Examensreport: ZR I 1. Examen aus dem Juli 2017 in Hamburg

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Der Eigentümer A eines Mehrfamilienhauses hat eine Wohnung an B vermietet. Die Wohnung befindet sich an einer mehrspurigen, vielbefahrenen Straße. Der Mietzins beträgt 500 Euro, zzgl. 100 Euro Betriebs- und Heizkosten. B hat also 600 Euro zu zahlen. Die Zahlung soll jeweils am dritten Werktag des Monatsanfangs fällig sein.

Anfang Januar 2016 plant A einige Neuerungen an seinem Haus. Er möchte die Heizungsanlage austauschen, wobei die jetzige Energieversorgung mit Öl durch eine moderne Anlage ersetzt werden soll, um eine effizientere Energieversorgung zu gewährleisten. Dazu sollen auch die Thermostatventile ausgetauscht werden, wobei dazu einige Arbeiten in jeder Wohnung des Hauses des A nötig sind. Ferner solle die Fassade des Hauses mit einer Wärmedämmung verstehen werden. A informiert die Mieter des Hauses ordnungsgemäß über die geplanten Arbeiten.

Die Arbeiten am Haus beginnen Anfang Juni und werden Ende August beendet.

B war von vornherein mit den Arbeiten nicht einverstanden, weil er Mieterhöhungen befürchtete. Ausziehen will er deswegen aber nicht. B schreibt gleich zu Beginn der Maßnahmen an A, dass er sich durch die Handwerksarbeiten – was zutrifft – massiv gestört fühle. Die Arbeiten würden unerträglichen Lärm verursachen und auch die Arbeiten an der Fassade seien kaum auszuhalten. Wenn der A die Arbeiten nicht sofort einstelle, mindere er sofort die Miete, schon für Juni habe er zu viel gezahlt.

A reagiert nicht auf das Schreiben.

Der B – der die Monatsrate für Juli aufgrund eines Urlaubes vergessen hatte – überweist Anfang August 400 Euro an den A für den Juli und 400 Euro für August. Auch im September überweist der A lediglich 400 Euro.

Mit Schreiben vom 7.9. kündigt A das Mietverhältnis fristlos. A begründet die Kündigung mit der miserablen Zahlungsmoral des B.

B möchte nicht ausziehen und richtet sogleich einen Dauerauftrag i.H.v. 600 Euro ein, wobei die erste Zahlung am 1.Oktober bei A eingeht.

A meint, das Mietverhältnis sei gekündigt und verlangt die Herausgabe der Wohnung.

Als B wenig später immer noch nicht ausgezogen ist, beauftragt A den Schlüsseldienst S – als B nicht zuhause ist – mit dem Austausch des Schlosses. S liefert sodann den neuen Schlüssel bei A ab.

Als B den A im Haus antrifft, verlangt er Herausgabe des Schlüssels von A. A weigert sich und erteilt ihm Hausverbot.

Bei einem Streit zwischen A und B greift A zum Pfefferspray und sprüht es dem B ins Gesicht. Mit brennenden Augen und Schmerzen läuft B davon. Nach einigen Stunden hat B sich aber erholt.

Als B wenig später wieder zum Haus des A kommt, sieht A ihn schon herannahen und ruft aus dem Fenster: „Na hast du denn immer noch nicht genug“ und nimmt die Pfefferspraydose zur Hand.
Voller Angst läuft B davon und stolpert, wobei er sich Prellungen und Schürfwunden zuzieht. Auch seine Armbanduhr geht kaputt.

Frage: Wie ist die Rechtslage?

Unverbindliche Lösungsskizze

  1. Teil: A gegen B auf Herausgabe der Wohnung

A. § 546 BGB

I. Mietverhältnis A-B (+)

II. Kündigung
-> Außerordentliche Kündigung, § 543 II Nr. 3a BGB

  1. Schriftliche Kündigungserklärung des A, § 568 BGB
    Hier: Kündigungsschreiben des A vom 07.09.2016

  2. Kündigungsgrund
    -> Vor.: Verzug mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete für zwei auf einander folgende Termine, § 543 II Nr. 3a BGB.
    -> „Nicht unerheblicher Teil der Miete“ = insgesamt mehr als eine Monatsmiete, § 569 III Nr. 1 BGB
    Hier: Juli 400 Euro (statt 600 Euro); August 400 Euro (statt 600 Euro) und September 400 Euro (statt 600 Euro) = 600 Euro zu wenig = insgesamt exakt eine Monatsmiete, allerdings nicht mehr als eine Monatsmiete; im Übrigen auch:

a) Minderung, § 536 BGB

aa) Wirksamer Mietvertrag (+)

bb) Mangel

  • Reparaturarbeiten an Heizungsanlage und Thermostaten (+); Arg.: Lärm beeinträchtigt Wohnnutzung
  • Fassadenarbeiten (+); Arg.: ebenfalls Lärmverursachend

cc) Maßgeblicher Zeitpunkt
Hier: Während der Mietzeit

dd) Kein Ausschluss (+)

ee) Rechtsfolge: Herabsetzung des Mietpreises

  • Genaue Höhe schwer zu bestimmen, zumindest aber so viel, dass die Zuwenigzahlungen des B unerheblich sind

b) Aufrechnung mit zu viel gezahlter Miete im Juni, § 387 ff. BGB

aa) Aufrechnungserklärung
Hier: Auslegung von „Schon im Juni habe er zu viel gezahlt“, §§ 133, 157 BGB

bb) Aufrechnungslage
(1) Gegenseitige Forderung
-> B gegen A auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete für Juni, § 812 BGB; Arg.: vorbehaltlose Zahlung trotz Kenntnis, § 814 BGB

(2) Ergebnis: (-)

cc) Ergebnis: (-)

(Anmerkung: Läge § 543 II Nr. 3a BGB vor, dann wäre die Kündigung allerdings nicht nach § 569 III Nr. 1-3 BGB unwirksam).

  1. Ergebnis: (-)

III. Ergebnis: (-)

B. § 985 BGB
(-); Arg.: B hat Recht zum Besitz, da Kündigung unwirksam (s.o.)

  1. Teil: B gegen A auf Herausgabe des (neuen) Schlüssel

A. § 535 BGB
Ein solcher Anspruch dürfte sich aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung oder aufgrund einer entsprechenden Auslegung nach Treu und Glauben, § 242 BGB, aus dem Mietvertrag ergeben.

B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)

  1. Teil: B gegen A auf Schadensersatz wegen Prellungen und Armbanduhr

A. § 280 I BGB
(-); Arg.: Drohung mit Pfefferspray keine Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag

B. § 823 I BGB

I. Rechtsverletzung
Hier: Körper und Eigentum

II. Verletzungsverhalten
Hier: Drohung mit Pfefferspray

III. Zurechnung

  1. Kausalität (+)

  2. Objektive Zurechnung
    -> Adäquanz
    -> Eigenverantwortliche Selbstgefährdung (-); Arg.: Weglaufen und Stolpern nachvollziehbare Reaktion auf Drohung mit dem – erneuten - Einsatz von Pfefferspray

IV. Verschulden, § 276 BGB
Hier: Fahrlässigkeit

V. Rechtsfolge: Schadensersatz

  • Prellung: Heilbehandlungskosten, soweit angefallen, § 249 II BGB
  • Armbanduhr: Kosten der Reparatur bzw. Wiederbeschaffung, § 249 II BGB

VI. Kein Ausschluss
-> Mitverschulden des B, § 254 I BGB (-); Arg.: keine Anhaltspunkte; Angstreaktion in Ordnung.

VII. Ergebnis: (+)
B. § 823 II BGB, § 229 StGB (+)