BGH: Rechtfertigung des Erwerbs von Betäubungsmitteln zum Zwecke einer Schmerztherapie?

A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)

A leidet an einer Sarkoidose, einer systemischen Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung.

Im September 2013 erleidet A einen massiven Schub ihrer Erkrankung und ist aufgrund der Schmerzen nicht mehr in der Lage, das Bett zu verlassen. Die von ihrem Arzt verordneten Medikamente vermögen die Schmerzen nicht zu lindern, die Einnahme eines morphinhaltigen Medikaments verweigert sie. Deswegen verschafft sie sich im Dezember 2014 58g Heroin und 35g Kokain und führt dabei einen Gegenstand mit sich, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Über eine Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 3 BtMG verfügt A nicht. Aufgrund des Konsums ist sie wieder in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen und sich um ihre Kinder zu kümmern.

Strafbarkeit der A wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a II Nr. 2 BtMG?

 

B. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 28.6.2016 – 1 StR 613/15)

Strafbarkeit wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a II Nr. 2 StGB

I. Tatbestand

Bei Heroin handelt es sich um ein nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel iSv § 1 I BtMG iVm Anlage I, Kokain stellt ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel dar (§ 1 I BtMG iVm Anlage III). Damit hat A sich Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (Grenzwert für Heroin: 1,5 g Heroinhydrochlorid; Grenzwert für Kokain: 5,0 g Cocainhydrochlorid) verschafft. A führte zudem einen Gegenstand mit sich, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist.

Schließlich handelte A vorsätzlich iSv § 15 StGB, weswegen der Tatbestand des § 30a II Nr. 2 StGB erfüllt ist.

II. Rechtswidrigkeit

Möglicherweise handelte A gerechtfertigt. In Betracht kommt ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB.

 

1. Notstandslage

Zunächst müsste A einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder einem anderen Rechtsgut ausgesetzt gewesen sein.

Der BGH bejaht aufgrund des Schmerzverlaufs der Sarkoidose eine Gefahr für die Gesundheit der A:

„Eine Gefahr im Sinne von § 34 StGB (ebenso wie von § 35 StGB) ist ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses besteht (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - 1 StR 483/02, BGHSt 48, 255, 258 [bzgl. § 35 StGB]; siehe auch bereits BGH, Beschluss vom 15. Februar 1963 - 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272 [bzgl. der „Gemeingefahr“ in § 315 Abs. 3 StGB aF]; in der Sache ebenso Fischer, StGB, 63. Aufl., § 34 Rn. 4; Erb in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 34 Rn. 60 jeweils mwN). Ein solcher Zustand war hier für die Gesundheit der Angeklagten gegeben. Das Landgericht hat zugunsten der Angeklagten angenommen, dass die Beschaffung der Drogen ausschließlich zum Eigenkonsum bestimmt war (UA S. 9) und dem Zweck dienen sollte, die mit der Sarkoidose verbundenen starken Schmerzen zu lindern (UA S. 23). Daraus und aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils (vor allem UA S. 22) lässt sich das Sichverschaffen der Drogen in einem Zeitraum ablesen, in dem die Angeklagte einen akuten Schub ihrer Erkrankung mit entsprechenden Schmerzen erlitt.“

 

Diese Gefahr war auch gegenwärtig:

„Damit war die Gefahr für das Erhaltungsgut der Gesundheit auch gegenwärtig. Denn dies ist stets dann der Fall, wenn bei natürlicher Weiterentwicklung der Dinge der Eintritt eines Schadens sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden (BGH, Urteil vom 30. Juni 1988 - 1 StR 165/88, NJW 1989, 176; Fischer aaO § 34 Rn. 7; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 34 Rn. 17 jeweils mwN).“

 

2. Notstandshandlung

Die gegenwärtige Gefahr darf „nicht anders“ als durch Begehung der Tat abgewendet werden können (§ 34 S. 1 StGB). Dahinter verbirgt sich die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Notstandshandlung. Die Tat müsste also zur Gefahrenabwehr geeignet und das relativ mildeste Mittel gewesen sein.

 

Der BGH stellt die Anforderungen an die Erforderlichkeit allgemein wie folgt dar:

„Ob die Gefahr für das bedrohte Rechtsgut anders als durch die Vornahme der straftatbestandsmäßigen Handlung abgewendet werden kann, bestimmt sich anhand der Erforderlichkeit der Notstandshandlung. Notwendige Voraussetzung für deren Rechtfertigung über § 34 StGB ist, dass diese unter den konkreten Umständen des Einzelfalles zum Schutz des Erhaltungsguts geeignet ist und sich bei mehreren zur Gefahrabwendung geeigneten Handlungsmöglichkeiten die gewählte als das in Bezug auf das Eingriffsgut, mithin die durch die verwirklichte Strafnorm geschützten Rechtsgüter und Interessen, relativ mildeste Mittel erweist (vgl. bereits BGH, Urteil vom 25. März 1952 – 1 StR 172/51, BGHSt 2, 242, 245 f. [zu § 54 StGB aF]; Fischer aaO § 34 Rn. 9; Erb in Münchener Kommentar zum StGB, aaO, § 34 Rn. 87; Perron in Schönke/Schröder aaO § 34 Rn. 18 jeweils mwN; siehe auch Rinio, Betrifft JUSTIZ 2009, 83). Im Hinblick auf das Gebot des relativ mildesten Mittels zur Gefahrenabwehr bestehen Konstellationen, in denen straftatbestandsmäßiges Verhalten zum Zweck der Bewahrung des Erhaltungsguts nicht durch § 34 StGB gerechtfertigt ist.“

a. Geeignetheit

Der BGH bejaht die Geeignetheit:

„Zwar war ausweislich der Beweiswürdigung des Landgerichts die von der Angeklagten gewählte Dosierung medizinisch nachvollziehbar und die Einnahme des Heroins wirkungsvoll, das dazu erforderliche Verschaffen war mithin zur Abwendung der Gefahr geeignet.“

b. Relativ mildestes Mittel

Zudem müsste das Sichverschaffen der Betäubungsmittel das relativ mildeste Mittel gewesen sein, um die Gefahr für die Gesundheit der A abzuwehren.

 

Dabei führt der BGH zunächst aus, dass die Erforderlichkeit der Notstandshandlung entfällt, wenn zur Gefahrabwehr staatliche Hilfe rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann. Auch komme ein Rückgriff auf § 34 StGB regelmäßig nicht in Betracht, wenn die Konfliktlage zwischen dem gefährdeten und dem von der Tat betroffenen Rechtsgut einem besonderen Verfahren vorbehalten ist:

„(a) So ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Erforderlichkeit der Notstandshandlung entfällt, wenn zur Gefahrabwehr staatliche bzw. “obrigkeitliche” Hilfe rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann (BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 – 3 StR 356/92, BGHSt 39, 133, 137; Fischer aaO § 34 Rn. 9a; vgl. auch Erb in Münchener Kommentar zum StGB aaO § 34 Rn. 94).

(b) Ebenso scheidet eine Rechtfertigung durch § 34 StGB regelmäßig aus, wenn die Lösung der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Konfliktlage zwischen dem Erhaltungsgut und dem Eingriffsgut einem besonderen Verfahren oder einer bestimmten Institution vorbehalten ist (Perron in Schönke/Schröder aaO § 34 Rn. 41; siehe auch Erb in Münchener Kommentar zum StGB aaO § 34 Rn. 192 sowie Gerhold HRRS 2011, 477, 478).“

 

Ein solches „besonderes Verfahren“ sei im BtMG geregelt, wonach eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG beantragt werden könne. So habe das BVerwG bereits entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sei, einem Schmerzpatienten eine solche gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu erteilen:

„Diesem Gedanken folgend ist in der jüngeren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bezüglich des Ausschlusses einer Rechtfertigung des unerlaubten Umgangs mit Cannabis durch § 34 StGB zutreffend auf die Möglichkeit einer Genehmigung des Einsatzes von Cannabis zum Zweck der schmerzlindernden Eigenbehandlung gemäß § 3 Abs. 2 BtMG abgestellt worden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 1 Ss 20/13, StV 2013, 708 f.; zur Möglichkeit einer solchen Genehmigung BVerwG, Urteile vom 19. Mai 2005 – 3 C 17.04, BVerwGE 123, 352, 354 ff. und vom 6. April 2016 – 3 C 10.14, juris Rn. 12 ff.).

Die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes legen grundsätzlich fest, unter welchen Voraussetzungen zu medizinischen Zwecken ein Umgang mit an sich unerlaubten Betäubungsmitteln erfolgen kann (Erb in Münchener Kommentar zum StGB aaO § 34 Rn. 192). Die Lösung des Konflikts zwischen der bedrohten Gesundheit eines Schmerzpatienten und den hinter den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften stehenden Gütern und Interessen kann zumindest im Grundsatz lediglich innerhalb des Rechtsregimes des Betäubungsmittelrechts gefunden werden. Das Genehmigungsverfahren gemäß § 3 Abs. 2 BtMG dient dazu, im Einzelfall unter Abwägung der Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes einerseits und dem möglichen Nutzen andererseits zu entscheiden, ob eine Erlaubnis für den Umgang mit einem Betäubungsmittel erteilt werden kann (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 3 C 17.04, BVerwGE 123, 352, 360) oder bei Ermessensreduzierung auf Null sogar muss (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.14, juris Rn. 37). Der Nutzen kann dabei bei schweren Erkrankungen auch bereits in einer Verbesserung des subjektiven Befindens liegen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 3 C 17.04, BVerwGE 123, 352, 360; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.14, juris Rn. 14).

Bezüglich der Eigenbehandlung eines Schmerzpatienten mit selbst angebautem Cannabis hat das Bundesverwaltungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen (Linderung der Beschwerden des Betroffenen; Fehlen eines gleich wirksamen und für ihn erschwinglichen Medikaments) das für die Genehmigung zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sogar verpflichtet, dem Kläger des Ausgangsverfahrens eine solche gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu erteilen (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.14).“

Danach verneint der BGH die Erforderlichkeit des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln zur Gefahrenabwehr. Die A hätte jedenfalls den Versuch unternehmen müssen, mit einem Arzt eine andere Schmerzmedikation umzusetzen oder eine Ausnahmegenehmigung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (§ 3 II BtMG) zu beantragen. Eine solche Ausnahmegenehmigung könne nicht nur für Cannabisprodukte, sondern auch für Heroinprodukte erteilt werden, wobei die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 II 1 GG zu Gunsten des Schmerzpatienten zu berücksichtigen sei:

„Bis zur Begehung der gegenständlichen Tat im Dezember 2014 war damit mehr als ein Jahr vergangen, in dem keine legalen Möglichkeiten einer effektiven Schmerzbehandlung seitens der Angeklagten ergriffen worden sind. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils, dass die Angeklagte sogleich auf unerlaubte Betäubungsmittel zugegriffen hat, ohne einen Versuch zu unternehmen, mit dem sie behandelnden Arzt eine andere Schmerzmedikation umzusetzen. Auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 3 Abs. 2 BtMG ist nicht nachgesucht worden (vgl. insoweit BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 20. Januar 2000 – 2 BvR 2382/99 u. a., NJW 2000, 3126, 3127).

Eine solche kommt aber – wie dargelegt – grundsätzlich zur Sicherstellung einer notwendigen medizinischen Versorgung eines einzelnen Patienten in Betracht. Das gilt nicht allein für Cannabisprodukte, sondern auch für Heroinprodukte, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden sollen (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 3 Rn. 58). Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung muss die zuständige Behörde die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Gewährleistung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 3 C 17.04, BVerwGE 123, 352, 355 f. mwN). Der Schutzbereich des Grundrechts ist auch dann betroffen, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gelindert werden kann, und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt oder aufrechterhalten werden (BVerwG aaO mwN). Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Kriterien für die Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung für den Umgang mit Cannabis für eine Einzelperson zu therapeutischen Zwecken wären auch für die Verbescheidung eines Antrags auf Umgang mit anderen Betäubungsmitteln maßgeblich (vgl. Patzak aaO § 3 Rn. 58). Mit dem für die Substitutionsbehandlung unter näheren Voraussetzungen zugelassenen Diamorphin steht ein mit Diacetylmorphin (Heroin) substanzgleiches Produkt (siehe Patzak aaO Stoffe Rn. 194) mit gleichen Wirkungen zur Verfügung.“

Dabei komme es für eine Rechtfertigung nach § 34 StGB nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung nach § 3 BtMG vorgelegen haben oder nicht. Vielmehr sei das BtMG insoweit abschließend und verwehre – jedenfalls in nicht „atypischen“ Fällen – einen Rückgriff auf § 34 StGB:

„Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach Maßgabe der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Angeklagte vorliegen oder dem zwingende Versagungsgründe aus § 5 Abs. 1 BtMG entgegenstehen (dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.14, juris Rn. 26 ff.), wäre gerade im Genehmigungsverfahren zu prüfen gewesen. Zu welchem Ergebnis dieses Verfahren geführt hätte, ist für den Ausschluss einer Rechtfertigung über § 34 StGB in Bezug auf den hier verfahrensgegenständlichen Beschaffungsvorgang bei einem bereits seit einem längeren Zeitraum bestehenden krankheitsbedingten Schmerzzustand nicht von Bedeutung. Denn das Betäubungsmittelgesetz nimmt eine abschließende Bewertung für den zulässigen Umgang mit Betäubungsmitteln vor, die den Zugriff auf § 34 StGB im Grundsatz ausschließt, auch wenn ein ansonsten unerlaubter Umgang mit erfassten Stoffen zu therapeutischen Zwecken erfolgt. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung handelt es sich vorliegend auch nicht um eine “atypische” Konstellation, die im Regelungskomplex des Betäubungsmittelgesetzes keine Berücksichtigung gefunden hätte (vgl. zu diesem Aspekt Erb in Münchener Kommentar zum StGB aaO § 34 Rn. 192). Die Angeklagte hat die Möglichkeit eines nach den Vorgaben des Betäubungsmittelstrafrechts ausnahmsweise erlaubten Umgangs mit ansonsten nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln gar nicht in Betracht gezogen, sondern hat seit 2013 von vornherein auf Heroin, dessen konkrete Wirkstoffkonzentration und Zusammensetzung sie nicht kontrollieren konnte (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.14, juris Rn. 31), als Mittel der Schmerzbekämpfung gesetzt (UA S. 6).“

3. Zwischenergebnis

Die Tat war nicht das mildeste Mittel zur Gefahrenabwehr, weswegen eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ausscheidet.

III. Schuld

„Eine Entschuldigung gemäß § 35 StGB scheidet ebenfalls wegen der aus den vorgenannten Gründen gegebenen anderweitigen Abwendbarkeit der Gefahr für die Gesundheit der Angeklagten aus (zur Identität des Maßstabs in § 34 und § 35 StGB siehe Perron in Schönke/Schröder aaO § 35 Rn. 13 mwN).“

 

IV. Ergebnis

Anhaltspunkte für einen auf die hinsichtlich § 34 StGB oder § 35 StGB maßgeblichen tatsächlichen Umstände bezogenen Irrtum der A sind ebenso wenig ersichtlich wie für einen auf die rechtlichen Voraussetzungen der Notstandsregelungen gerichteten Irrtum. Daher hat sich A wegen strafbar gemacht.

 

C. Fazit

Auch wenn das Betäubungsmittelstrafrecht – trotz seiner enormen praktischen Relevanz – nicht zum Pflichtprüfungsstoff zählt, ist die Entscheidung des BGH lesenswert und lehrreich zugleich, weil sie grundsätzliche Aussagen zur Reichweite des § 34 StGB und dessen Verhältnis zu verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren enthält. Zudem ist sie Anlass genug, sich mit den Grundlagen und Definitionen des § 34 StGB zu befassen. In diesem Zusammenhang möchten wir auch daran erinnern, dass innerhalb des BGH derzeit umstritten ist, ob der Besitz von Betäubungsmitteln zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt (den entsprechenden Beschluss haben wir in unserem Urteilsticker vorgestellt).