BVerfG zu landesrechtlichen Regelungen über arbeitsfreie Samstage

A. Sachverhalt

M betreibt als ein Unternehmen der Möbelbranche bundesweit Verkaufsstellen, darunter eine in Erfurt, Thüringen.

Dieses Möbelhaus hat wochentags einschließlich samstags von 10:00 bis 19:00 Uhr und an verkaufsoffenen Sonntagen in der Regel von 13:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Dort sind insgesamt 125 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, davon 90 im Verkauf und zwölf im Kassenbereich. Insgesamt 44 % der Beschäftigten sind in Teilzeit tätig.

Die Vergütung im Verkauf erfolgt provisionsabhängig, wobei das Unternehmen eine monatliche und eine jährliche Mindestvergütung garantiert. Der höchste Umsatzanteil mit 45 % des wöchentlichen Umsatzes fällt auf den Samstag. Die Ursache hierfür ist, dass das Einkaufen von Einrichtungsgegenständen heutzutage weniger als notwendige Tätigkeit und auch nicht als Entscheidung Einzelner, sondern häufig als Freizeitbeschäftigung mit Erlebniswert für die ganze Familie angesehen wird. Aufgrund der starken Kundenfrequenz gibt es an Samstagen einen hohen Verkaufsberatungsbedarf. Daher sind im Betrieb in Erfurt samstags rund 80 Beschäftigte im Verkauf tätig, die aufgrund des Vergütungsmodells bei hohem Umsatz auch erhebliche Provisionsgewinne hätten erzielen können.

Nachdem durch die Föderalismusreform im Jahre 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses an die Länder übergegangen war, erließ Thüringen ein eigenes Ladenöffnungsgesetz (LadÖffG TH). Im Jahre 2011 fügte der Thüringische Gesetzgeber § 12 III in das LadÖffG TH ein. Die Norm lautet:

„1Arbeitnehmer in Verkaufsstellen dürfen mindestens an zwei Samstagen in jedem Monat nicht beschäftigt werden. 2Das für das Ladenöffnungsrecht zuständige Ministerium kann im Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuss des Landtags für bestimmte Personengruppen sowie in Einzelfällen Ausnahmen von Satz 1 durch Rechtsverordnung regeln. 3Bei der Häufigkeit der Arbeitseinsätze an Werktagen ab 20.00 Uhr sowie der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen hat der Arbeitgeber die sozialen Belange der Beschäftigten, insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu berücksichtigen.“

§ 17 IV Ladenschlussgesetz des Bundes (LadSchlG) sieht vor:

„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen können verlangen, in jedem Kalendermonat an einem Samstag von der Beschäftigung freigestellt zu werden.“

Nur in Mecklenburg-Vorpommern findet sich - wie in Thüringen in § 12 III LadÖffG - eine gegenüber § 17 IV LadSchlG strengere landesrechtliche Regelung.

M sieht sich durch § 12 III LadÖffG TH in ihren Grundrechten verletzt und erhebt unmittelbar Verfassungsbeschwerde gegen die Norm.

Hat die Verfassungsbeschwerde der M Aussicht auf Erfolg?

Anmerkung:

Art. 74 I Nr. 11 GG lautete in der bis zum 31.8.2006 geltenden Fassung:

„das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen)“

Art. 74 I Nr. 12 GG blieb unverändert.

B. Die Entscheidung des BVerfG (Urt. v. 14.1.2015, Az. 1 BvR 931/12)

Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

I. Zulässigkeit

Die Zuständigkeit des BVerfG folgt aus Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG.

§ 12 III LadÖffG ist als Akt der öffentlichen Gewalt – hier des Landesparlaments, welches nach Art. 1 III GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist – auch tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 I BVerfGG).

M müsste beschwerdebefugt sein (§ 90 I BVerfGG). § 12 III LadÖffG betrifft M selbst, gegenwärtig und unmittelbar. M betreibt eine Verkaufsstelle in Thüringen, sodass die Regelung auf sie Anwendung findet. Sie darf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - anders als vor 2011 - nicht an mehr als zwei Samstagen im Monat im Verkauf einsetzen; eines weiteren Vollzugsaktes bedarf die Norm nicht (sog. self-executing Norm).

Ein Rechtsweg gegen § 12 III LadÖffG als formelles Gesetz besteht nicht. § 90 II BVerfGG hat im Rahmen von Verfassungsbeschwerden gegen formelle Gesetze keinen Anwendungsbereich.

Über die Rechtswegerschöpfung nach § 90 II BVerfGG hinaus fordert das BVerfG, dass der Beschwerdeführer vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (Grundsatz der Subsidiarität). Insofern führt das BVerfG aus:

„Daher ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden kann. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 123, 148 <172> m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte aber ausnahmsweise verneint, wenn sie nicht zumutbar ist, weil dies offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre. Dies kann der Fall sein, wenn der Misserfolg eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von vornherein feststeht, weil die Norm der Verwaltung keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumt (vgl. BVerfGE 123, 148 <172>). Wirft ein Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen auf, die das Bundesverfassungsgericht letztlich zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, ist die vorherige Nutzung fachgerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten auch im Hinblick auf einen in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht effektiven Rechtsschutz nicht zumutbar (vgl. BVerfGE 123, 148 <172 f.> m.w.N.). Außerdem verlangt der Grundsatz der Subsidiarität nicht, dass Betroffene vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden Ahndung aussetzen müssen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können (vgl. BVerfGE 81, 148 <82 f.>; 97, 157 <165>).“

Danach musste M vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde keinen fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen:

„Zwar ist ein Verstoß gegen § 12 III 1 LadÖffG weder straf- noch bußgeldbewehrt, doch normiert § 12 III LadÖffG ein unmittelbar geltendes Beschäftigungsverbot ohne jeden Auslegungsspielraum. Die Beschwerdeführerin müsste bewusst gegen dieses gesetzliche Verbot verstoßen, um Unterlassungsverfügungen gemäß § 13 II LadÖffG und in der Folge wohl auch Zweifel an ihrer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zu provozieren. Auch ist hier mangels Auslegungsspielraums nicht ersichtlich, dass die weitere Fallanschauung der Fachgerichte die Entscheidungsgrundlage des Bundesverfassungsgerichts verbessern könnte. Im Mittelpunkt der Verfassungsbeschwerde stehen Fragen der Gesetzgebungskompetenz, deren Klärung ohnehin letztlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist.”

II. Begründetheit

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit M in ihren Grundrechten verletzt ist.

1. Art. 12 I GG

a. Eingriff in den Schutzbereich

Der sachliche (einheitliche) Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG gewährleistet das Recht der freien Wahl und Ausübung von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte, wobei unter Beruf jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage verstanden wird. § 12 III LadÖffG TH beschränkt den Einsatz der von M beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen am Samstag. Dadurch beschränkt die Norm die arbeitsrechtlichen Befugnisse der M gegenüber ihren Beschäftigten (vgl. § 106 GewO, wonach der Arbeitgeber u.a. Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen kann). Darin liegt ein imperativer Eingriff in die nach Art. 12 I GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der M.

b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Möglicherweise ist der Eingriff gerechtfertigt. Die Berufsausübungsfreiheit ist nicht schrankenlos gewährleistet. Vielmehr sieht Art. 12 I 2 GG einen Regelungsvorbehalt vor. Davon müsste der Thüringische Gesetzgeber durch § 12 III LadÖffG TH ordnungsgemäß Gebrauch gemacht haben. Das setzt voraus, dass die Norm formell verfassungsgemäß zustande gekommen ist (aa). Zudem muss die Vorschrift verhältnismäßig sein (bb).

aa. Formelle Verfassungsmäßigkeit von § 12 III LadÖffG

Anhaltspunkte für Mängel des Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht. Fraglich ist aber, ob dem Land Thüringen die Kompetenz für den Erlass von § 12 III LadÖffG zusteht.

(1) Zuständigkeit der Länder

Gem. Art. 70 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Für die Gesetzgebungsmaterie des Ladenschlusses sind nach Art. 70 I GG die Länder zur Gesetzgebung befugt, weil Art. 74 I Nr. 11 GG das „Recht des Ladenschlusses“ ausdrücklich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes entzieht. Fraglich ist, ob es sich bei § 12 III LadÖffG um eine Regelung handelt, die dem Recht des Ladenschlusses zuzuordnen ist. Immerhin macht sie keine Vorgaben zu den Öffnungszeiten der Verkaufsstelle, sondern zu Arbeitszeiten. Und das Arbeitsrecht, zu dem auch das Arbeitszeitrecht zählt, ist gem. Art. 74 I Nr. 12 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Es stellt sich also die Frage der Abgrenzung zwischen der Kompetenz für das Recht des Ladenschlusses und für das Arbeitszeitrecht.

Zunächst stellt das BVerfG die allgemeinen Anforderungen an die Auslegung von Kompetenznormen und die Zuordnung von Gesetzesmaterien zu Kompetenznormen dar:

„a) Die Systematik des Grundgesetzes fordert im Sinne einer möglichst eindeutigen vertikalen Gewaltenteilung eine strikte, dem Sinn der Kompetenznorm gerecht werdende Auslegung der Art. 70 ff. GG (vgl. BVerfGE 12, 205 <228 f.>; 15, 1 <17>; 26, 281 <297 f.>; 42, 20 <28>; 61, 149 <174>; 132, 1 <6 Rn. 19>).

aa) Für die Zuweisung einer Gesetzgebungsmaterie an Bund oder Länder ist der in Betracht kommende Kompetenztitel anhand des Wortlauts, historisch, systematisch und mit Blick auf den Normzweck auszulegen (vgl. BVerfGE 109, 190 <212>). Dabei ist insbesondere das Gewicht der historischen Interpretation von der Struktur und Ausformung des Kompetenztitels abhängig. Die Regelungsgeschichte des jeweiligen Normbestandes ist weniger relevant, wenn die Kompetenzmaterie einen Lebenssachverhalt benennt, und maßgeblicher, wenn die Regelungsmaterie normativ-rezeptiv einen vorgefundenen Normbereich aufgegriffen hat; dann kommt dem Gesichtspunkt des Traditionellen oder Herkömmlichen wesentliche Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 3, 407 <414 f.>; 61, 149 <175>; 97, 198 <219>; 106, 62 <105>; 109, 190 <213>; 134, 33 <55 Rn. 55>). Hat der Verfassungsgeber also eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie als solche nachvollziehend im Kompetenztitel benannt, ist davon auszugehen, dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznormen bestimmt (vgl. BVerfGE 109, 190 <218>).

bb) Bei der Zuordnung von Gesetzesmaterien zu Kompetenznormen dürfen die einzelnen Vorschriften eines Gesetzes allerdings nicht isoliert betrachtet werden. Ausschlaggebend ist vielmehr der Regelungszusammenhang. Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der Kompetenzträger nicht zuständig ist, kann nur dann gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint (vgl. BVerfGE 97, 228 <251 f.>; 97, 332 <342 f.>; 98, 265 <299>). Daneben kann eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz als Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bestehen. Sie stützt und ergänzt eine zugewiesene Zuständigkeit, wenn die entsprechende Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen unerlässliche Voraussetzung für die Regelung der zugewiesenen Materie ist (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>; 98, 265 <299>). Ein solcher Sachzusammenhang kann auch eine Kompetenz der Länder begründen (vgl. BVerfGE 7, 29 <38 ff.>; 28, 119 <145 ff.>).“

Geht man vom Wortlaut des Art. 74 I Nr. 11 GG aus, wird mit dem Begriff „Ladenschluss“ der gesetzlich geregelte Rahmen der täglichen Verkaufszeit in Einzelhandelsgeschäften umschrieben. Beschäftigungsbedingungen sind dem gängigen Wortsinn nach hiervon nicht umfasst. § 12 III LadÖffG wäre danach der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 I Nr. 12 GG zuzuweisen.

Das wird durch eine historische Auslegung bestätigt. Das LadSchlG des Bundes beruhte schon immer auf zwei Kompetenztiteln, nämlich Art. 74 I Nr. 11 GG a.F. und Art. 74 I Nr. 12 GG, weil es nicht nur die Ladenöffnungszeiten regelte, sondern auch Arbeitsschutzaspekte behandelte (bspw. § 17 LadSchlG). Der verfassungsändernde Gesetzgeber hatte im Rahmen der Föderalismusreform ausschließlich die handelsbezogenen Aspekte des Ladenschlussrechts im Blick, weswegen das Recht des Ladenschlusses von Art. 74 I Nr. 11 GG ausgenommen wurde, Art. 74 I Nr. 12 GG aber unverändert blieb. Es spricht nichts dafür, dass auch die Arbeitsschutzaspekte der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes entzogen werden sollten.

(2) Zuständigkeit der Länder kraft Sachzusammenhangs

Das BVerfG lehnt auch eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ab:

„Zwar liegt es nicht fern, auch die Arbeitszeit zu regeln, wenn der Ladenschluss normiert wird. Doch genügen reine Zweckmäßigkeitserwägungen zur Begründung von Gesetzgebungskompetenzen aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs nicht (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>). Notwendig ist vielmehr, dass das Übergreifen in den Kompetenzbereich des Bundes für den Arbeitsschutz unerlässlich ist, um eine Regelung des Ladenschlusses verständigerweise treffen zu können. Daran fehlt es hier. Arbeitszeitrechtliche Regelungen erfassen weite Teile des Arbeitslebens und sind nicht ladenschlussspezifisch. Ein verfassungsrechtlicher Schutzauftrag für Sonn- und Feiertage ist hier nicht einschlägig (dazu BVerfGE 125, 39 <80 ff.>; SächsVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - Vf. 77-II-11 -, juris, Rn. 98).“

(3) konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Damit fällt die Regelung in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 74 I Nr. 12 GG). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 I GG). Auf die Subsidiaritätsklausel des Art. 72 II GG kommt es hier nicht an, weil Art. 74 I Nr. 12 GG davon nicht erfasst ist.

Fraglich ist also, ob der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat. Immerhin findet sich in § 17 IV LadSchlG eine Regelung, wonach Beschäftigten ein Freistellungsanspruch für wenigstens einen Samstag im Monat zusteht. § 12 III LadÖffG TH geht darüber hinaus: Einerseits betrifft sie nicht nur einen, sondern zwei Samstage im Monat. Andererseits vermittelt die Norm den Beschäftigten nicht nur einen Freistellungsanspruch. Sie verbietet die Beschäftigung. Und das selbst dann, wenn die Beschäftigten arbeiten wollten.

Das BVerfG kommt zu dem Ergebnis, dass § 17 IV LadSchlG keine abschließende Regelung enthalte:

„Die bundesgesetzliche Norm beschränkt nach ihrem Wortlaut den Freistellungsanspruch auf einen Samstag im Kalendermonat, legt aber objektiv nicht ausdrücklich fest, dass dies als abschließende Vorgabe für eine diesbezüglich zwingende Arbeitszeitregelung zu verstehen ist. Ein Anhaltspunkt, dass der Freistellungsanspruch auf genau einen Samstag begrenzt sein soll, ist der Regelung nicht zu entnehmen. Insofern lässt sich die Regelung auch als eine bloße Minimalgarantie verstehen. Ausweislich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit im Deutschen Bundestag zur Erweiterung der Ladenöffnungszeiten am Samstag sollte ein gesetzlicher Anspruch eingeführt werden, der „zumindest einen arbeitsfreien Samstag im Monat ermöglichen soll“ (BTDrucks 15/591, S. 2).

Die Regelung des § 17 Abs. 4 LadSchlG bezieht sich, wird er im Zusammenhang mit den übrigen arbeitszeitrechtlichen Vorgaben des § 17 LadSchlG betrachtet, zudem erkennbar auf die damals geltenden bundeseinheitlichen Bestimmungen zum Ladenschluss. Dieser Normenkomplex ist jedoch als Grundlage für die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben im Wege der Föderalismusreform entfallen. Auch das steht der Annahme entgegen, es liege unter den Bedingungen der heutigen Kompetenzverteilung eine klar erkennbare abschließende Bundesregelung vor.

Die Regelungsgeschichte spricht ebenfalls nicht für eine eindeutig abschließende Regelung des Bundes, die eine Regelung der Länder sperren würde. Vorgaben zur Arbeitszeit finden sich seit jeher in mehreren gesetzlichen Regelungen. So gelten neben dem Arbeitszeitgesetz des Bundes besondere Vorschriften für Jugendliche im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und Sonderregelungen für werdende und stillende Mütter im Mutterschutzgesetz (MuSchG). Desgleichen ist § 17 LadSchlG eine Sonderregelung für Verkaufsstellen des Einzelhandels. Da der Bund für diese bis zur Föderalismusreform eine Regelungskompetenz besaß, ohne dass die Länder daneben über eine solche Kompetenz verfügten, kam es auf den Charakter der Regelung im Verhältnis zu eventuell unterschiedlichen Vorstellungen der Länder überhaupt nicht an.“

Danach steht Thüringen die Kompetenz für den Erlass von § 12 III LadÖffG zu. Für sonstige Mängel im Gesetzgebungsverfahren sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

bb. Verhältnismäßigkeit

Die Vorschrift müsste auch verhältnismäßig sein, also geeignet, erforderlich und angemessen.

Bekanntlich hat das BVerfG zur berufsfreiheitsspezifischen Strukturierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung die sog. Drei-Stufen-Theorie entwickelt:

Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er eine reine Berufsausübungsregel trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, sondern nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben. Sie können durch jede vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein.

Die Regelung subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme, die den Zugang zum Beruf nur den in bestimmter – und zwar meist formaler – Weise qualifizierten Bewerbern freigibt (subjektive Berufszulassungsbeschränkungen), kann gerechtfertigt sein, wenn sie zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes erforderlich ist.

Anders liegt es bei der Aufstellung objektiver Bedingungen für die Berufszulassung; ihre Erfüllung ist dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen (objektive Berufszulassungsbeschränkungen). Im Allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl rechtfertigen können.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei § 12 III LadÖffG um eine Berufsausübungsregelung. Sie regelt nicht das „Ob“ der Berufsausübung, sondern das „Wie“. Zusammenfassend zu den Anforderungen an die Rechtfertigung solcher Eingriffe auf “niedrigster Stufe” führt das BVerfG aus:

„Regelungen, die die Berufsausübung einschränken, sind verfassungsgemäß, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind (vgl. BVerfGE 111, 10<32>; 121, 317 <346>; stRspr). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (vgl. BVerfGE 103, 293 <307>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842/11 und 1 BvR 1843/11 –, juris, Rn. 79 m.w.N.).

Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit muss den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung von Freiheitsrechten genügen, die umso strenger ausfallen, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann, während Beschränkungen allein der Berufsausübung eher zu rechtfertigen sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Die Eingriffsmittel dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein, so dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 121, 317 <346> m.w.N.).“

Zunächst ist also herauszuarbeiten, welchen Zweck die angegriffene Norm verfolgt. § 12 III LadÖffG zielt auf den Arbeitsschutz und den Schutz der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie und damit auf Gemeinwohlbelange, die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen vermögen. Der Gesetzgeber will so auf die mit den Ausweitungen der Ladenöffnungszeiten verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Einzelhandel reagieren, die sowohl die Gesundheit wie das Familienleben beeinträchtigen. Die mit der Liberalisierung des Ladenschlusses verbundene Zunahme von Wochenendarbeit verlagere Arbeit in Zeiten, die der physiologischen Erholung und der sozialen Teilhabe dienen; die beschränkte Einsatzmöglichkeit an Samstagen bezwecke insofern, dem Personal möglichst weitgehend ein zusammenhängendes arbeitsfreies Wochenende zu sichern und die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern (vgl. ThürLTDrucks 5/3191, S. 9).

Die Regelung ist auch geeignet, die mit ihr verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zusteht. Das BVerfG führt aus:

„Hier liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber die Regelung für die Verfolgung seiner Ziele nicht für erforderlich halten durfte, weil sie unter verschiedenen gleich geeigneten Möglichkeiten nicht die am wenigsten belastende sei (vgl. BVerfGE 102, 197 <217>). Nach der weitgehenden Freigabe der Ladenschlusszeiten sichern die ladenschlussrechtlichen Regelungen allein jedenfalls kein arbeitsfreies Wochenende. Die angegriffene Regelung garantiert Beschäftigten in regelmäßigen, kürzeren Abständen demgegenüber ein vollständig freies Wochenende für Erholung, ein gemeinsames Familienleben und soziale Teilhabe (vgl. BVerfGE 125, 39 <82 f., 85 ff.>). Die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG bestehende Möglichkeit, Arbeitszeit betrieblich zu regeln, ist nicht gleich geeignet, dieses Ziel für alle zu erreichen; darauf hat der Gesetzgeber keinen Einfluss und ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gibt es auch nur in Betrieben, in denen ein Betriebsrat gebildet ist. Gleiches gilt für tarifvertragliche Regelungen, die eine Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit voraussetzen.“

Nach Auffassung des BVerfG ist die Regelung auch angemessen:

„Die Regelung ist angemessen. Die Berufsausübungsfreiheit wird durch § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG nur geringfügig beschränkt. Sie hindert die betroffenen Unternehmen nicht etwa daran, ihre Geschäfte an umsatzstarken Samstagen zu öffnen. Allerdings erzwingt sie organisatorische Vorkehrungen in personeller Hinsicht. Damit entstehen für die Unternehmen voraussichtlich Kosten. Auch können sich Umsatzeinbußen ergeben, wenn nicht alle erfahrenen Fachkräfte an allen besonders frequentierten Samstagen als Einkaufstag zur Verfügung stehen. Deren Einsatz hängt jedoch nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin mit davon ab, dass die unternehmerische Lohngestaltung den Verdienst bislang in erster Linie an Verkaufsprovisionen koppelt; wäre mit der Freistellung an zwei Samstagen kein besonderer Verdienstverlust verbunden, wäre auch eine andere Einsatzmotivation und Einsatzplanung des Personals zu erwarten. Es ist auch insofern nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne, wenn der Gesetzgeber die erheblichen Belange des Schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als überwiegend erachtet. Vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und der Ausweitung von Ladenöffnungszeiten kann der Gesetzgeber der Möglichkeit zur Erholung und sozialen Teilhabe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsprechend große Bedeutung beimessen. Insofern müssen sich Regeln zur Freistellung an Samstagen auch an der aus Art. 6 Abs. 2 GG resultierenden Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten von Familien mit Kindern orientieren, wonach der Gesetzgeber dafür Sorge tragen muss, dass Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander vereinbar sind (vgl. BVerfGE 88, 203 <260>). Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die angegriffene Regelung in Familien nicht nur die erwünschten positiven Wirkungen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat, sondern auch negative Effekte, da sie einer flexiblen Aufteilung von Betreuungsaufgaben im Wege stehen kann. Der Gesetzgeber hat insofern auch mögliche faktische Diskriminierungen zu berücksichtigen, die von Schutzgesetzen zugunsten von Frauen ausgehen können (vgl. BVerfGE 85, 191 <209>; 109, 64 <90>). Vorliegend überschreitet der Gesetzgeber seinen Ausgestaltungsspielraum jedoch nicht, wenn er zur Arbeitszeit im Handel an Wochenenden normativ begrenzte Vorgaben macht.“

2. Art. 3 I GG

Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz kann das BVerfG ebenfalls nicht erkennen. Art. 3 I GG schützt nicht vor einer Ungleichbehandlung durch unterschiedliche öffentliche Stellen (hier durch verschiedene Bundesländer):

„Die angegriffene Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, weil in anderen Bundesländern geringere Beschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Samstagen bestehen. Der Gleichheitssatz wird nicht verletzt, wenn ein Landesgesetzgeber innerhalb seines Kompetenzbereiches von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen trifft, auch wenn dadurch die Einwohnerinnen und Einwohner seines Landes mehr belastet oder begünstigt werden (vgl. BVerfGE 32, 346 <360>; 33, 224 <231>; stRspr). Vielmehr sind unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Ländern verfassungsrechtlich nicht nur möglich, sondern sogar gewollt, denn die Ermöglichung von Vielfalt ist ein wesentliches Element des Bundesstaats (vgl. BVerfGE 134, 1 <21 Rn. 61>). Daneben ist eine branchenspezifische Ungleichbehandlung innerhalb des Landes nicht ersichtlich.“

3. Art. 9 III GG

Schließlich liegt keine Verletzung des Grundrechts der Tarifautonomie vor:

„Art. 9 Abs. 3 GG schützt koalitionsspezifische Betätigungen (vgl. BVerfGE 84, 212 <224>) und der Staat überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen (vgl. BVerfGE 94, 268 <283>). Es ist jedoch weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die hier angegriffene Regelung einen Handlungsrahmen stecken würde, der die Koalitionsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen würde.“

III. Ergebnis

Die Verfassungsbeschwerde der M ist zulässig, aber unbegründet. Sie hat keinen Erfolg.

C. Fazit

Eine Entscheidung, die Probleme in der Zulässigkeit (Grundsatz der Subsidiarität), der formellen (Gesetzgebungskompetenz) und materiellen Verfassungsmäßigkeit (Verhältnismäßigkeit) eines Gesetzes aufwirft. Noch dazu betrifft sie mit der Berufsfreiheit eines der prüfungsrelevantesten Grundrechte. Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Entscheidung in Prüfungsaufgaben einfließt. Zur konkurrierenden Gesetzgebung, dort vor allem zur sogenannten Subsidiaritätsklausel des Art. 72 II GG, hat sich kürzlich das BVerfG auch in seiner Entscheidung zum sogenannten Betreuungsgeld geäußert (Urteil vom 21.7.2015, Az. 1 BvF 2/13).