
Kenntnisse zu den üblichen Gepflogenheiten erforderlich
In den meisten Wohnungen dürfte während der Mietdauer schon einmal Schimmel aufgetreten sein. Vermieter:innen müssen die Mietsache nicht nur in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen, sondern diesen Zustand während der Mietdauer auch gemäß § 535 I 1 BGB erhalten. Kommt es in diesem Zeitraum dann zur Schimmelbildung, trifft Vermieter:innen grundsätzlich eine Beseitigungspflicht nach § 535 I 2 BGB. Mieter:innen können für die Schimmelverursachung nur durch ein unzureichendes Lüften verantwortlich sein, weil sie die anderen Parameter für die Schimmelentstehung nicht beeinflussen können. Aber kann von Mieter:innen erwartet werden, dass sie wissen, wie richtig gelüftet wird? Das Landgericht Landshut gibt Dir hierauf eine klare Antwort mit seinem Urteil vom 08.01.2025 (Az. 15 S 339/23).
Was ist passiert?
Bei der Klägerin, die seit 1991 Mieterin der streitgegenständlichen Mietwohnung ist, wurden 2001 neue Fenster in die Wohnung eingebaut. Aufgrund dessen, dass die alten Fenster nicht dicht waren, musste die Klägerin vor dem Fensteraustausch nicht regelmäßig lüften. Lediglich Feuchtespitzen nach dem Duschen, Kochen oder Wäschetrocknen führte sie ab. Auch in der Folgezeit änderte die Klägerin ihr Verhalten nicht.
2010 wurde erstmals in der Wohnung der Klägerin Schimmel entdeckt. Die Vermieterin wies die Klägerin darauf hin, dass sie “richtig” lüften müsse, um die Luftfeuchtigkeit in ihrer Wohnung zu reduzieren. Eine genaue Information, wie die Klägerin fortan zu lüften habe, erfolgte nicht.
2019 kam es dann zu einer erneuten Schimmelbildung in Bad und Kinderzimmer. Deshalb zahlte die Klägerin ihre Miete zunächst nur unter Vorbehalt.
Anschließend erhob sie Klage und beantragte die Beseitigung des Schimmels sowie die teilweise Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete.
Rechtlicher Hintergrund
Das Landgericht Landshut wies die Klage in seinem Urteil vom 08.01.2025 (Az. 15 S 339/23) ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Mangelbeseitigung und Minderung der Miete.
Der Anspruch auf Beseitigung des Mangels ergibt sich aus § 535 I 2 BGB. Demnach ist der Vermieter zur Instandhaltung und Instandsetzung verpflichtet. Diese Pflicht entfällt aber dann, wenn der Mieter die Ursache für den Mangel gesetzt hat.
Das Landgericht musste in seiner Entscheidung also klären, ob die Klägerin die Schimmelbildung in ihrer Wohnung zu verantworten hatte, weil diese unzureichend gelüftet habe. Die Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich davon abhängig, inwieweit Mieter:innen Kenntnisse über das richtige Lüftungsverhalten haben müssen.
Die Richter:innen kamen zu der Überzeugung, dass Mieter:innen nur ein Lüften schulde, was im Rahmen der Verkehrssitte allgemein üblich sei und dementsprechend Kenntnisse über den Inhalt dieser Verkehrssitte aufweisen müssten. Konkrete Kenntnisse über die Zusammenhänge von Schimmelbildung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Gebäudezustand und Nutzungsverhalten seien demgegenüber nicht erforderlich. Demnach treffe Mieter:innen gerade kein Verschulden an der Schimmelbildung, wenn diese nach den üblichen Gepflogenheiten gelüftet hätten.
Als üblichen Maßstab legte das LG Landshut ein zweimal tägliches Lüften von ca. 10 Minuten zugrunde, wobei spezielle Feuchtespitzen etwa durch Duschen, Kochen oder Wäschetrocknen durch ein gesondertes Lüften abzuführen seien. Außerdem sahen die Richter und Richterinnen es als allgemein bekannt an, dass ein sogenanntes “Querlüften” erheblich mehr frische Luft in die Wohnung bringen würde. Hierbei werden sämtliche Fenster in der Wohnung gleichzeitig geöffnet.
Aufgrund des baulichen Zustandes ist das Gericht nach der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gekommen, dass der Schimmel in Bad und Kinderzimmer nicht entstanden wäre, wenn die Klägerin der Verkehrssitte entsprechend gelüftet hätte. Vielmehr habe die Klägerin überhaupt nicht gelüftet.
Demnach habe die Klägerin die Schimmelbildung zu vertreten. Der Schimmel ist also nicht auf bauliche Mängel zurückzuführen. Unerheblich für diese Beurteilung sei, dass die Vermieterin der Klägerin kein angepasstes Lüftungskonzept empfohlen habe, sondern lediglich bei der ersten Schimmelbildung 2010 darauf hingewiesen habe, dass die Klägerin “richtig” lüften müsse. Dieser Hinweis reiche vollkommen aus, weil die Klägerin zuvor überhaupt nicht gelüftet habe, so das LG.
Zudem sei die Klägerin auch dazu verpflichtet gewesen, nach dem Fensteraustausch im Jahr 2001 ihr Lüftungsverhalten an das Sozialübliche anzupassen: “Die Mieter können nicht verlangen, auch nach einem Fenstertausch nicht lüften zu müssen”, da ein zweimal tägliches Lüften von ca. 10 Minuten als allgemein üblich anzusehen sei.
Mangels Mietmangel besteht somit auch kein Anspruch auf Mietminderung gem. § 536 BGB.
Klausurrelevanz
Das Mietrecht bietet großes Potenzial für jede:n Klausursteller:in und eignet sich daher für jeden Schwierigkeitsgrad. Wie auch das Kauf- und Werkrecht, enthält das Mietrecht ein eigenes Gewährleistungsrecht. Dies zieht für Dich eine ständige Abgrenzung zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht mit sich. Im Vergleich zum praxisrelevanten Kaufrecht enthält das Mietrecht jedoch einige Besonderheiten, die Du kennen solltest. Beachte zum einen, dass das Mietrecht in einen allgemeinen und einen besonderen Teil aufgeteilt ist. Darüber hinaus ist im Mietrecht, anders als im Kaufrecht beispielsweise, ein Recht auf Selbstvornahme des Mangels durch den Mieter gem. § 536a II BGB verankert, wenn der Vermieter mit der Beseitigung im Verzug ist. Außerdem differenziert das Mietrecht zwischen anfänglichen und nachträglichen Mängeln, da bei anfänglichen Mängeln eine Garantiehaftung des Vermieters besteht.
Auch der vertragliche Haftungsausschluss im Mietvertrag ist im Mietrecht deutlich strenger. So kann im Mietvertrag ein Schadensersatzanspruch wegen einfacher Fahrlässigkeit durch allgemeine Geschäftsbedingung z.B. nicht ausgeschlossen werden.
Aber auch prozessual gibt es die ein oder andere Besonderheit und Herausforderung, die Du kennen solltest. So solltest Du z.B. an die spezielle sachliche und örtliche Zuständigkeit der Gerichte denken, aber auch bei einer Räumungsklage darauf achten, dass Dein Antrag vollstreckungsfähig ist.
Für Deine Zwangsvollstreckungsklausur in Deinem zweiten Examen hat das Mietrecht auch so einiges auf Lager. Der einstweilige Rechtsschutz lässt sich wunderbar mit mietrechtlichen Problemen kombinieren. Aber auch der ein oder andere Rechtsbehelf der Zwangsvollstreckung ist wie für das Mietrecht gemacht. Beliebt sind hier unter anderem Fälle, in denen der Vermieter sein Vermieterpfandrecht an den in die Mietwohnung eingebrachten Gegenständen geltend macht. Diese Konstellation zieht so manche Standardproblematiken mit sich. Wann gilt eine Sache als eingebracht? Welche Rechte Dritter können einer Geltendmachung im Wege stehen und welcher Rechtsbehelf steht einem Dritten zur Verteidigung seiner Rechte hierzu offen? Registriere Dich unverbindlich und kostenlos bei Jura Online und arbeite alle relevanten Lerneinheiten nach.
Resümee
Die aktuelle Entscheidung des LG Landshut macht noch einmal deutlich, dass das Mietrecht in vielen Bereichen durch die Verkehrssitte bestimmt wird. Unbestimmte Rechtsbegriffe -wie der Begriff der Verkehrssitte- werden maßgeblich durch die Rechtsprechung ausgefüllt und geprägt. Hier ist es ratsam, wenn Du stets einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen hast. Denn diese werden auch an den Prüfungsämtern nicht sang- und klanglos vorbeigehen.
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