BGH zum Beweis- und Beweisermittlungsantrag

BGH zum Beweis- und Beweisermittlungsantrag

Ein Beweisantrag kann nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 244 III – V, 245 StPO durch Beschluss des Gerichts abgelehnt werden, ein Beweisermittlungsantrag hingegen durch den Vorsitzenden ohne die zuvor genannten Beschränkungen. Worin die beiden Anträge sich unterscheiden, hat der BGH mit der nachfolgend besprochenen Entscheidung deutlich gemacht.

A. Sachverhalt

Nach den Feststellungen des Landgerichts verband den Angeklagten und das 21-jährige spätere Tatopfer zeitweise eine Liebesbeziehung. Im Oktober 2022 fügte der Angeklagte der Geschädigten Gesichtsverletzungen zu. In den Folgemonaten fertigte er zu insgesamt sieben Gelegenheiten heimlich Videoaufnahmen von der Geschädigten an. Am Morgen des 19. Februar 2023 schließlich verletzte der Angeklagte die Geschädigte im Rahmen eines Beziehungsstreits, indem er sie würgte, drosselte oder ihr einen Schlag versetzte; dabei verursachte er durch das Abschneiden der Luftzufuhr bzw. einen durch den Schlag bedingten Sturz den Tod der Geschädigten. Die Leiche entsorgte er an einem unbekannten Ort.

In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung des Angeklagten für den Fall, dass das Gericht beabsichtige, den Angeklagten wegen eines Tötungsdelikts zu verurteilen, die Vernehmung der Zeugin Mü. zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte am 20. Februar 2023 ab 11:00 Uhr bis 14:00 Uhr die Heizung seiner Ehefrau in deren Wohnung in K. reparierte. Zur Begründung gab die Verteidigung an, dass die Zeugin entsprechende Angaben bei der Polizei gemacht habe. Die Aussage werde belegen, dass der Angeklagte in der oben genannten Zeit nicht etwa die Leiche des Tatopfers entsorgt haben könne. Nach dem zu den Verfahrensakten genommenen und mit der Revisionsbegründung vorgelegten Vernehmungsprotokoll des Polizeipräsidiums Ko. vom 31. März 2023 hatte die Zeugin gegenüber den vernehmenden Polizeibeamten bekundet, dass sie eine gute Freundin der Ehefrau des Angeklagten sei und diese ihr wenige Tage vor dessen Festnahme am Telefon erzählt habe, dass der Angeklagte ihre Heizung repariert habe und diese nunmehr wieder funktionstüchtig sei.

B. Lösung

Die Strafkammer behandelte den Hilfsbeweisantrag in den Urteilsgründen mangels Vortrags zur sogenannten Konnexität als Beweisermittlungsantrag und wies ihn zurück. Die Verteidigung habe nicht dargelegt, warum die Zeugin Mü. überhaupt etwas zur Tätigkeit des Angeklagten im benannten Zeitraum sagen könne; insbesondere sei unklar, ob sie während der behaupteten Heizungsreparatur vor Ort gewesen sei. Der BGH (Beschl. v. 01.10.2024 – 1 StR 299/24) bestätigte das Urteil insoweit.

Das Beweisantragsrecht ist eines der wesentlichen Mitwirkungsrechte des Angeklagten und seiner Verteidiger. Ein Beweisantrag kann nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 244 III – V, 245 StPO durch Beschluss des Gerichts abgelehnt werden, ein Beweisermittlungsantrag hingegen durch eine Verfügung des Vorsitzenden ohne die zuvor genannten Beschränkungen. Was ein Beweisantrag ist, kann § 244 III 1 StPO entnommen werden. Der BGH hat dazu Folgendes ausgeführt:

„Nach der Legaldefinition des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO …, ist von einem förmlichen Beweisantrag auszugehen, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Die letztgenannte Angabe betrifft das von der Rechtsprechung entwickelte und ausgeformte Erfordernis der sogenannten Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache, welches der Gesetzgeber ausdrücklich in das Gesetz aufnehmen wollte.“

Der Beweisantrag zeichnet sich damit durch 3 Merkmale aus:

  • bestimmt behauptete konkrete Tatsache,

  • bestimmt bezeichnetes Beweismittel und

  • Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache.

Bei einem Beweisermittlungsantrag fehlt es wenigstens an einem der drei genannten Merkmale. Da ein Beweisermittlungsantrag aber den Aufklärungshorizont des Gerichts erweitern kann, ist die Ablehnung eines solchen Antrags dann fehlerhaft, wenn das Gericht gegen seine, sich aus § 244 II StPO ergebende Aufklärungspflicht verstoßen hat.

Sowohl die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags als auch eines Beweisermittlungsantrags kann als relativer Revisionsgrund gem. § 337 StPO geltend gemacht werden. In der Regel beruht das Urteil dann auf dem zugrunde liegenden Verstoß.

Der BGH ist nun der Auffassung, dass der von der Verteidigung gestellte Antrag ein Beweisermittlungsantrag war, da die Konnexität nicht dargelegt worden sei. Er führt Folgendes dazu aus:

„Das Merkmal der Konnexität nach bisherigem wie nach neuem Recht fordert, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht, etwa wenn ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann. Nur dann, wenn ein solcher Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung sind dagegen nicht erforderlich.“

Da die Verteidigung keine Angaben zur Wahrnehmungskompetenz der Zeugin gemacht hatte, sondern nur auf ein Protokoll verwiesen hatte, dem aber ebenfalls nicht zu entnehmen war, in welchem Zeitrahmen die Reparaturarbeiten des Angeklagten stattgefunden haben sollen, fehlt es an der Konnexität. Der BGH führt dazu noch Folgendes aus:

„Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht mangels Darlegung der Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Angeklagte keinen förmlichen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gestellt hat. Der Antrag lässt erforderliche Ausführungen dazu vermissen, weshalb die Zeugin Mü. überhaupt bekunden können solle, dass der Angeklagte zur benannten Zeit an der Wohnanschrift seiner Ehefrau mit Reparaturarbeiten beschäftigt gewesen sei. Es bleibt offen, in welcher Beziehung die Zeugin zur Ehefrau des Angeklagten steht und ob sie am besagten Tag in der Wohnung der Ehefrau des Angeklagten – gar durchgehend – persönlich anwesend war, während dieser die Heizung reparierte, oder lediglich Zeugin vom Hörensagen ist.“

Ausweislich des Protokolls der Einvernahme der Zeugin hätte diese wohl nur zu einem Telefonat mit der Ehefrau Auskunft geben können. Deswegen hat der BGH auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Ablehnen des Beweisermittlungsantrags verneint:

„Aus den genannten Gründen scheidet auch eine Aufklärungspflichtverletzung aus (§ 244 Abs. 2 StPO). Bei der Zeugin handelt es sich um eine Zeugin vom Hörensagen, die keine näheren Angaben zur Dauer der Heizungsreparatur durch den Angeklagten gemacht hat, sodass sich ihre Vernehmung der Strafkammer angesichts des im Übrigen gesicherten Beweisergebnisses nicht aufdrängen musste.“

Zu beachten ist noch, dass es sich bei dem Antrag der Verteidigung, der mit dem Schuldspruch verknüpft ist, um einen „Hilfsbeweisantrag“ handelte, über welchen erst im Urteil entschieden werden konnte, da das Gericht erst in der Urteilsberatung entscheidet, ob die Bedingung eintritt. Der fehlende Vorabentscheid durch den Vorsitzenden stellt damit keinen revisiblen Fehler dar.

C. Prüfungsrelevanz

Die sichere Beherrschung des Beweisantragsrechts ist für beide Staatsexamina relevant. Die vorliegende Entscheidung zeigt anschaulich auf, was es mit der Konnexität auf sich hat. Von daher ist sie hervorragend geeignet, Eingang in Deine Examensklausur zu finden.

(BGH Beschl. v. 01.10.2024 – 1 StR 299/24)

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