Widerruf nach 10 Monaten wegen fehlender Telefonnummer?

Widerruf nach 10 Monaten wegen fehlender Telefonnummer?

Müssen Verkäufer in eigener Widerrufsbelehrung ihre Telefonnummer angeben?

In Zeiten von Onlineshopping ist unser Widerrufsrecht unser Freund und Helfer. Da die meisten von uns regelmäßig von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen dürften, ist die Praxisrelevanz der §§ 355 ff. BGB enorm hoch. Jeder von uns hat bestimmt schon mal die zweiwöchige Frist verpasst. Gerade in solchen Fällen sucht der ein oder andere dann nach der Möglichkeit ein Schlupfloch zu finden, um doch noch seinen Widerruf fristgerecht erklären zu können. Der Gesetzgeber hat hierfür in § 356 III 2 BGB den rechtlichen Rahmen geschaffen und für den Fall einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung die Frist für den Widerruf auf 1 Jahr und 14 Tage verlängert. Doch reicht dafür aus, dass der Verkäufer keine Telefonnummer angegeben hat? Die Entscheidung des BGH vom 25.02.2025 (Az.: VIII ZR 143/24) dürfte für Dich nicht nur aus Gründen der Prüfungsrelevanz von Interesse sein.

Worum geht es?

A kaufte bei B am 18.02.2022 im Wege des Fernabsatzes einen Neuwagen. Auf seiner Internetseite gab B im Impressum seine Telefonnummer an. Für die Widerrufsbelehrung im Kaufvertrag verwendete B nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine eigene. Diese Widerrufsbelehrung enthielt die Postanschrift sowie die E-Mail des B. Außerdem klärte B darüber auf, dass der Widerruf mittels einer eindeutigen Erklärung “z.B. durch einen per Post versandten Brief oder per E-Mail erklärt werden könne”. Er verwies zusätzlich darauf, dass der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung selbst tragen müsse. Angaben zu den konkreten Kosten machte B jedoch nicht.

Am 23.08.2022 händigte B dem A den Neuwagen aus. A widerrief dann am 20.06.2023, also knapp 10 Monate nach Übergabe des Wagens, per E-Mail den Kaufvertrag. B wies den Widerruf als verfristet zurück und war nicht bereit den Wagen Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises entgegenzunehmen.

Daraufhin erhob A Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges, weil er der Ansicht war, dass sein Widerruf im Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung noch nicht verfristet gewesen sei. Aufgrund dessen, dass B in seiner Widerrufsbelehrung nicht seine Telefonnummer angegeben habe, sei hier die verlängerte Widerrufsfrist von 1 Jahr und 14 Tage maßgeblich.

Nachdem auch die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erfolglos blieb, legte A Revision vor dem BGH ein. Was sagt nun der BGH? Müssen Verkäufer zwingend ihre Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angeben?

Entscheidung des Gerichts

Der BGH ließ die Revision nicht zu. A stützte seine Revision im vorliegenden Fall auf § 543 II 1 Nr. 1 ZPO und begründete seine Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, weil hier unionsrechtliche Fragestellungen betroffen seien. Der BGH sprach diesem Rechtsstreit allerdings keine grundsätzliche Bedeutung zu. Du kannst Dir also merken, dass der BGH eine fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht als Grund für eine verlängerte Widerrufsfrist sieht.

Falls Du gerade mitten im Schuldrecht AT steckst, solltest Du Dir den Fall noch einmal genauer anschauen, denn er bietet dem Prüfungsamt sicherlich eine Inspirationsvorlage.

Mach Dir zu Beginn bewusst, welche rechtliche Frage in Deinem Fall im Vordergrund steht. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob hier eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorlag, die die verlängerte Widerrufsfrist von 1 Jahr und 14 Tagen gemäß § 356 III 2 BGB auslöste.

Nachdem Du diese Frage geklärt hast, solltest Du nun eine kurze Bestandsaufnahme machen, welche gesetzlichen Anknüpfungspunkte für Deine Auslegung hierfür in Betracht kommen. In diesem Fall hat der BGH nicht nur an die §§ 355 ff. BGB angeknüpft, sondern auch Art. 246a EGBGB sowie die Verbraucherrechterichtlinie betrachtet.

Bei einem Blick in die §§ 355 ff. BGB und Art. 246a EGBGB wirst Du schnell merken, dass Du dem Wortlaut nicht entnehmen kannst, ob der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer angeben muss. Daher musste der BGH dann einen Schritt weiter gehen und sich die Verbraucherrechterichtlinie näher anschauen, auf der das deutsche Widerrufsrecht basiert. Da diese Richtlinie nicht in Deinen zugelassenen Hilfsmitteln enthalten ist, bist Du in Deiner Klausur in einer privilegierten Lage, weil Dir die Prüfungsämter dann die entscheidenden Normen mit abdrucken müssen. Du wirst also schon auf die relevanten Normen gelenkt.

Verbraucherrichtlinie

Aus der Verbraucherrechterichtlinie war hier vor allem Artikel 6 entscheidend. Der BGH hat sich zunächst den Wortlaut von Artikel 6 angeschaut. Bei der Auslegung von Normen lohnt es sich, dass Du zunächst mit dem Wortlaut startest, weil dieser offensichtlich ist. In Buchstabe c hat der europäische Gesetzgeber ausdrücklich normiert, dass der Verkäufer den Käufer über seine Adresse und gegebenenfalls über seine Telefonnummer, seine E-Mail Adresse sowie seine Faxnummer informieren muss, um eine effiziente Kommunikation zu gewährleisten und in Buchst. h findet sich die Belehrung über den Widerruf:

der Unternehmer [informiert] den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

[…]

c. die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann, sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt;

h. im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B;

Aus dem direkten Vergleich dieser Buchstaben ergibt sich, dass der europäische Gesetzgeber in Art. 6 I h eine solche klare Regelung wie in Buchst. c nicht gewählt hat. Laut BGH kann also der Rückschluss gezogen werden, dass der europäische Gesetzgeber also im Kontext der Widerrufsbelehrung keine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer statuieren wollte. Schließlich hätte er ohne Weiteres eine identische Formulierung wie in Buchstabe c aufnehmen können.

Aus dem Regelungsgehalt des Artikel 6 wird also deutlich, dass der Unionsgesetzgeber mit den Informationspflichten sicherstellen möchte, dass dem Verbraucher die Bedingungen des Vertrages und die Folgen des Vertragsschlusses im Vorfeld übermittelt werden. Es soll also gewährleistet werden, dass der Verbraucher abschätzen kann, worauf er sich bei Vertragsschluss einlässt. Die genaue Ausgestaltung und Gewährleistung einer schnellen Kontaktaufnahme hat der Unionsgesetzgeber bewusst dem Verkäufer überlassen.

Nach der Wortlautauslegung solltest Du noch die Systematik der Normen untersuchen. Denn der Unionsgesetzgeber verweist erst in Absatz 4 des Artikel 6 auf eine Anlage, in der sich eine Musterwiderrufsbelehrung befindet. Die Musterwiderrufsbelehrung enthält hier die Angabe der Telefonnummer. Der Gesetzgeber hat dieses Muster aber systematisch der Belehrungspflicht in Absatz 1 h nachgelagert und sich dagegen entschieden, hier schon bereits auf das Muster zu verweisen. Laut BGH eignet sich dieses Muster daher nicht, den Inhalt der Belehrung zu definieren.

Tipps für Deine Klausur

Abschließend bezieht sich der BGH noch auf die Erwägungsgründe. Als Tipp für Dich: Aus den Erwägungsgründen kannst Du die Motive und Ziele der Richtlinie ableiten. Diese werden immer zu Beginn einer Richtlinie aufgeführt. Die für Deine Falllösung relevanten Erwägungsgründe werden Dir dann auch von den Prüfungsämtern abgedruckt.

In diesem Fall war für den BGH Erwägungsgrund 44 relevant. Dort heißt es im letzten Satz:

“[…] die Beweislast, dass der Widerruf innerhalb der in der Richtlinie festgelegten Fristen erfolgt ist, sollte jedoch dem Verbraucher obliegen. Aus diesem Grund ist es im Interesse des Verbrauchers, für die Mitteilung des Widerrufs an den Unternehmer einen dauerhaften Datenträger zu verwenden.”

Der Unionsgesetzgeber rät hier aus Gründen der Beweislast sogar ausdrücklich von einem Telefonanruf ab und verweist auf einen dauerhaften Datenträger wie z.B. eine E-Mail oder einen Brief.

Auf dieser Grundlage kam der BGH dann also zu der rechtlichen Bewertung, dass die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung hierfür nicht erforderlich sei. Eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme habe B auch schon durch die Angabe der E-Mail-Adresse und Postanschrift ermöglicht. Hinzu komme, dass B seine Telefonnummer im Impressum auf seiner Internetseite angegeben habe. Die Telefonnummer war für A also ohne weiteres verfügbar. Insbesondere führe die fehlende Telefonnummer hier nicht dazu, dass A eine andere Entscheidung bzw. eine frühere Entscheidung bezüglich des Widerrufs getroffen hätte.

Unterbliebene Aufklärung zu Rücksendekosten

Besonders glücklich dürftest Du Deine Korrektoren:innen machen, wenn Du im vorliegenden Fall noch den Umstand entkräftest, dass die unterbliebene Aufklärung seitens B über die konkreten Kosten der Rücksendung auch nicht die verlängerte Widerrufsfrist auslöst. Eine fehlende Belehrung über die konkreten Kosten führe nämlich laut Gericht nur dazu, dass der Verbraucher im Zweifel die zusätzlichen Kosten für die Rücksendung nicht tragen müsse. Dies ergibt sich aus Art. 6 VI der Verbraucherrechterichtlinie.

Prüfungsrelevanz

Denkst Du Dir jetzt vielleicht, dass die Lösung gar nicht mal so verschachtelt ist, wie Du wahrscheinlich anfänglich angenommen hast? Richtig! Der Europarechtsbezug hält sich im Widerrufsrecht in der Regel nämlich in Grenzen und ist gut händelbar. Mit dieser Thematik wirst Du spätestens in Deiner Schuldrecht-AT Vorlesung im zweiten Semester konfrontiert. Daher lohnt es sich, dass Du Dich hier auskennst.

Gerade im Europarecht werden Dir die Prüfungsämter alle relevanten Ankerpunkte und damit auch die Lösung liefern. Weil das Europarecht nicht Bestandteil Deiner zugelassenen Hilfsmittel ist, müssen Dir die Prüfungsämter also die entscheidenden Gesetzestexte abdrucken. Du wirst also unmittelbar auf die ausschlaggebenden Normen gelenkt. Daher solltest Du diese auch unbedingt in Deine Falllösung einbauen. Gerade die Erwägungsgründen solcher Richtlinien liefern Dir gute Argumente für die Motive und Ziele. Hilfreich ist auch immer, wenn Du einen Blick in die angrenzenden Nachbarvorschriften wirfst. Dies ist oft aufschlussreich.

Mach Dir bewusst, dass es gerade bei solchen Klausuren kein “richtig” oder “falsch” gibt, sondern nur ein “vertretbar” und “nicht vertretbar”. Es kommt also nur darauf an, dass Du Deinen Korrektor:innnen von Deiner Argumentation überzeugen kannst und er/sie diese für schlüssig erachtet. Damit Dir das gelingt, sollten Deine Argumente stets einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt aufweisen. Sollte Dir das einmal nicht gelingen, kannst Du als Notanker immer den Sinn und Zweck der Norm anführen.

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