; RG HRR 1925 Nr. 141; RG LZ 26, 1013; RG JW 29, 149; RGZ 156, 395 [400]; RG HRR 1940 Nr. 419; BGH Urteil vom 15. Juni 1965 - VI ZR 35/64 = WM 65, 863; BGHZ 55, 20 Urteil vom 11. November 1970 - VIII ZR 242/68-; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl., § 771 Anm. VII 4 b; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 30. Aufl., Einführung §§ 771-774 Anm. 2B; Zöller, ZPO, 10. Aufl. § 771 Anm. 1 i; Sydow/Busch, ZPO, 22. Aufl., § 771 Anm. 4; Rosenberg, Zivilprozeßrecht, 9. Aufl., § 185 III 4; Schönke/Baur, Zwangsvollstreckungs-Vergleichs- und Konkursrecht 9. Aufl., § 44 I 2 a; Lent/Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht, 11, Aufl., § 11 II; Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 15 IV 3, einschränkend Wieczorek, ZPO, Anm. G III b 2: nur § 826 BGB). Dem steht nicht entgegen, daß an die Feststellung eines Gläubigerverschuldens deshalb strenge Anforderungen gestellt werden müssen, weil dem betroffenen Dritten die Darlegung und Glaubhaftmachung seiner Rechte obliegt (BGHZ 55, 20, 30) [BGH 11.11.1970 - VIII ZR 242/68].“

 Hier könnte eine unerlaubte Handlung also darin liegen, dass die beklagte Gläubiger auf die Intervention des Klägers die Freigabe des gepfändeten Gegenstands unterlassen hat, obwohl der Kläger sein die Veräußerung hinderndes Recht (hier: Eigentum) hinreichend glaubhaft gemacht hat. Das Berufungsgericht hatte dabei offengelassen, ob dem Rechtsanwalt Dr. N., an den S. den Kläger zulässigerweise verwiesen habe, Unterlagen vorgelegt worden seien, aus denen sich das Eigentum des Klägers ergeben habe. Denn die Beklagte habe für das Verhalten des Rechtsanwalts Dr. N. nur nach § 831 BGB zu haften; insoweit sei aber davon auszugehen, dass die Beklagte ein Auswahlverschulden nicht treffe (vgl. § 831 I 2 BGB). Eine Zurechnung des Verschuldens des Rechtsanwalts nach § 278 BGB scheide aus, weil es an einem Schuldverhältnis zwischen der Gläubigerin und dem Eigentümer der gepfändeten Sache fehle. Der BGH hatte also folgende Frage zu entscheiden:

Besteht zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Eigentümer der gepfändeten Sache, der nicht Vollstreckungsschuldner ist, eine rechtliche Sonderverbindung, auf deren Grundlage dem Gläubiger ein Verschulden von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zugerechnet werden kann?

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH bejaht im Pfandfreigabe-Fall (Urt. v. 7.3.1972 – VI ZR 158/70 (BGHZ 58, 207 ff.)) eine Zurechnung des Verschuldens des Rechtsanwaltes. Der Rechtsanwalt sei Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB. Voraussetzung für die Anwendung von § 278 BGB, die nur im Rahmen von bereits bestehenden Schuldverhältnissen stattfindet, ist eine sachlich-rechtliche Verpflichtung des Pfändungsgläubigers zur gewissenhaften Prüfung der von dritter Seite erhobenen Ansprüche und gegebenenfalls zur Freigabe; diese Rechtspflicht muss eben diesem Dritten gegenüber bestehen. Zunächst führt der BGH aus, dass die (damals) h.M. das Bestehen einer rechtlichen Sonderverbindung verneint habe, was sich aus der Existenz von § 771 ZPO ergebe, die eine prozessuale Gestaltungsklage darstelle und insoweit abschließend das Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittem regle:

„Allerdings finden sich im Schrifttum und teilweise auch in der Rechtsprechung überwiegend Äußerungen, die eine solche Pflicht des Pfändungsgläubigers zu verneinen scheinen (RGZ 61, 430 [431/32]; 108, 260 [261/62]; Jauernig, ZZP 66, 403 ff; ders. in Lent/Jauernig, a.a.O., § 13 VII; Rosenberg, a.a.O., § 185 III 3, 4; Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., § 771 VII 1; Baumbach/Lauterbach, a.a.O., Einf. § 771-774 Anm. 2 B, 3; Sydow/Busch, a.a.O., § 771 Anm. 4; Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung und materiellrechtliche Ausgleichsansprüche, S. 80 ff., der eine materiellrechtliche Klage für “unstatthaft” hält, darüber hinaus aber materiellrechtliche Schadens- oder Ausgleichsansprüche als durch § 771 ZPO schlechthin ausgeschlossen erachtet; zweifelhaft Schönke/Baur, a.a.O.). Sie knüpfen durchweg an die herrschende Beurteilung der Klage aus § 771 ZPO als prozessualer Gestaltungsklage an (andere, darunter Bötticher, Festschrift für Dolle I S. 41 ff; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., § 95 I 2, nehmen eine materiellrechtliche Gestaltungsklage an; A. Blomeyer AcP 165, 481 ff setzt sich für eine materiell-rechtliche Leistungsklage ein). Der herrschenden Auffassung ist darin zuzustimmen, daß die Klage nicht unmittelbar einen Freigabeanspruch gegen den Gläubiger durchsetzt. Es ist auch anzuerkennen, daß das Gesetz den widersprechenden Dritten ausschließlich auf diese Klage verweist, so daß eine statt dessen gewählte Leistungsklage auf Freigabe jedenfalls unstatthaft wäre. Soweit die angeführten Stellungnahmen nur dies besagen wollen (was weitgehend der Fall sein mag), kann ihnen also auf der Grundlage des herrschenden Verständnisses der Drittwiderspruchsklage zugestimmt werden. Dies gilt aber nicht, soweit den Äußerungen weiter entnommen werden muß, daß während des Bestehens der Pfändung eine Verpflichtung nach sachlichem Recht überhaupt nicht bestehen soll.“

 Der BGH tritt dem allerdings entgegen. Diesen weitreichenden materiell-rechtlichen Gehalt könne man § 771 ZPO nicht entnehmen. Vielmehr stelle die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen von Anfang an eine Störung der privaten Rechtslage durch Eingriff in die Rechte Dritter dar:

„Wollte man in der Ersetzung der auf einem materiell-rechtlichen Anspruch gestützten Klage auf Freigabe durch die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Gläubigers dahin sehen, daß diesen eine Pflicht zur Freigabe nicht treffen solle und daß das mit dem summarischen Pfändungsverfahren verbundene Risiko des Eingriffs in schuldnerfremdes Vermögen allein von dem unbeteiligten Dritten zu tragen wäre, dann würde diese Entscheidung des Gesetzgebers auch einem auf Verzögerung der Freigabe gestützten Anspruch aus unerlaubter Handlung die Grundlage entziehen. Diese Konsequenz wird indessen mit Recht nirgends gezogen. Die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGHZ 55, 20, 26) [BGH 11.11.1970 - VIII ZR 242/68] von Anfang an eine Störung der privaten Rechtslage dar. Dies entsprach schon der Rechtsprechung des Reichsgerichts (soweit ersichtlich mit einziger Ausnahme von RGZ JW 1926, 1013, wo Fahrlässigkeit auch schon für den Beginn der Rechtswidrigkeit gefordert wird; vgl. dort auch die insoweit ablehnende Anmerkung von Oertmann). Auch im Lichte neuerer Rechtswidrigkeitslehren ergibt sich insoweit jedenfalls deshalb nichts anderes, weil der auf eine bewußt formale Prüfung beschränkte Vollstreckungsakt (§§ 808 ff ZPO) einen Eingriff darstellt, der seine Unvereinbarkeit mit der materiellen Rechtslage zunächst in Kauf nimmt und den betroffenen Dritten insoweit auf das Korrektiv der Widerspruchsklage verweist (vgl. hierzu Wolfram Henkel, Prozeßrecht und materielles Recht S. 236 ff). Diese Privatrechtswidrigkeit ist mit der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungseingriffs aus der Sicht des öffentlichen Verfahrensrechts vereinbar. (BGHZ a.a.O.; Henkel a.a.O., S. 248 ff, 330 ff, Blomeyer a.a.O., S. 483 ff). Daraus, daß es dem von der Pfändung Betroffenen versagt ist, seinen sachlich-rechtlichen Anspruch im Wege einer Leistungsklage unmittelbar geltend zu machen, läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten, denn § 771 ZPO zwingt nur zur Durchsetzung dieses Anspruchs in einem besonderen, auf ihn zugeschnittenen Verfahren. (Dazu hat schon RGZ 67, 310, 312, mit Recht hervorgehoben, das Eigentumsrecht dürfe, solange die Zwangsvollstreckung schwebt, nur in der Form der Klage aus § 771 ZPO-gemeint: gerichtlich - geltend gemacht werden.) Da der Gläubiger, was von keiner Seite bezweifelt wird, in der Lage ist, jedenfalls mittelbar über den Bestand des staatlichen Pfändungsaktes durch Freigabe zu verfügen, da ferner die außergerichtliche Verständigung über die Freigabe die Regel bildet, und da die Freigabe eine schon erhobene Klage aus § 771 ZPO in der Hauptsache erledigt, ist nicht einzusehen, weshalb der Gläubiger gegebenenfalls nicht auch zur Freigabe verpflichtet sein sollte. Daß materiell-rechtliche Ansprüche auch neben einer Gestaltungsklage möglich sind, zeigen - worauf u.a. Schlosser, a.a.O. S. 54 f, 373 zutreffend hinweist - auch Beispiele aus anderen Rechtsbereichen.“

 Vielmehr leitet der Senat aus der „sachlichen Interessenlage“ der Parteien das Bestehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ab. Aus der Gestaltung des Vollstreckungsrechts ergebe sich ein Anspruch auf sorgfältige Prüfung des dem Pfändungsgläubiger zur Darlegung und Glaubhaftmachung des Drittrechts Unterbreiteten. Dieser Anspruch verwandle sich in einen Anspruch auf Freigabe, sobald das Drittrecht hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis sei die Grundlage für die Anwendung des § 278 BGB, wenn der Pfändungsgläubiger sich zur Prüfung des Freigabeverlangens des Dritten eines Rechtsanwalts bediene:

„Die Frage, ob neben dem prozessualen Gestaltungsrecht des § 771 ZPO ein sachlichrechtlicher Anspruch des Dritten gegen den Pfändungsgläubiger auf Freigabe besteht, kann nach allem nicht nach der Gestaltung der prozessualen Behelfe, sondern nur aus der sachlichen Interessenanlage heraus beantwortet werden. Der Senat ist der Auffassung, daß sich schon allein aus dem erlaubtermaßen auf eine abschließende Prüfung der sachlichen Rechtslage verzichtenden Vollstreckungseingriff eine rechtliche Sonderbeziehung nicht nur zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem im Titel genannten Schuldner sondern auch zwischen jenem und einem etwaigen Drittberechtigten ergibt, dessen Beeinträchtigung zunächst in Kauf genommen wird. Diese gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art, die sich aus der Gestaltung des Vollstreckungsrechts ergibt, gewährt dem betroffenen Drittberechtigten als Ausgleich für das zeitweilige Verbot, seine materiellen Abwehransprüche unmittelbar durchzusetzen, zunächst den Anspruch auf sorgfältige Prüfung des dem Pfändungsgläubiger zur Darlegung und Glaubhaftmachung des Drittrechts Unterbreiteten; dieser Anspruch verwandelt sich in einen sachlich-rechtlichen, wenngleich gerichtlich nur im Wege der Klage aus § 771 ZPO durchsetzbaren Anspruch auf Freigabe in dem Augenblick, in dem der Anspruch hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Dafür, wann dieser Grad der Glaubhaftmachung erreicht ist, hat die Rechtsprechung seit langem sowohl im Zusammenhang mit der Frage der Veranlassung der Drittwiderspruchsklage im Sinne des § 93 ZPO als auch bezüglich des deliktischen Schadensersatzanspruches bei verspäteter Freigabe gepfändeter Sachen Maßstäbe herausgearbeitet, die insbesondere auch dem berechtigten Schutzinteresse des Pfändungsgläubigers hinreichend Rechnung tragen. Diese privatrechtliche Sonderbeziehung begründet die Anwendung des § 278 BGB, wenn der Pfändungsgläubiger sich zur Prüfung des Freigabeverlangens des Dritten eines Rechtsanwalts bedient. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung der weiteren Frage, inwieweit sachenrechtliche Rückforderungs- und Abwehransprüche, und wo diese versagen, ein Anspruch aus § 812 BGB (vgl. dazu das in einem etwas anders gelagerten Fall ergangene Urteil des BGH LM BGB § 812 Nr. 90, ferner das Senatsurteil vom heutigen Tage VI ZR 169/70 - zur Veröffentlichung bestimmt) zwar auch während des prozessualen Verbots einer Leistungsklage fortbestehen, aber einer sich aus dem Vollstreckungsrecht ergebenden sachlichen Einrede unterliegen, die bis zur hinreichenden Glaubhaftmachung des Drittrechts vor allem auch den Verzug des Pfändungsgläubigers mit der Freigabe ausschließt.“

D. Fazit

Materiell-rechtliche Ansprüche aus der Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen – zivilrechtliches Hochreck! Man sollte sich merken, dass – jedenfalls nach h.M. – mit der Pfändung schuldnerfremden Vermögens ein gesetzliches Schuldverhältnis („Vollstreckungsrechtsverhältnis“) zwischen dem Gläubiger und dem betroffenen Dritten (bspw. dem Eigentümer der gepfändeten Sache) entsteht, das Pflichten nach § 241 II BGB begründet, wenngleich der BGH die dogmatische Herleitung durchaus intensiver hätte ausführen können. Verletzt der Gläubiger die sich daraus ergebenen Rücksichtnahmepflichten (Prüfpflicht, Freigabepflicht), kann sich daraus ein Schadensersatzanspruch des Dritten aus §§ 280 I, 241 II BGB in Betracht. Dabei kommt nach § 278 BGB auch eine Zurechnung des Verschuldens solcher Personen in Betracht, derer sich der Vollstreckungsgläubiger zur Erfüllung seiner Pflichten als Erfüllungsgehilfen bedient. Darunter können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte fallen, nicht aber der Gerichtsvollzieher, weil dieser in keiner privatrechtlichen Beziehung zu dem Vollstreckungsgläubiger steht (sog. Amtstheorie). Der „Auftrag“ nach §§ 753, 754 ZPO ist nämlich kein privatrechtliches Schuldverhältnis (§§ 662 ff. BGB), sondern ein Antrag zur Vornahme öffentlich-rechtlicher Handlungen. In den kommenden Wochen werde wir uns mit weiteren Fragen rund um das Zwangsvollstreckungsrecht befassen.