
Die Versammlungsfreiheit im Freien gewährt kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insb. gewährt sie dem Bürger keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Demgegenüber verbürgt Art. 8 I GG die Durchführung von Versammlungen dort, wo praktisch ein allgemeiner öffentlicher Verkehr stattfindet, nicht aber in eingefriedeten, nicht für die Allgemeinheit geöffneten Anlagen.
Dazu bringen wir aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung des letzten Jahres:
OVG Lüneburg 20.04.2024 – 4 ME 77/24 – Autobahn
Anzeige einer Fahrraddemonstration für einen Sonntag ab 13:00 Uhr mit einer zu erwartenden Teilnehmerzahl von 200 bis 300 Personen unter dem Motto: „Fahrrad fahr’n statt Autobahn – A 39 stoppen… Platz für Leben statt für Autos“. Mit Bescheid vom … bestätigte die Versammlungsbehörde die angemeldete Versammlung, untersagte aber in Ziffer I. 1. die Inanspruchnahme der A 39 für die geplante Dauer von 7 Stunden zwischen den Anschlussstellen ….
Dazu das OVG Lüneburg 20.04.2024 – 4 ME 77/24:
„Zwar schließt die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Kraftfahrzeugverkehr deren Nutzung für Versammlungszwecke nicht generell aus….Autobahnen sind … jedoch nicht dem kommunikativen Verkehr zu dienen bestimmt. Vielmehr sind sie gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 FStrG nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt…Eine Überlagerung der rechtlichen Nichtöffnung von Autobahnen als nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmte Fernstraßen für den allgemeinen kommunikativen Verkehr kommt nur ausnahmsweise in den Fällen in Betracht, in denen die Wahl einer Autobahn als Versammlungsort für eine effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit unabdinglich ist …. Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, ob die beabsichtigte Nutzung einer Autobahn einen direkten Bezug zum Versammlungsthema hat…Je konkreter ein örtlicher bzw. thematischer Bezug zur Autobahn bzw. zu einem bestimmten Autobahnabschnitt ist, desto eher vermag das Versammlungsrecht das Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ausnahmsweise zu verdrängen…Darüber hinaus kommt es maßgeblich darauf an, welche Gefahren durch die beabsichtigte Nutzung einer Autobahn für die Versammlungsteilnehmer und andere Verkehrsteilnehmer entstehen, insbesondere ob aufgrund der Versammlung die Gefahr von Verkehrsunfällen besteht, wie lange und wie intensiv die Beeinträchtigungen und die Gefahren für die anderen Verkehrsteilnehmer sind, welche Verkehrsbedeutung dem betroffenen Autobahnabschnitt zukommt, mit welchem Verkehrsaufkommen im Zeitpunkt der Versammlung zu rechnen ist, inwieweit den durch eine Versammlung auf einer Autobahn begründeten Gefahren durch ein Sicherungskonzept begegnet werden kann und ob zumutbare und praktikable Umleitungsmöglichkeiten bestehen, die die Gefahren und die Beeinträchtigungen ausreichend reduzieren können.“
Die Behörde sei mit ihrer versammlungsrechtlichen Auflage zu Recht davon ausgegangen, dass die Durchführung der Versammlung dem Abschnitt der A 39 den Verkehr über ca. 7 Stunden, also über einen relativ langen Zeitraum, intensiv beeinträchtigen würde, dieser erheblichen Beeinträchtigung nicht in ausreichendem Maße durch Umleitungsstrecken und Verkehrslenkungskonzepte begegnet werden könnte und sich dadurch Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer deutlich erhöhen würden.
OVG Schleswig 30.05.2024 – 4 MB 14/24 Autobahn
Anmeldung einer Fahrrad-Demo auf einem Teilstück der A 23, um gegen den Bau der in der Nähe geplanten A 20 aus Gründen des Klimaschutzes zu demonstrieren.
Zur Rechtfertigung eines Verbots aus Gründen der Gefahrenabwehr nach dem VersammlG führt das OVG Schleswig (4 MB 14/24 – 30.05.2024) aus:
„Danach kann die zuständige Behörde die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Zur öffentlichen Sicherheit zählen neben der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung vor allem auch die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen. …. Gleichwohl schließt die spezifische Widmung der Autobahnen für den überörtlichen Verkehr deren Nutzung für Versammlungszwecke nicht generell aus. Bei öffentlichen Straßen, die allein dem Straßenverkehr gewidmet sind, ist den Verkehrsinteressen gegenüber innerörtlichen Straßen und Plätzen, bei denen die Widmung die Nutzung zur Kommunikation und Informationsverbreitung einschließt, jedoch eine erheblich größere Bedeutung beizumessen, sodass das Interesse des Veranstalters und der Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung einer solchen Straße in der Regel zurückzutreten hat. Eine Öffnung von Autobahnen für den allgemeinen kommunikativen Verkehr in Form einer Versammlung kommt nur ausnahmsweise in den Fällen in Betracht, in denen die beabsichtigte Nutzung einer Autobahn einen direkten Bezug zum Versammlungsthema hat und eine Abwägung des Rechts auf effektive Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit mit kollidierenden Rechtsgütern – unter Berücksichtigung von Umleitungsmöglichkeiten und anderen Maßnahmen, um die Gefahren und Beeinträchtigungen zu reduzieren – zugunsten der Ausübung der Versammlungsfreiheit auf der Autobahn ausfällt….“
Auch in diesem Verfahren haben die Gerichte die Rechtsschutzanträge zurückgewiesen.
VGH Kassel 27.09.2024 – 8 B 1843/24 Autobahn
A zeigte eine Versammlung mit Fahrrädern zu dem Thema „Kein Ausbau der A 5 auf 10 Spuren“ für Sonntag, den … in der Zeit von 14:00 bis 17:00 Uhr in Frankfurt am Main an. Unter „Sonstiges“ in der Anzeige heißt es: „Die Autobahn A 5 als Versammlungsort ist durch das Thema, die aktuellen Ausbaupläne der A 5 unmittelbar gegeben. Konkreter Anlass der Demonstration auf der A 5 ist die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie der Autobahn GmbH zum Ausbau der A 5 auf 10 Spuren am 03.06.2024.“
Zur Rechtfertigung eines Verbots nach dem VersammlG sieht der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Gefahrentatbestand des Versammlungsgesetzes erfüllt und überprüft das behördliche Verbotsermessen (27.09.2024 – 8 B 1843/24) wie folgt:
Die Behörde „hat im Rahmen des ihr … eingeräumten Ermessens in ihrer Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und dem Schutz der Rechte der Verkehrsteilnehmer zutreffend ein Überwiegen der letzteren angenommen….Dabei war zu berücksichtigen, dass aus Art. 8 Abs. 1 GG auch das Recht der Grundrechtsträger folgt, selbst über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung zu bestimmen…. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt dabei auch das Interesse des Veranstalters, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu erzielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort…Zwar besteht vorliegend ein enger Bezug zwischen geplantem Versammlungsort und dem Versammlungsthema, da sich die Machbarkeitsstudie gerade auf den für die Versammlung vorgesehenen Abschnitt der A 5 bezieht….Allerdings ist auch bei einem derart engen Bezug des Versammlungsthemas zum Versammlungsort das Recht des Versammlungsanmelders, Art und Ort selbst zu bestimmen, bei einer Kollision mit den Rechtsgütern Dritter durch deren Güter beschränkt. Bei der Angemessenheitsprüfung haben die Gerichte daher auch zu fragen, ob das Selbstbestimmungsrecht unter hinreichender Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit ausgeübt worden ist. …, denn insbesondere das Recht auf Sicherheit des Verkehrs, das auch den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beinhaltet, unterliegt ebenso wie das Recht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG einer besonderen Schutzpflicht des Staates…“
Angesichts der massiven Gefahren und Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer bei einer Nutzung der A 5 durch die geplante Versammlung, denen weder durch Umleitungen noch sonstige vorbeugende Maßnahmen effektiv begegnet werden kann, hat das Gericht einen Ausnahmefall, in dem die grundsätzlich ausgeschlossene Nutzung von Autobahnen für Versammlungen zulässig ist, vorliegend nicht angenommen.
OVG Berlin-Brandenburg 16.05.2024 – OVG 1 S 30/24 – Baumhaus
Es geht der A als Veranstalterin um ein auf zwei Monate angelegtes Protestcamp in einem Wald, der im Eigentum des Landes steht und sich in unmittelbarer Nähe einer Industrieansiedlung befindet. Unter dem Motto „Rettet den Wald“ richtet sich der Protest gegen die Erweiterung des Industriebetriebs „Tesla“. Genutzt werden dazu Baumhäuser sowie weitere Einrichtungen der Infrastruktur am Boden. Die Behörde verbietet die Errichtung und Nutzung von Baumhäusern unter Hinweis auf die bauordnungsrechtlichen und naturschutzfachlichen Gefahren, zumal nach dem BWaldG der Wald nur zu Erholungszwecken betreten werden darf.
Es ist davon auszugehen, „dass der von der A. für die Versammlung ausgewählte Standort dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfällt. Das Protestcamp befindet sich in einem Wald im Eigentum des Landes in unmittelbarer Nähe der Industrieansiedlung, gegen deren Erweiterung sich die Versammlung richtet. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Bundeswaldgesetz … ist jedermann das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung gestattet. Damit ist der Allgemeinheit zugleich ein Raum öffentlicher Kommunikation eröffnet. Die gesetzliche Beschränkung auf „Zwecke der Erholung“ ändert daran nichts, denn beides schließt sich nicht von vornherein aus. …. Zu Recht wird daher in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch der öffentlich zugängliche Wald als geeigneter Ort einer dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG unterfallenden Versammlung angesehen, ohne dass noch zwischen dem Wald und den ihn bildenden Bäumen unterschieden wird ….Eine infrastrukturelle Einrichtung eines – wie hier – als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG nicht nur dann, wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist, sondern auch dann, wenn sie für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist….Zu bedenken ist, dass sich die Begrenzungen für die Anwendung des allgemeinen Polizeirechts – nichts anderes gilt für das Sonderordnungsrecht (gemeint ist hier die LBauO) – auch und vor allem aus der Schutzwirkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ergeben und diese Schutzwirkung durch großzügigere Eingriffsbefugnisse im Sonderordnungsrecht nicht unterlaufen werden darf.“
Somit ist der versammlungsgesetzliche vorausgesetzte Gefahrentatbestand nicht erfüllt, sodass die Verbotsverfügung rechtswidrig ist.
OVG Münster 27.11.2024 – 15 B 1005/24 – Universitätsgelände
Das „Camp for Gaza“ ist ein Protestcamp, das seit Mai letzten Jahres auf einer Grünfläche an der Südwestseite des Hauptgebäudes auf Hochschulgelände durchgeführt wird. Damit sollen die Studenten und Beschäftigten auf die aktuelle Situation in Gaza aufmerksam gemacht werden unter Hinweis auf die – so die Veranstalter – Verstrickung der universitären Forschung in kriegerische Handlungen. Dabei werden auch verschiedenartige Veranstaltungen wie Filmabende, Diskussionsrunden und Workshops durchgeführt mit Bezug zum Versammlungsthema. In den Sommermonaten waren einzelne Protestrufe in einigen Vorlesungsräumen zu hören. In einem Kooperationsgespräch Anfang September wird deutlich, dass die Veranstaltung noch in den Winter durchgeführt werden soll, „bis sich die Verhältnisse in Palästina bessern“. Die Versammlungsbehörde untersagt die Fortführung der Versammlung auf der UniWiese ab 30. September, weil das Hochschulgelände nicht der Allgemeinheit gewidmet sei, akustische Störungen des Vorlesungsbetriebes nicht auszuschließen seien und eine Konfrontation mit jüdischen Studenten nicht auszuschließen sei. Zu recht?
Streitgegenstand ist eine Auflage nach dem Versammlungsgesetz, die darauf abzielt, für eine Versammlung auf dem Universitätsgelände eine zeitliche Begrenzung zu verfügen.
1. Die dafür erforderliche Annahme einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit folgt nicht daraus, dass das Hochschulgelände möglicherweise nicht – wie eine Straße – der uneingeschränkten Nutzung durch die Allgemeinheit gewidmet ist. Das OVG verweist dazu auf die „FraPort-Entscheidung“ des BVerfG (BVerfGE 128, 226), mit der erstmals die Versammlungsfreiheit auf „begrenzt öffentliche“ Flächen erweitert wurde.
a) In der Entscheidung des BVerfG (zitiert nach juris) hieß es:
Rn. 68 „Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob die Flächen sich in eigenen Anlagen befinden oder in Verbindung mit Infrastruktureinrichtungen stehen, überdacht oder im Freien angesiedelt sind. Grundrechtlich ist auch unerheblich, ob ein solcher Kommunikationsraum mit den Mitteln des öffentlichen Straßen- und Wegerechts oder des Zivilrechts geschaffen wird.“
b) Vergleichbar führt das OVG Münster für eine Uni-Wiese aus:
Rn. 13 „Die dem Veranstalter als Ausfluss der Versammlungsfreiheit zukommende Entscheidung über den Ort der Versammlung vermittelt als solche noch kein Benutzungsrecht über fremdes Eigentum, sondern setzt die Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen voraus. Die Versammlungsfreiheit verschafft mithin kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt sie keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Demgegenüber verbürgt die Versammlungsfreiheit die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies betrifft neben dem öffentlichen Straßenraum solche Stätten, in denen in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Ausschlaggebend ist die tatsächliche Bereitstellung des Ortes und ob nach diesen Umständen ein allgemeines öffentliches Forum eröffnet ist. Grundrechtlich ist unerheblich, ob der in Rede stehende Kommunikationsraum etwa mit den Mitteln des öffentlichen Straßen- und Wegerechts, sonstiger Vorschriften des öffentlichen Rechts oder des Zivilrechts geschaffen wird.“
2. Die durch Art. 8 I GG geschützte Versammlungsfreiheit rechtfertigt die Bestimmung des kommunikativen Anliegens bis hin zur Dauer einer Versammlung. Dies kann über das Versammlungsgesetz nur eingeschränkt werden, wenn Gefahren für bedeutsame Schutzgüter bevorstehen, die sich in der Abwägung zum Grundrecht als vorrangig erweisen (Art. 8 II GG). Das ist im gegebenen Sachverhalt nicht der Fall.
Die versammlungsrechtliche „Auflage“ ist rechtswidrig.
VG Karlsruhe 06.06.2024 – 1K 2588/24 – Gedenk- und Trauerstätte
Auf dem Marktplatz in Mannheim ist es am 31.05.2024 zu einer tödlichen Messerattacke gekommen, bei der ein AfD-Vertreter verletzt und ein Polizist getötet wurden. Zum Gedenken an diesen Vorgang plante die AfD für das Wochenende auf dem Marktplatz eine Versammlung unter dem Titel: „Den Gehilfen von islamischem Terror, Massenmigration und Linksextremismus in Ampel-Regierung und Medien den Stecker ziehen!”
Der sowohl nach allgemeinem Ordnungsrecht, aber auch nach Versammlungsrecht zuständige Oberbürgermeister (OB) hat durch Allgemeinverfügung den Marktplatz für das bewusste Wochenende zur Gedenk- und Trauerstätte bestimmt und zur Ermöglichung „eines stillen Innehaltens und pietätvollen Gedenkens … Veranstaltungen, Informationsstände und Versammlungen grundsätzlich untersagt“. Zu recht?
Dazu das VG Karlsruhe:
Rn. 22 „Die Versammlungsgesetze regeln als lex specialis die Befugnisse der Polizei und Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren, die typischerweise von der Ausübung der Versammlungsfreiheit ausgehen und die in die Versammlungsfreiheit eingreifen. Das bedeutet, dass ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht der Länder aus versammlungsrechtlichen Gründen unzulässig ist, wenn im jeweiligen Versammlungsgesetz eine Regelung getroffen wurde…. Die Versammlungsgesetze haben zudem Konzentrationswirkung und machen weitere Genehmigungen entbehrlich. Maßnahmen aufgrund der Befugnisse nach sonstigen Gesetzen sind deshalb nur zulässig, wenn sie entweder keinen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen, die Einschränkung der Versammlungsfreiheit lediglich zwangsläufige Nebenfolge einer sicherheitsrechtlichen Maßnahme ist oder wenn das Versammlungsgesetz keine Regelung enthält.
Rn. 23 Dies zugrunde gelegt, ist die Allgemeinverfügung, gleich auf welche rechtliche Grundlage sie auch gestützt werden sollte, jedenfalls an den versammlungsrechtlichen Maßstäben … zu messen. Die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG umfasst das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung und betont mit dieser Anerkennung der Versammlungsautonomie die Staatsfreiheit von Versammlungen … In das Recht der Wahl des Ortes der Versammlung wird mit dem Verbot von Versammlungen auf dem Marktplatz in Mannheim final eingegriffen. Dieses Recht steht auch der AfD als zugelassener und nicht verbotener Partei zu. Die für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierende Versammlungsfreiheit wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt …“.
Damit sperrt das Versammlungsgesetz das allgemeine Gefahrenabwehrrecht, auf das der OB offenbar seine Allgemeinverfügung gestützt hat.
Die Allgemeinverfügung ist rechtswidrig.
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