A. Sachverhalt
Der Landkreis L ist in seinem Gebiet der zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. K betreibt seit Einführung der Verpackungsverordnung im Jahre 1991 als sogenannte “Systembetreiberin” gemäß § 6 III Verpackungsverordnung (VerpackV) bundesweit ein duales Entsorgungssystem, welches der flächendeckenden und regelmäßigen Abholung gebrauchter Verbrauchsverpackungen beim privaten Endverbraucher dient. An einem solchen System haben sich Hersteller und Vertreiber, die mit Ware befüllte Verkaufspackungen, welche typischerweise beim privaten Endverbraucher anfallen, erstmals in den Verkehr bringen, gemäß § 6 I VerpackV grundsätzlich zu beteiligen.
K führt die Erfassung, also das Einsammeln der Verkaufsverpackungen und deren Verwertung, nicht selbst durch, sondern beauftragt hierzu öffentliche und private Entsorgungsunternehmen. Hinsichtlich gebrauchter Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonage (sogenannte PPK-Verpackungen) besteht die Besonderheit, dass diese bereits vor Einführung der Verpackungsverordnung als Papierabfälle im gesamten Bundesgebiet von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern - auch von dem Landkreis L - gesondert gesammelt wurden. Deshalb vereinbart K mit den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, dass diese weiterhin mittels der bereits vorhandenen Sammeleinrichtungen die gesamten Papierabfälle erfassen sollen. Die Mengenanteile, sowie die anteilige Kostentragung für die Erfassung von “normalem”, so genanntem graphischen Altpapier (Zeitungen, Zeitschriften etc.) einerseits und den PPK-Verpackungen andererseits sollen auf Basis von Schätzungen festgelegt werden. Die Erfassung des Altpapiers im Gebiet des Landkreis L erfolgt unter anderem durch sogenannte Bündelsammlungen. Die Endverbraucher legen hierzu das von ihnen gebündelte Altpapier zu bestimmten Terminen am Straßenrand zur Abholung bereit. Dort wird es von Vereinen eingesammelt, die der Landkreis hiermit beauftragt hat.
Die einheitliche Erfassung des Altpapiers (unter Einschluss der PPK-Verpackungen) durch den Landkreis war Gegenstand mehrerer zwischen K und L getroffener Vereinbarungen. Zuletzt schlossen sie 2011 einen Vertrag, nach dem der Landkreis L die Verpackungen weiterhin im Auftrag der K gemeinsam mit dem übrigen Papierabfall erfassen soll. Eine bestimmte Menge an Altpapier solle er der K monatlich zur Abholung bereitstellen. Der Vertrag wurde von dem Landkreis L fristgerecht gekündigt und endete mit Ablauf des Jahres 2011. Eine Einigung über einen Nachfolgevertrag kam nicht zustande. Seit Beginn des Jahres 2012 erhält der Landkreis L von K für die Erfassung der PPK-Verpackungen durch die von ihm beauftragten Vereine keine Entgelte mehr; umgekehrt wird kein Altpapier aus den Vereinssammlungen mehr für K bereitgestellt.
Ist K (Mit-)Eigentümerin des seit dem 01.01.2012 von dem Landkreis L im Rahmen der sogenannten Vereinssammlung erfassten Altpapiers (PPK-Verpackungen)?
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 16.10.2015 – V ZR 240/14)
Es ist konkret danach gefragt, ob K (Mit-)Eigentum an den PPK-Verpackungen erlangt hat. Daher bietet sich eine historische Prüfung der Ereignisse an.
I. Private Endverbraucher als ursprünglicher Eigentümer
Ursprünglich stand das Eigentum an den PPK-Verpackungen den privaten Endverbrauchern zu.
II. Eigentumserwerb des K
K müsste das Eigentum von den Endverbrauchern erlangt haben. Dabei kommt ein gesetzlicher und ein rechtsgeschäftlicher Erwerb in Betracht.
1. Anwendbarkeit der zivilrechtlichen (sachenrechtlichen) Regeln
Zunächst müssten die allgemeinen zivilrechtlichen (sachenrechtlichen) Regeln über den Eigentumserwerb anwendbar sein. Dem könnte möglicherweise entgegenstehen, dass das Abfallrecht öffentlich-rechtlich organisiert ist. Das Berufungsgericht hatte allerdings ausgeführt, dass es keine vorrangigen öffentlich-rechtlichen Sondervorschriften gebe, die Frage des Eigentums an dem Abfall regeln würden. Stattdessen beurteilen sich die Eigentumsverhältnisse nach den allgemeinen sachenrechtlichen Vorschriften:
„Die Eigentumsverhältnisse am PPK-Material ergeben sich - hierüber sind sich die Parteien einig - grundsätzlich aus den allgemeinen sachenrechtlichen Vorschriften, also insbesondere aus §§ 929 ff. BGB, aber auch aus z.B. §§ 958 f. BGB und §§ 946 ff. BGB (OLG Düsseldorf v. 29.12.2004,VI-Kart. 17/04, JURIS Rz. 58; Schomerus, in: Verstyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 17 Rn. 12). Spezielle abfallrechtliche Regelungen, die die Frage des Eigentums am Abfall allgemein oder am PPK-Material, das von der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht seit dem Erlass der Verpackungsverordnung im Jahre 1991 ausgenommen und - jedenfalls vorrangig - einem privaten „Sonderregime“ unterstellt wurde (vgl. VGH Baden-Württemberg v. 24.07.2012, 10 S 2554/10, JURIS Rz. 85), im Besonderen regeln, gibt es nicht. Insbesondere treffen weder das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) noch die Verpackungsverordnung Regelungen, die das Eigentum am Verpackungsmaterial oder die Aufteilung dieses Materials zwischen dem privaten Systembetreiber, dem tatsächlichen Entsorger und dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger regeln (VGH Baden-Württemberg v. 24.07.2012, 10 S 2554/10, JURIS Rz. 108).“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.10.2014 - 12 U 28/14)
Dem stimmt der BGH zu:
„Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Eigentumsverhältnisse an dem eingesammelten Altpapier einschließlich der PPK-Verpackungen mangels besonderer abfallrechtlicher Sondervorschriften nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu beurteilen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.12.2004 - VI-Kart 17/04 (V) , […] Rn. 58; VGH Mannheim, ZUR 2012, 685, 690; Schomerus in Versteyl/ Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl., § 17 Rn. 12; Gruneberg in Jahn/DeifußKruse/Brandt, KrWG, § 17 Rn. 7; Scharnewski, AbfallR 2012, 102, 105; Schink, AbfallR 2013, 221, 228). Abfallrechtliche Wertungen können allenfalls - insbesondere, wenn sich der Eigentumsübergang durch konkludentes Verhalten vollzieht - bei der Auslegung der dem Eigentumsübergang zugrunde liegenden Willenserklärungen berücksichtigt werden (vgl. Schink, AbfallR 2013, 221, 228; Scharnewski, AbfallR 2012, 102, 105).“
2. Gesetzlicher Eigentumserwerb gem. § 958 I BGB
Möglicherweise hat K das Eigentum an den PPK-Verpackungen durch Aneignung gem. § 958 I BGB erlangt. Das würde zunächst voraussetzen, dass die Endverbraucher das Eigentum an den Verpackungen aufgegeben haben (§ 959 BGB); eine Aneignung ist nur an herrenlosen Sachen möglich. Diese Eigentumsaufgabe könnte in dem Bereitstellen des gebündelten Altpapiers zur Abholung liegen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts handele es sich dabei aber nicht um eine Dereliktion. Es fehle an einem Eigentumsaufgabewillen. Die Endverbraucher habe vielmehr die Erwartung, dass das entsorgte Verpackungsmaterial einer ordnungsgemäßen Wiederverwertung zugeführt werde. Daher sei der Endverbraucher nicht mit der Wegnahme und Aneignung durch jeden beliebigen Dritten einverstanden:
„Voraussetzung für die Dereliktion ist nach § 959 BGB neben der tatsächlichen Besitzaufgabe die Absicht, auf das Eigentum zu verzichten. Hier kommt es darauf an, ob man aus der Übergabe von PPK-Material an einen Entsorger konkludent auf diese Absicht des Endverbrauchers schließen kann.
Soweit zu dieser Frage im Zusammenhang generell mit dem „Wegwerfen“ von Abfall Stellung genommen wird, wird ein Eigentumsaufgabewille verneint. Zur Begründung wird u. a. darauf abgestellt, dass derjenige, der Abfall entsorge, mit einer Aneignungsmöglichkeit jeder beliebigen Person nicht einverstanden wäre, etwa weil möglicherweise vertrauliche Unterlagen entsorgt worden sein könnten oder, weil er nicht will, dass Dritte aus seinen Abfällen Rückschlüsse über sein Konsumverhalten ziehen (so Grziwotz, MDR 2008, 726 f.; vgl. auch zu anderen Ansätzen Schink, Eigentum an Verpackungsabfällen, S. 11 ff.). Vorliegend bedarf es dieser Erwägungen insofern nicht, als bei den Vereinssammlungen und beim PPK-Material noch weitere Aspekte hinzukommen: Von demjenigen, der das PPK-Material einem Entsorger übergibt, kann man bei lebensnaher Auslegung annehmen, dass er weiß, dass dieses Material bei ordnungsgemäßer Entsorgung wiederverwertet wird, und dass er dies grundsätzlich auch will. Bei den hier streitgegenständlichen „Vereinssammlungen“ ist seine Besitzaufgabe in Form der Übergabe des PPK-Materials an den sammelnden Verein deshalb mit der Erwartung verbunden, dass durch diese Übergabe eine ordnungsgemäße Wiederverwertung des PPK-Materials gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass der Endverbraucher die Erwartung haben wird, dass der sammelnde Verein nicht ohne Gegenleistung tätig wird, sondern aus der Sammlung des Papiers einen wirtschaftlichen Vorteil in Form einer Prämie o. ä. erlangt, auch wenn er nicht näher weiß, wie dieser wirtschaftliche Vorteil praktisch realisiert wird. Er wird also, wenn er sich die Mühe macht, das Altpapier und das Verpackungsmaterial zu sammeln, zu bündeln und für den Verein zu der verabredeten Zeit bereitzustellen, nicht damit einverstanden sein, dass ein beliebiger Dritter das Altpapier wegnimmt und es damit dem sammelnden Verein entzieht. Die Absicht, auf das Eigentum zu verzichten und damit eine Aneignung durch jeden beliebigen Dritten zu ermöglichen (§ 958 I BGB), wird man deshalb zu verneinen haben (ebenso im Ergebnis Schink, Eigentum an Verpackungsabfällen, S. 14 f.).“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.10.2014 - 12 U 28/14)
3. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1 BGB
Möglicherweise hat K das Eigentum durch Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB von den privaten Endverbrauchern erlangt. Dazu müssten sich K und die jeweiligen Endverbraucher über den Eigentumsübergang geeignet haben. Zudem müssten die Endverbraucher das Material an K übergeben haben.
a. Einigung
Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, dessen Zustandekommen sich nach den allgemeinen für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln richtet (§§ 145 ff. BGB). Erforderlich sind deshalb zum einen ein Übereignungsangebot des bisherigen Eigentümers und zum anderen eine Annahme dieses Angebots durch den Erwerber. Ob der Einigungswille vorhanden ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften (§§ 133, 157 BGB).
aa) Angebot der Endverbraucher
Fraglich ist zunächst, ob in dem Bereitstellen des gebündelten Altpapiers zum Abholen ein konkludentes Angebot der Endverbraucher auf Übereignung der PPK-Verpackungen an K liegt.
Dagegen spricht zunächst, dass K selbst gegenüber den Endverbrauchern nicht auftritt. Vielmehr wird die Abholung durch von dem Landkreis L beauftragte Vereine durchgeführt. Es ist nicht anzunehmen, dass der typische Endverbraucher Kenntnisse über das abfallrechtliche System der Entsorgung und Wiederverwertung der PPK-Verpackungen, geschweige denn über die Existenz der K als „Systembetreiberin“ gemäß der Verpackungsverordnung hat. Näher liegt daher ein Angebot auf Übereignung an die sammelnden Vereine. So hat das OLG Stuttgart ausgeführt:
„Aus der Übergabe des PPK-Materials an den sammelnden Verein kann ein konkludentes Angebot auf Übereignung des Abfalls an die Klägerin nicht gesehen werden, weil nicht davon auszugehen ist, dass ein typischer Endverbraucher irgendwelche Kenntnisse hinsichtlich der Existenz und abfallrechtlichen Funktion der Klägerin als „Systembetreiberin“ gemäß der Verpackungsverordnung hat. Man wird bei lebensnaher Betrachtung aus Empfängersicht davon auszugehen haben, dass ein Endverbraucher nicht weiß, dass die Klägerin, die bei der Entsorgung selbst in keiner Weise gegenüber dem Verbraucher oder sonst wie nach außen auftritt, hinsichtlich des PPK-Materials - anders als beim gleichzeitig eingesammelten sonstigen „Papiermüll“ - besondere abfallrechtliche Pflichten treffen, dass also die Vereine das PPK-Material - anders als den übrigen Papiermüll - möglicherweise mittelbar in Erfüllung von Pflichten der Klägerin sammeln. Man wird deshalb die Übergabe von PPK-Material an die sammelnden Vereine nicht im Wege der Auslegung als Angebot auf Übereignung des Materials an die Klägerin auffassen können.“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.10.2014 - 12 U 28/14)
Dem tritt der BGH bei:
„Zwar kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die PPK-Verpackungen speziell an die Klägerin zu Eigentum übertragen werden sollen. Die Klägerin tritt hiernach nämlich bei der Entsorgung in keiner Weise gegenüber dem Verbraucher oder sonst nach außen auf.“
Denkbar ist aber, die Bereitstellung der PPK-Verpackungen nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, als ein Angebot auf Übereignung an eine dem Verbraucher nicht bekannte Person anzusehen. Dann könnte auch K als Systembetreiberin gemäß § 6 III VerpackV Adressat eines solchen Angebots sein. Dafür spricht, dass es dem Verbraucher in erster Linie darauf ankommt, dass seine Abfälle ordnungsgemäß verwertet werden und es ihm gleichgültig ist, wer dabei zivilrechtlich Eigentum erwirbt, zumal er keine vertieften Kenntnisse über das (komplizierte) „Entsorgungs- Wiederverwertungssystem“ hat. Das OLG Stuttgart hat die insofern widerstreitenden Argumente wie folgt dargestellt:
„Vorliegend spricht manches dafür, wie es das Landgericht getan hat, die Übergabe des Papierabfalls durch den Endverbraucher nicht als Angebot „an den, den es angeht“, sondern als Angebot auf Übereignung konkret an den sammelnden Verein, der ja nach dem mutmaßlichen Willen des Verbrauchers den Vorteil aus dem gesammelten Abfall ziehen soll, oder alternativ an den Beklagten aufzufassen, der die Wiederverwertung durchführt und damit in erster Linie eine ordnungsgemäße Wiederverwertung gewährleistet.
Der Endverbraucher dürfte aber andererseits auch keine Einwände haben, wenn der Beklagte, weil er aufgrund einer entsprechenden Einigung mit der Klägerin deren abfallrechtliche Pflichten hinsichtlich des PPK-Materials erfüllt, die Erklärung nur stellvertretend für die Klägerin annimmt. Es dürfte dem Endverbraucher in erster Linie darauf ankommen, dass seine Abfälle ordnungsgemäß verwertet werden; wer dabei zivilrechtlich Eigentum erwirbt, dürfte ihm gleichgültig sein. Die vom Beklagten angeführte Annahme, der Endverbraucher wolle das PPK-Material speziell an den Beklagten als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger übereignen, um damit einen Beitrag zur Senkung der Abfallgebühren zu leisten, erscheint fernliegend. Insofern erscheint es vertretbar, ein „Angebot an den, den es angeht“ unter Einschluss der Klägerin als Systembetreiberin anzunehmen.“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.10.2014 - 12 U 28/14)
Der BGH zeigt auf, dass diese Frage umstritten sei und nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles beantwortet werden könne:
„Allgemeingültige Aussagen lassen sich insoweit nicht treffen, vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, welcher Erklärungsgehalt dem Verhalten des Endverbrauchers zukommt (vgl. zu der Anwendung der Grundsätze des Geschäfts für den, den es angeht im Zusammenhang mit der Erfassung von Papierabfällen - bejahend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.12.2004 - VI-Kart 17/04 (V) , […] Rn. 58 f.; Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster, Beschl. v. 22.09.2009 - VK 16/09 , […] Rn. 100 ff.; ablehnend demgegenüber VG Köln, Urt. v. 02.08.2012 - 13 K 3234/11 , […] Rn. 58 f.; LG Hildesheim, Teilurt. v. 29.08.2014 - 4 O 247/13, […] Rn. 22 ff.; Schink, AbfallR 2013, 221, 236 ff.; Frenz, AbfallR 2009, 121 f.; Scharnewski, AbfallR 2012, 102, 105 ff.; Hartwig, VKS-News, April 2011, 5 ff.).“
Die Antwort auf diese Frage kann aber dahinstehen, wenn es jedenfalls an einer Annahme durch K fehlen würde.
bb) Annahme des Angebotes durch K
K selbst ist gegenüber den Endverbrauchern nicht aufgetreten und hat keine eigene Willenserklärung abgegeben. Möglicherweise ist K die Annahmeerklärung eines Stellvertreters nach § 164 I 1 BGB zuzurechnen.
Auch hier könnte der Grundsatz über das Geschäft an den, den es angeht, zur Anwendung kommen. Ein solches Geschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass der handelnde Bevollmächtigte nicht zu erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, aber für einen anderen aufgrund einer erteilten Vollmacht handeln will und es dem Geschäftsgegner gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt. Anerkannt ist dieses durch teleologische Reduktion des Offenheitsgrundsatzes (§ 164 II BGB) entwickelte Rechtsinstitut insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens, und zwar vor allem beim dinglichen Rechtserwerb. Für wen eine Übereignungsofferte “an den, den es angeht” angenommen werden soll, bestimmt sich hierbei allein nach dem Willen des Empfängers der Erklärung. Will dieser nicht für einen anderen, sondern für sich selbst Eigentum erwerben, scheidet ein Eigentumserwerb des anderen aus.
(1) Vertretung durch die sammelnden Vereine
Eine Vertretung durch die sammelnden Vereine scheide nach Ansicht des BGH aus. Es fehle hier an dem Willen der Vereine, die Annahme für K zu erklären:
„Soweit es um die sammelnden Vereine geht, folgt dies bereits daraus, dass sie in keiner Vertragsbeziehung zu der Klägerin stehen, sondern nur aufgrund von Absprachen mit dem Beklagten handeln, und dass ein verständiger Beobachter nicht davon ausgeht, dass die Vereine ihre Tätigkeit unentgeltlich erbringen. Hieraus schließt das Berufungsgericht zutreffend, dass der Verein entweder selbst Eigentum erwerben wolle, um sodann das Eigentum am Abfall an den Beklagten als seinem Auftraggeber gegen Entgelt weiter zu übereignen, oder aber bei dem Eigentumserwerb im Namen seines Auftraggebers, des Beklagten, handeln wolle.“
(2) Vertretung durch den Landkreis L, seinerseits vertreten durch die sammelnden Vereine
Denkbar ist schließlich, dass die sammelnden Vereine als Stellvertreter des Landkreises L tätig werden, der seinerseits als Stellvertreter der K handelt.
Gegen einen Willen des Landkreises L, das Eigentum an den PPK-Verpackungen für K erwerben zu wollen, spricht, dass es sei dem 01.01.2012 keine vertraglichen Beziehungen zwischen K und dem Landkreis gibt.
Der BGH geht zudem davon aus, dass sich auch aus der VerpackV nichts anderes ergibt:
„Richtig ist, dass der Verordnungsgeber die Aufgabe, gebrauchte Verkaufsverpackungen zu entsorgen, aus dem Bereich der öffentlichen Abfallentsorgung herausgenommen und auf die beteiligten Hersteller und Vertreiber übertragen hat (vgl. hierzu OLG Köln, Urt. v. 12.06.2007 - 24 U 4/06 , […] Rn. 56; VGH Mannheim, Urt. v. 24.07.2012 - 10 S 2554/10 , […] Rn. 85 m.w.N. [insoweit in ZUR 2012, 685 [VGH Baden-Württemberg 24.07.2012 - 10 S 2554/10] nicht abgedruckt]). Aus diesem Umstand kann die Klägerin aber nichts zu ihren Gunsten herleiten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte ungeachtet dieser Regelungen den - auch in diesem Rechtstreit eindeutig dokumentierten - Willen, selbst Eigentum an den eingesammelten PPK-Verpackungen zu erwerben. Ein Eigenerwerbswille des Erklärungsempfängers schließt einen Eigentumserwerb eines anderen aber selbst dann aus, wenn ein solcher Eigenerwerbswille sich im Innenverhältnis zu diesem als pflichtwidrig darstellen würde. Dies ist eine Folge des dem Eigentumserwerb gemäß §§ 929 ff. BGB zugrundeliegenden Abstraktionsprinzips (vgl. Senat, Urt. v. 12.01.1989 - V ZR 1/88, BGHZ 106, 253, 257 f. ; MüKoBGB/Oechsler, 6. Aufl., § 929 Rn. 8 ff.). Deshalb lässt sich der tatsächlich nicht vorhandene Wille des Beklagten, Eigentum für die Klägerin zu erwerben, entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht mit der Überlegung begründen, bei dem Eigenerwerbswillen des Beklagten handele es sich um eine protestatio facto contraria oder um ein treuwidriges Verhalten.“
Schließlich könne K sich auch nicht auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag berufen. Der Landkreis wolle die Aufgabe ausschließlich im eigenen Interesse wahrnehmen, weswegen es an dem notwendigen Fremdgeschäftsführungswillen fehle:
„Ohne Erfolg macht die Revision geltend, selbst bei Verneinung einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung habe der Beklagte zumindest im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag die Annahme der Übereignung mit Wirkung für die Klägerin erklärt. Denn eine Geschäftsführung für einen anderen setzt voraus, dass der Geschäftsführer das Geschäft nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes führt, dass er also in dem Bewusstsein und mit dem Willen handelt, zumindest auch im Interesse eines anderen tätig zu werden ( BGH, Urt. v. 25.04.1991 - III ZR 74/90 , BGHZ 114, 248, 249 f. ; RGZ 84, 390; RGRK/Steffen, BGB, 12. Aufl., vor § 677 Rn. 38; Soergel/Beuthien, BGB, 13. Aufl., § 677 Rn. 4; MüKoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 677 Rn. 6). Der Fremdgeschäftsführungswille fehlt, wenn der Geschäftsführer die Angelegenheit ausschließlich als eigene wahrnehmen will (RGZ 130, 310, 311; RGRK/Steffen, BGB, 12. Aufl., vor § 677 Rn. 38; Erman/Dornis, BGB, 14. Aufl., § 677 Rn. 7). So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der - auch nach außen hin geäußerte - Wille des Beklagten jedenfalls seit dem 01.01.2012, als die vertragliche Zusammenarbeit der Parteien bezüglich der einheitlichen Altpapiererfassung endete, darauf gerichtet, selbst Eigentum zu erwerben. Dieser erklärte Eigenerwerbswille des Beklagten schließt einen Fremdgeschäftsführungswillen aus.“
b. Übergabe
Überdies fehle es an einer Übergabe im Sinne von § 929 S. 1 BGB. Allgemein führt der BGH aus:
„Eine Übergabe setzt unter anderem voraus, dass der Erwerber unmittelbaren ( § 854 BGB ) oder mittelbaren ( § 868 BGB ) endgültigen Besitz an der Sache erlangt (vgl. Bamberger/Roth/Kindl, BGB, 3. Aufl., § 929 Rn. 26 ff.; jurisPK-BGB/Beckmann, 7. Aufl., § 929 BGB, Rn. 39). Da es sich hierbei um einen rein tatsächlichen Vorgang handelt, ist - anders als bei der Einigung eine Stellvertretung nicht möglich (Senat, Beschl. v. 16.09.2015 - V ZR 8/15 , Rn. 21 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Urt. v. 09.02.1955 - IV ZR 188/54 , BGHZ 16, 259, 263 ). Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Übergabe der Sache an einen Dritten eine Übereignung gemäß § 929 S. 1 BGB von vorneherein ausgeschlossen ist. Wenn der Dritte Besitzdiener ( § 855 BGB ), Geheißperson oder Besitzmittler des Erwerbers ist, gilt die Sache als vom Veräußerer an den Erwerber übergeben (vgl. speziell zu dem Geheißerwerb BGH, Urt. v. 08.11.1972 - VIII ZR 79/71 , NJW 1973, 141, 142; Urt. v. 09.11.1998 - II ZR 144/97 , NJW 1999, 425).“
Nach diesen Maßstäben sei eine Übergabe zu verneinen:
„Da es sich weder bei dem Beklagten noch den in seinem Auftrag die Erfassung des Altpapiers vollziehenden Vereinen um Besitzdiener oder Geheißpersonen der Klägerin handelt und sie selbst keinen unmittelbaren Besitz an dem Altpapier erlangt, käme eine Übergabe an die Klägerin nur in Betracht, wenn der Beklagte oder der sammelnde Verein als Besitzmittler der Klägerin anzusehen wäre. Dies scheitert indes an dem fehlenden Besitzmittlungswillen.“
III. Ergebnis
K hat kein Eigentum an den PPK-Verpackungen erworben.
C. Fazit
In der Vergangenheit hatte der BGH bereits Gelegenheit, sich mit der Eigentumslage an Pfandflaschen (Urt. v. 09.07.2007 - II ZR 233/05; siehe auch Urt. v. 13.11.2009 - V ZR 255/08, zur Erstattungsfähigkeit des Pfandbetrages) und Uran-Zylindern (Urt. v. 22.02.2010 – II ZR 286/07) zu befassen. Nun ging es also um „PPK-Verpackungen“. Auch diese Entscheidung ist lehrreich und prüfungsrelevant zugleich – unbedingt lesen!
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