Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Der als Tierpfleger arbeitende M verstarb am 13.02.2016. M arbeitete als Tierpfleger in einem Tierpark und betreute dort ausschließlich Bären. F und M heirateten am 15.10.1995 und bekamen die Kinder Karl (K) und Ludwig (L). Auf dem Polterabend wurde F von einem befreundeten Rechtsanwalt aufgrund des gefährlichen Berufs des M dazu geraten folgendes auf der Rückseite der im Restaurant liegenden Speisekarte zu schreiben:
“Wir setzen uns als Alleinerben ein. Stirbt der Überlebende, soll der Nachlass auf unsere Kinder übergehen. Sollte ein Kind den Pflichtteil fordern, so soll es auch bei Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil bekommen. Heiratet einer von uns erneut, soll der Nachlass direkt auf unsere Kinder übergehen.
Neumünster, 14.10.1995
Frauke und “
Da M zu diesem Zeitpunkt schon angeheitert war unterschrieb er erst am nächsten Tag nach der Trauung mit:
“Dies ist auch mein letzter Wille.
Max”
Woraufhin die F hinzufügte:
“und Frauke”
Im Sommer 2014 begann M mit seiner neuen Arbeitskollegin B eine Beziehung. F wusste hiervon nichts. B bekam am 25.04.2015 die Tochter C. M erkannte die Vaterschaft an.
Am 12.02.2016 musste M bei dem Transport eines Bären in einen anderen Tierpark aushelfen. Hierbei wurde er von einer Bärentatze so schwer verletzt, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort verfasste er folgenden Brief an B:
“Liebe B,
Von dieser Reise werde ich nicht mehr zurückkehren. Ich möchte dich hiermit als meine Alleinerben einsetzen und widerrufe hiermit alle vorherigen Verfügungen.”
Zu dem Nachlass des M gehörte ein Grundstück in der Hagenbeckstraße in Hamburg. F wurde im Grundbuch eingetragen. Daraufhin beantrage F im Mai einen Erbschein, den sie auch im Mai 2016 erhielt. Kurz darauf schenkte sie das Grundstück ihrem Geliebten W, der wegen riskanter Börsengeschäfte in Geldnot geraten war. W wurde daraufhin im Grundbuch eingetragen. Einige Zeit später wurde W wegen Steuerhinterziehung inhaftiert und F heiratete am 16.10.2016 ihre alte Jugendliebe Georg.
Frage 1: Wie ist die Erbfolge nach M?
Frage 2: Kann der Erbe bzw. die Erben Herausgabe des Grundstücks in Hamburg von W verlangen?
Frage 3: Welche erbrechtliche Stellung hat C und wie kann sie diese möglicherweise verbessern?
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: Erbfolge nach M
A. Gesetzliche Erbfolge
I. Ehefrau F
- 1/2 ; Arg.: §§ 1931 I, III, 1371 BGB
II. Kinder K, L und C
-> jeweils 1/6; Arg.: §§ 1924 I, IV BGB
B. Gewillkürte Erbfolge
I. Gemeinschaftliches Testament vom 14./15.101995
- Form, § 2267 I BGB
- Eigenhändige Niederschrift durch einen Ehegatten – hier: M
- Eigenhändige Unterschrift beider Ehegatten – im Ergebnis (+)
- Besonderheiten bei Berliner Testament, § 2269 BGB
- Gegenseitige Einsetzung als Erben und Einsetzung eines Dritten als Erben des Überlebenden
Hier: „unsere Kinder“ (K und L) bei Heirat des Überlebenden (F)
II. Widerruf des Berliner Testaments und Einsetzung der B als Alleinerbin durch das neue Testament
- Grundsatz: Widerruf durch neues Testament möglich, §§ 2253 ff. BGB
- Ausnahme: Berliner Testament, vgl. auch § 2271 I 2 BGB
C. Ergebnis
K und L sind Erben.
Frage 2: Erben (K und L) gegen W auf Herausgabe des Grundstücks
A. § 985 BGB
I. Besitz des W (+)
II. Eigentum der Erben
Ursprünglich: M
Eigentumserwerb F, § 1922 BGB
(+); Arg.: zunächst Alleinerbin gem. Berliner Testament.Eigentumserwerb des W, §§ 873, 925 BGB
a) Einigung (+)
b) Eintragung (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (+)
- Eigentumserwerb der Kinder bei Heirat F-G, § 2113 I BGB
a) Verfügung eines Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück
aa) Verfügung
Hier: Übereignung des Grundstücks von F an G (s.o.)
bb) Vorerbenstellung
- Abgrenzung: Vollerbe
- Auslegungsregel: § 2269 I BGB – im Zweifel: Vollerbe; aber: hier: Auslegung des Testaments und der Erbeinsetzung der Kinder bei Eheschließung des Überlebenden ergibt „Vorerbschaft“.
b) Eintritt der Nacherbfolge
Hier: Eheschließung der F am 16.10.2016.
c) Vereitelungswirkung (+)
d) Kein gutgläubiger Erwerb des W, § 2113 III, 892 bzw. 2365 ff. BGB
(-); Arg.: F im Grundbuch und im Erbschein eingetragen (ohne Hinweis auf Belastung durch Vorerbschaft); keine Bösgläubigkeit des W.
- Ergebnis
W ist Eigentümer.
III. Ergebnis: (-)
B. Sonstige Herausgabeansprüche: (-)
3. Frage: Erbrechtliche Stellung der C und Verbesserung dieser Stellung
A. Erbrechtliche Stellung der C
I. Gesetzlich
- 1/6; Arg.: §§ 1924 I, IV BGB (s.o.)
II. Ausschluss durch Verfügung von Todes wegen
(+), und zwar durch gemeinschaftliches Testament vom 14.10.1995; Arg.: „unsere Kinder“ = K und L als damalige gemeinsame Kinder von M und F, nicht auch C, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren war und auch nicht ein gemeinsames Kind ist.
III. Ergebnis
C ist nicht Erbin, sondern hat nur einen Pflichtteilsanspruch aus § 2303 I BGB gegen die Erben.
B. Verbesserung dieser Stellung
-> Anfechtung des Testaments, §§ 2078 ff. BGB
- Insbesondere § 2079 BGB („Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten“)
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