Formfehler oder Nichtigkeit?

Formfehler oder Nichtigkeit?

Sind Beschlüsse einer fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlung nichtig?

Sofern eine Gesellschafterversammlung fehlerhaft durch einen Unbefugten einberufen wurde, führt dies zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit aller Beschlüsse, die auf der Gesellschafterversammlung gefasst wurden.

Zwar gilt im Personengesellschaftsrecht, dass mangelhafte Beschlüsse grundsätzlich nichtig sind. Falls aber nur Verfahrensmängel vorliegen, stellte sich bisher die Frage, ob diese das Ergebnis des Beschlusses möglicherweise beeinflusst haben mit der Folge der Nichtigkeit.

A. Sachverhalt

Der Kläger (K) und die Beklagten (B) sind Partner einer Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB (mit beschränkter Berufshaftung).

§ 4 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Partnerschaftsgesellschaft lautet wie folgt:

„Die Partnerversammlung wird vom Managing Partner einberufen.“

Einer der Beklagten lud am 30.07.2020 alle Partner zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung ein mit dem Tagesordnungspunkt des Ausschlusses des K. Die B fassten einen entsprechenden Beschluss mit sofortiger Wirkung.

Der Kläger hat unter anderem die Feststellung beantragt, dass der in der Gesellschafterversammlung vom 7. August 2020 gefasste Beschluss über seinen Ausschluss nichtig ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers ist zurückgewiesen worden. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses weiter.

B. Entscheidung

K begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses.

I. Partnerschaftsgesellschaft

Eine Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ist nach § 1 I 1 PartGG eine Gesellschaft von Angehörigen Freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe. Die Freien Berufe haben nach § 1 II 1 PartGG im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Die Freien Berufe werden in § 1 II 2 PartGG aufgeführt, unter anderem auch Rechtsanwälte.

Dass es sich vorliegend um eine PartG mbB, also eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nach § 8 IV PartGG handelt, spielt für die Entscheidung keine Rolle.

II. Recht der GbR

Auch auf die PartG findet nach § 1 IV PartGG das Recht der GbR entsprechende Anwendung und somit die §§ 705 f. BGB, soweit im PartGG nichts anderes bestimmt ist.

1. Grundsatz der Nichtigkeit der Beschlüsse der fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlung

Grundsätzlich sind im Personengesellschaftsrecht Beschlüsse einer fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlung nichtig.

In der Partnerschaftsgesellschaft gelten für die Behandlung von Beschlussmängeln die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze … Bei der Personengesellschaft führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.

2. Keine Ausnahme

Fraglich ist jedoch, ob davon ausnahmsweise abgewichen werden kann, sofern es sich um reine „Verfahrensfehler“ handelt.

a) Verfahrensfehler

Im Falle des Vorliegens von bloßen Verfahrensfehlern hinsichtlich Form und Frist etc. könnte man daran denken, dass dies für die jeweilige Beschlussfassung unerheblich gewesen ist, sodass ein solcher Verstoß nicht per se die Nichtigkeit zur Folge hätte. Im Personengesellschaftsrecht

können Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschafterversammlung zwar nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Wird dieser „Dispositionsschutz“ verletzt, liegt ein zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führender schwerwiegender Mangel vor. Der Verfahrensmangel führt aber nur zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist.

b) Einberufung durch einen Unbefugten

Fraglich ist jedoch, ob diese Rechtsprechung auf die Einberufung durch einen Unbefugten übertragbar ist und es sich insofern nur um einen bloßen Formfehler handelt.

Die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtsformübergreifend zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse.

Es handelt sich auch nicht nur um einen bloßen Formfehler.

In diesem Fall fehlt vielmehr ein Mindesterfordernis der Gesellschafterversammlung …. Die Ladung durch einen Unbefugten kommt einer Nichtladung gleich und kann vom Geladenen unbeachtet bleiben, ohne dass ihm hieraus nachteilige Rechtsfolgen erwachsen dürfen. Die Beachtung der Ladungsbefugnis dient damit der Sicherung eines für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Gesellschafterrechts, seines Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft.

Dabei spielt es auch keine Rolle, dass es sich um eine Personengesellschaft handelt.

Dies wird bestätigt durch einen vergleichenden Blick in das Kapitalgesellschaftsrecht. Bei der Aktiengesellschaft und bei der GmbH, auf welche die aktienrechtlichen Grundsätze in ständiger Rechtsprechung übertragen werden, hat die Nichtigkeit eines auf einer durch einen Unbefugten einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses ihren Niederschlag in § 241 Nr. 1, § 121 II AktG gefunden, ohne dass danach differenziert wird, ob es sich um eine Gesellschaft mit einem kleinen oder einem großen Gesellschafterkreis handelt.

Den Gesellschaftern einer Personengesellschaft steht es frei, in ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen zu treffen, wer zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung befugt ist. Das haben K und B getan.

Nach § 4 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Partnerschaftsgesellschaft wird die Gesellschafterversammlung vom Managing Partner einberufen. Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen hat der Kläger behauptet, der einberufende Beklagte zu 4 sei nicht Managing Partner der Sozietät gewesen. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen, sondern ausgeführt, sofern der Kläger mit der Berufung rüge, es habe nicht der Managing Partner für die Versammlung eingeladen, sei dies unerheblich. Wenn das Berufungsgericht zu Tatsachen keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsrechtlichen Prüfung die Richtigkeit des Sachvortrags des Revisionsklägers im Berufungsverfahren zu unterstellen …

Ob und unter welchen Umständen andere Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft eine Gesellschafterversammlung einberufen dürfen, wenn ein Managing Partner fehlt, kann zum anderen nur durch eine nach den §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung des Gesellschaftsvertrags bestimmt werden, die weitgehend in der Verantwortung des Tatrichters liegt.

Somit sind die gefassten Beschlüsse einer fehlerhaft einberufenen Gesellschafterversammlung nichtig.

Ergebnis

K begehrt zu Recht die Feststellung der Nichtigkeit des Ausschließungsbeschlusses.

C. Prüfungsrelevanz

Auch bei der Partnerschaftsgesellschaft gelten nach § 1 IV PartGG grundsätzlich die Vorschriften der GbR nach §§ 705 f. BGB, soweit im PartGG nichts anderes bestimmt ist.

Im Rahmen von Prüfungen werden grundsätzliche Kenntnisse von fehlerhaften Beschlüssen im Gesellschaftsrecht vorausgesetzt.

(BGH Urt. v. 16.07.2024 – II ZR 100/23)

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