BGH: Bahnt sich Änderung der Rechtsprechung zum Vermögensbegriff an?

A. Sachverhalt (vereinfacht)

Der drogensüchtige D konsumierte den Rest seines Heroinvorrats und befürchtete Entzugserscheinungen. Nachdem D vergeblich versucht hat, Heroin zu kaufen, erfuhr er, dass der N damit Handel treibt. Er beschloss, N mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin zu zwingen. D trat die Wohnungstür des N ein und fragte ihn sogleich nach “Dope”, worauf dieser erwiderte, dass er keines besitze. Deshalb hielt D dem N ein Messer vor das Gesicht und forderte „Gib das Dope raus“. N gab deswegen drei Plomben Heroin heraus, wobei er davon ausging, dass D das Heroin ohne seine Hilfe nicht gefunden hätte.

Hat D sich wegen Erpressung strafbar gemacht?

B. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 01.06.2016 – 2 StR 335/15)

Strafbarkeit wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 II Nr. 2 StGB

Indem D dem N ein Messer vor das Gericht hielt und ihn zur Herausgabe von „Dope“ aufforderte, könnte er sich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 II Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben.

1. Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

Durch das Vorhalten des Messers hat N konkludent damit gedroht, ihn damit zu verletzten. Darin liegt eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Dabei hat er ein gefährliches Werkzeug i.S.v. §§ 255, 253, 250 II Nr. 2 StGB verwendet.

2. Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung

Dadurch müsste D den N zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt haben. Wie der Nötigungserfolg zu bestimmen ist, wird uneinheitlich beurteilt. Hier geht es um die Abgrenzung zum Tatbestand des Raubes nach § 249 StGB, die bekanntlich in Rechtsprechung und Literatur äußerst umstritten ist.

Nach herrschender Ansicht in der Literatur handelt es sich bei der (räuberischen) Erpressung um ein Selbstschädigungsdelikt, welches – ebenso wie der Betrug – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine Vermögensverfügung voraussetze. Danach liege eine (selbstschädigende) Vermögensverfügung (nur) vor, wenn das Opfer sich selbst eine „Schlüsselstellung“ bei dem Gewahrsamswechsel zuschreibe. Eine (fremdschädigende) Wegnahme i.S.v. § 249 I StGB liege demgegenüber vor, wenn das Opfer bei Vollzug des Gewahrsamswechsels annehme, dass die eigene Mitwirkung dafür nicht notwendig sei.

N ging davon aus, dass D das Heroin ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres gefunden hätte. Damit hat er sich selbst eine „Schlüsselstellung“ zugeschrieben, weswegen nach dieser Ansicht eine Vermögensverfügung i.S.v. §§ 253, 255 StGB vorliegt.

Der BGH geht hingegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei § 249 StGB um eine lex specialis gegenüber §§ 253, 255 StGB handele. Die Abgrenzung von § 249 StGB und § 255 StGB erfolge danach nicht nach denselben Kriterien wie bei der Abgrenzung von Selbst- zu Fremdschädigungsdelikten. Im Rahmen des § 249 StGB gelte vielmehr ein eigenständiger Wegnahmebegriff: Eine Wegnahme liege vor, wenn der Täter nach dem äußeren Erscheinungsbild die Sache an sich nimmt.

Danach liegt hier keine Wegnahme i.S.v. § 249 StGB, sondern eine Nötigungshandlung i.S.v. §§ 253, 255 StGB vor, weil N dem D die Heroinplomben ausgehändigt hat.

Nach beiden Ansichten hat N den D zu einer Handlung genötigt i.S.v. §§ 253, 255 StGB.

3. Vermögensnachteil

Schließlich müsste D dem Vermögen des N einen Nachteil zugefügt haben. Der Begriff des Vermögensnachteils ist dabei wie der Vermögensschaden i.S.v. § 263 StGB auszulegen. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung liegt ein Nachteil immer dann vor, wenn die abgenötigte Handlung des Genötigten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch einen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Genötigten führt.

Fraglich ist, ob der Besitzverlust an den drei Plomben Heroin einen Vermögensnachteil begründet. Das wäre nur dann der Fall, wenn der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt. Fraglich ist, was unter Vermögen i.S.v. §§ 253, 263 StGB zu verstehen ist. Im Wesentlichen stehen sich heute der rein wirtschaftliche und der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff gegenüber. Nach dem Ersteren sind dem Vermögen – ohne Rücksicht auf ihre Rechtsnatur – alle Positionen zuzurechnen, denen nach objektiven Maßstäben ein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann; auf eine rechtliche oder sittliche Bewertung kommt es nicht an. Nach dem Letztgenannten kommt es im Ausgangspunkt auch auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an; von der Rechtsordnung missbilligte vermögenswerte Gegenstände scheiden aber aus.

a. wirtschaftlicher Vermögensbegriff

Für Betäubungsmittel lassen sich auf dem Schwarzmarkt (hohe) Preise erzielen. Dem Besitz an Betäubungsmitteln kommt damit ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Wert zu. Auf Grundlage eines wirtschaftlichen Vermögensbegriffs hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 ausgeführt, dass in Fällen wie dem hiesigen eine Strafbarkeit wegen (räuberischer) Erpressung in Betracht komme. Ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin nicht schutzwürdiges Vermögen kenne die Rechtsordnung nicht:

„Wer einen Rauschgifthändler mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich zu Unrecht zu bereichern, macht sich nicht der Nötigung, sondern der räuberischen Erpressung schuldig. Das Landgericht hat sich an einer entsprechenden Verurteilung gehindert gesehen, weil der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht durch § 253 StGB als Vermögen strafrechtlich unter Schutz stehe. Hierbei hat es verkannt, daß die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte ein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen nicht kennt (vgl. BGHSt 8, 254, 256; BGH NStZ-RR 1999, 184, 185 f.; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29 m.w.N.). Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Der BGH hat deshalb auch bereits entschieden, daß das Nötigen zur Herausgabe von Betäubungsmitteln mittels Androhung von Gewalt den Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung erfüllen kann (BGHR BtMG § 29 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2, vgl. auch BGHR StGB § 263 1 Versuch 1).“ (BGH Urt. v. 04.09.2001 – 1 StR 167/01)

b. juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff

Problematisch ist aber, ob dieser Besitz auch von der Rechtsordnung gebilligt und damit auch nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff erfasst wird. Der 2. Strafsenat des BGH geht nunmehr davon aus, dass das nicht der Fall sei.

Zunächst dreht er das (oben zitierte) Argument der bisherigen Rechtsprechung um und führt aus, dass es kein schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts gebe:

„Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts (vgl. Fischer in Fischer/Hoven/Huber/Raum/Rönnau/Saliger/Trüg [Hrsg.], Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2016, S. 51, 54) oder sogar im Widerspruch dazu. Auch der Besitz ist nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (vgl. Gallas in FS f. Eb. Schmidt, 1961, S. 401, 408, 417, 426). Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln ist deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr ist der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand (vgl. Mitsch JuS 2003, 122, 124).“

Es sei widersprüchlich, den unerlaubten Besitz an Betäubungsmitteln strafrechtlich zu schützen und ihn gleichzeitig nach § 29 I Nr. 3 BtMG zu bestrafen:

„Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitzt (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 , § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB ) oder Nötigung (§§ 253 , 255 StGB ) entzieht, stellt einen offenkundigen Widerspruch dar. Zugleich fehlt es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung der auf die Entziehung eines seinerseits strafbaren Besitzes gerichteten Handlung unter dem speziellen Gesichtspunkt eines Vermögensdelikts (vgl. Hillenkamp in FS für Achenbach, 2011, S. 189, 198 ff.).“

Das widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot, das Strafrecht nur als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes einzusetzen:

„Das Strafrecht wird als “ultima ratio” des Rechtsgüterschutzes nur eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.2008 - 2 BvR 392/07 , BVerfGE 120, 224, 239 f.). Der unerlaubte Besitz an Betäubungsmitteln ist, gemessen an dieser Anforderung, kein strafrechtlich schutzbedürftiges Rechtsgut, seine Entziehung ist nicht unerträglich, deren Verhinderung durch Strafrecht nicht geboten. Das Strafrecht darf nicht dazu dienen, strafbare Positionen zu schützen und insoweit eine “faktische Anerkennung des Unrechtsverkehrs” vorzunehmen (vgl. Cramer JuS 1966, 472, 476); denn dies verstieße seinerseits gegen Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. Zieschang in FS für H. J. Hirsch, 1999, S. 831, 838 ff.).“

Aus den zivilrechtlichen Besitzschutzregeln, die im Grundsatz auch zu Gunsten des Besitzers unerlaubter Betäubungsmittel gelten, könne kein Argument für den strafrechtlichen Schutz hergeleitet werden:

„Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt werden, dienen nicht dem Schutz des Vermögensbestands (vgl. NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239) und besagen nichts über die Legitimität des Besitzes. Sie ändern deshalb nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1969, S. 226 ff.; Gallas aaO S. 426). Ein Anspruch auf Einräumung des - strafbaren - Besitzes an Betäubungsmitteln kann daraus nicht hergeleitet werden (vgl. Dehne-Niemann NStZ 2009, 37 f.; Hillenkamp a.a.O. S. 205; Zieschang a.a.O. S. 837 ff.).“

Ein Schutz nach §§ 253, 263 StGB sei auch nicht geboten, um einen „strafrechtsfreien Raum“ zu verhindern:

„Die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten (§§ 29 ff. BtMG , §§ 240 , 261 StGB u.a.) bleibt bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindert, dass ein strafrechtsfreier Raum entsteht (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 109).

Aufgabe der spezifischen Vermögensdelikte ist es zudem nicht, zur Vermeidung einer sonst zu befürchtenden Strafbarkeitslücke den Rechtsfrieden zu bewahren (vgl. Gallas a.a.O., S. 426). Erst recht ist es nicht geboten, den Anwendungsbereich der Vermögensdelikte anhand von kriminalpolitischen Billigkeitserwägungen der Rechtsprechung auszudehnen (vgl. Zieschang a.a.O. S. 841 ff.).

Die Annahme, den Vermögensdelikten komme die Aufgabe zu, über den Schutz des Rechtsguts “Vermögen” hinaus die allgemeine Rechtsordnung zu schützen (krit. bereits Lenckner JZ 1967, 105, 107 f.), geht ferner daran vorbei, dass die Strafrechtsordnung heute eine Vielzahl von Auffangtatbeständen zur Schließung von Strafbarkeitslücken vorsieht. Für eine weite Auslegung der §§ 253, 263 StGB besteht daher kein Bedarf. Sie steht in Widerspruch zum Gebot der engen Auslegung des fragmentarischen Strafrechts nach dem ultima-ratio-Prinzip.“

Im Jahr 2005 hat der 3. Strafsenat des BGH entschieden, dass illegal erworbene Drogen taugliches Tatobjekt von Eigentumsdelikten (§§ 242, 246, 249 StGB) sein können (Beschl. v. 22.09.2005 – 3 StR 295/05). Daraus ergebe sich aber kein Argument für die Auslegung des Vermögensbegriffs nach §§ 253, 263 StGB. Einerseits seien Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen hinzunehmen (was wegen der schwierigen und gegebenenfalls nicht immer zweifelsfreien Abgrenzung von § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB oder § 242 StGB und § 263 StGB fraglich ist). Andererseits hält der 2. Strafsenat auch insoweit eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte für geboten, weil der Eigentümer nach § 16 BtMG zur Vernichtung der unerlaubten Betäubungsmittel verpflichtet sei:

„a) Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen werden auch an anderer Stelle hingenommen und zwingen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals “Vermögen” auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken (vgl. Kudlich JA 2006, 335, 336).

b) Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheint zudem seinerseits nicht zwingend (abl. etwa Engel NStZ 1991, 520 ff.; MüKo/Schmitz, StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 17 f.; Wolters in FS für Samson, 2010, S. 495 ff.; s.a. Fischer, StGB § 242 Rn. 5a; dafür aber BGH, Beschl. v. 20.09.2005 - 3 StR 295/05 , ZIS 2006, 36 f. mit Anm. Hauck; Marcelli NStZ 1992, 220 ff.; Vitt NStZ 1992, 221 ff.).

Werden Betäubungsmittel entgegen einem strafrechtlichen Verbot hergestellt, entsteht kraft bürgerlichem Rechts (§§ 950, 953 BGB) jedenfalls kein vollwertiges Eigentum. Die Eigentumsposition des Herstellers besteht praktisch nur aus Pflichten zur Ablieferung an die Behörden oder Vernichtung der Drogen, während seine Rechte gemäß §§ 903, 985 ff. BGB durch die Verbote nach § 29 BtMG ausgeschlossen werden. Das “Recht” auf Eigentumsaufgabe oder Vernichtung (BGH a.a.O.; Schramm JuS 2008, 678, 680) wird durch das Betäubungsmittelgesetz (§ 16 BtMG) zur Pflicht (vgl. MüKo/Schmitz, StGB § 242 Rn. 18). Nach allem kann das Strafrecht auch mit der Strafdrohung der §§ 242, 249 StGB gegen Wegnahme des - unerlaubten - Besitzes von Betäubungsmitteln keinen sinnvollen Rechtsgüterschutz darbieten (vgl. Otto in FS für Beulke, 2015, S. 507, 520). Dies spricht vielmehr für eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte.

Der Hersteller kann das kraft Gesetzes formal erworbene Eigentum an Drogen ohne behördliche Ausnahmegenehmigung nicht durch Rechtsgeschäft wirksam übertragen (§ 134 BGB, §§ 29 ff. BtMG). Er gibt es bei der Veräußerung der Drogen im illegalen Betäubungsmittelhandel preis und glaubt danach regelmäßig als Laie selbst an dessen Verlust (vgl. dazu Hauck ZIS 2006, 37, 39). Darin liegt zwar keine Dereliktion (§ 959 BGB). Jedoch erlangt der Erwerber nur einen Gewahrsam ohne eigenes Eigentum; sein Verwertungsinteresse an einem Eigenkonsum ist nicht derart schutzwürdig, dass deshalb das Strafrecht als “ultima ratio” des Staates zu seiner Gewahrsamssicherung angewendet werden müsste. Beim formalen Eigentümer verbleibt eine Rechtsposition ohne Substanz; dieser kann insbesondere die Herausgabe (§ 985 BGB) nicht verlangen, weil ihr das Erwerbsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG entgegensteht; auch zum Schutz des Eigentümers ist der Einsatz der staatlichen “ultima ratio” daher nicht geboten.

Ausländisches Sachenrecht, das gegebenenfalls für die dingliche Rechtslage an einem ausländischen Herstellungsort bestimmend ist (Art. 43 Abs. 1 EGBGB), wird im Inland nur in den Grenzen der deutschen öffentlichen Ordnung anerkannt (Art. 6 S. 1, 43 Abs. 2 EGBGB). Daraus können keine weiter gehenden Eigentümerrechte im Inland hergeleitet werden.“

Schließlich würde der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln dazu führen, den illegalen Schwarzmarkt faktisch anzuerkennen:

„Drogen haben zwar auf dem Schwarzmarkt gerade wegen ihrer Illegalität hohen Wert, auf dem legalen Markt hingegen - solange keine Ausnahmegenehmigung vorliegt - gar keinen Wert. Auch mit Hinweis darauf wird in der Literatur angenommen, dass der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählt (vgl. Maier in Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 253 Rn. 23; Wittig in BeckOKStGB, 30. Edition, § 253 Rn. 9.1). Das ist zur Vermeidung einer faktischen Anerkennung des illegalen Markts und seiner in den Handelsstufen progressiven Wertsetzungen geboten. Schließlich erkennt die Rechtsordnung demjenigen, der unerlaubten Drogenbesitz durch ein Vermögensdelikt verliert, nicht nur keinen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zu, sondern auch keinen solchen nach dem Wertgefüge des illegalen Markts.“

Danach fehlt es nach Ansicht des 2. Strafsenats an einem Vermögensnachteil des N und eine Strafbarkeit des D wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung scheidet es.

C. Fazit

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist dem Vermögen i.S.d. §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich bestimmt werde. Daran will der 2. Strafsenat nicht festhalten und diesen Besitz aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen ausnehmen. Weil er damit von der Rechtsprechung anderer Strafsenate abweichen würde und weil es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt, hat er bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten oder sich dem 2. Strafsenat anschließen wollen (§ 132 III GVG). Sollte wenigstens ein Strafsenat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten, müsste der Große Senat für Strafsachen entscheiden (§ 132 II GVG).

Man darf gespannt sein, wie sich die anderen Senate verhalten werden. Klar ist in jedem Fall: Wenn sich die Änderung einer gefestigten, indes lebhaft diskutierten und kritisierten Rechtsprechung abzeichnet, sollte sich jeder Student und Referendar damit befassen. Die Problematik dürfte damit nämlich wieder vermehrt Eingang in Klausuren und Prüfungsgespräche finden. Deswegen werden wir hier im Blog über den weiteren Verlauf des Verfahrens berichten.

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