
OLG Nürnberg zur Sorgfaltspflicht bei hohen Geldauszahlungen
“Hallo Opa, ich brauche Deine Hilfe”. So oder so ähnlich beginnt der sog. Enkeltrick, der mittlerweile leider eine weitverbreitete Betrugsmasche ist. Die Täter geben sich als Enkel oder nahe Verwandte aus, um älteren Menschen hohe Geldbeträge zu entlocken. Doch wer haftet für den Schaden, wenn die Täter nicht gefasst werden? Trifft die Bank eine Sorgfaltspflichtverletzung, wenn der Fall zu offensichtlich ist?
Worum geht es?
Ein 84-Jähriger ging innerhalb von anderthalb Stunden zweimal zur Hauptfiliale seiner Bank in Nürnberg und hob insgesamt 83.000 Euro von seinem Konto ab. Erst später stellte sich heraus, dass er Opfer eines sogenannten „Enkeltricks“ geworden war.
Der betroffene Großvater forderte daraufhin Schadensersatz von der Bank. Er argumentierte, dass die Bank ihre Sorgfaltspflichten verletzt habe, da sie die Auszahlung trotz offensichtlicher Anzeichen für einen Enkel-Betrug vorgenommen habe.
Vorbringen der Bank
Die Bank erklärte, ihre Mitarbeiter seien speziell geschult worden, um Fälle wie den Enkeltrick zu erkennen. Die handelnde Bankangestellte habe den Kläger diesbezüglich angesprochen, doch dieser habe angegeben, dass er das Geld dringend für den Kauf eines Hauses für seine Tochter benötige. Die Bankangestellte erklärte später, dass der Großvater ruhig und plausibel gewirkt habe, weshalb sie keinen Verdacht geschöpft habe.
Die Entscheidung der Gerichte: Keine Haftung der Bank
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Fall zunächst verhandelt und entschieden, dass ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht der Bank nur in Ausnahmefällen anzunehmen sei, nämlich nur dann, wenn objektiv erkennbare Anhaltspunkte für einen Betrug vorlägen. Da solche Hinweise hier nicht vorhanden gewesen seien, wies das Gericht die Klage ab. Doch der betrogene Großvater gab sich nicht geschlagen und ging in Berufung.
Doch auch das OLG Nürnberg sah keinen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten der Bank. Das Gericht führte aus, dass die Bank keine allgemeine Warnpflicht habe, auch nicht bei der Abhebung hoher Geldbeträge von älteren Kunden. Eine Schutzpflicht könne nur in ganz außergewöhnlichen Fällen und unter besonderen Umständen angenommen werden.
Das OLG betonte, dass die Bankangestellte den Verdacht auf Betrug aufgebracht habe und der Kläger dennoch plausibel erklärt habe, das Geld für den Hauskauf zu benötigen. Eine weitere Untersuchung der Bank würde die Sorgfaltspflicht übersteigen, da ein Kontoinhaber grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Rechenschaft über den Verwendungszweck seines Geldes abzulegen.
Relevanz für die Praxis und Prüfungen
Der Fall zeigt, wie Banken im Umgang mit älteren Kunden und Verdachtsmomenten auf Betrug ihre Sorgfaltspflichten wahrnehmen müssen. Meistens dürften die Anhaltspunkte nicht ausreichen, um die eine Haftung der Bank zu begründen, es sei denn, es gibt eindeutige und objektiv erkennbare Hinweise auf einen Betrug. Sollte Dir der Fall in einer Klausur über den Weg laufen, müsste der Sachverhalt also den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl bereithalten, damit Du den Weg einer Sorgfaltspflichtverletzung einschlagen kannst. Dann nämlich kann das Opfer seine Bank möglicherweise für die Verletzung ihrer vertraglichen Neben- oder sogar Hauptpflichten nach § 280 I BGB in Anspruch nehmen. Vertragliche Nebenpflichten sind in § 241 II BGB statuiert und fordern beide Parteien aus dem Schuldverhältnis zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils.
Der Fall bietet sich darüber hinaus an, in eine strafrechtliche Betrugsprüfung nach § 263 StGB einzusteigen, um zivilrechtlich einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Täter gemäß § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB geltend zu machen.
Fazit: Keine Haftung der Bank im vorliegenden Fall
Du kannst Dir merken, dass eine Haftung der Bank für die Auszahlung auch höherer Beträge im Zusammenhang mit Betrugsmaschen nur schwerlich zu einer Haftung der Bank wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung zu konstruieren ist. Der Klausursachverhalt müsste insofern sehr deutliche Hinweise für Dich parat halten.
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