LG Berlin II zu Zweifeln bei der Auslegung von AGB
AGB-Kontrollen können in Klausuren durchaus unangenehm und schwierig sein. Doch auch in der gerichtlichen Praxis sind sie häufig anzutreffen – und sind dabei nicht selten das Zünglein an der Waage. Dass dabei die Wirksamkeit nicht immer an der Inhaltskontrolle scheitert, sondern bereits Zweifel bei der Auslegung einer Klausel diese zu Fall bringen können, hat das LG Berlin II in folgender Entscheidung anschaulich dargelegt.
Was war geschehen?
Die Klägerin ist die Mieterin einer Wohnung in Berlin-Mitte, die unter anderem ausgestattet ist mit einer mitvermieteten Einbauküche inklusive Spülmaschine. Nachdem diese nicht mehr funktionierte und die Beklagte diese nicht reparieren wollte, erhob die Mieterin Klage auf Instandsetzung der Spülmaschine gegen die Vermieterin vor dem AG Berlin-Mitte. Die Vermieterin berief sich auf eine Klausel aus dem Mietvertrag, nach welcher technische Geräte der Einbauküche „als nicht mitvermietet [gelten]“. Doch das Amtsgericht gab der Klage statt. Dagegen wehrte sich die Vermieterin nun mit der Berufung zum Landgericht Berlin II. Wie beurteilte das Landgericht die Wirksamkeit der Klausel?
Entscheidung des Gerichts
Das LG Berlin II erteilt einen Hinweis, dass die Berufung als unbegründet zurückzuweisen sei, denn der Mieterin stehe der Anspruch auf Reparatur oder Austausch der Spülmaschine gem. § 535 I 2 BGB zu. Es gab dadurch der Vermieterin die Möglichkeit, die Berufung zurückzunehmen. (Anmerkung: Keine Sorge, die prozessuale Besonderheit wird Dir vermutlich erst im zweiten Examen über den Weg laufen. Aber zumindest hast Du so schon einmal davon gehört.)
Das LG Berlin II sieht die nicht funktionsfähige Spülmaschine als einen Mietmangel an. Dem stehe auch nicht die Regelung aus den Allgemeinen Vertragsvereinbarungen Wohnraummietvertrag entgegen. Nach Auffassung des Gerichts läge darin, ausgehend vom Wortlaut, keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung. Zudem sei die Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen, sodass die Klausel der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB standzuhalten habe.
Grundsätze zur AGB-Prüfung
Im Rahmen einer AGB-Prüfung ist zuerst Voraussetzung, dass es sich überhaupt um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 I 1 BGB handelt. Es muss sich also um eine Bedingung für den Vertragsabschluss handeln, die vorformuliert ist, für eine Vielzahl von Verträgen gilt und durch den Verwender gestellt wurde. Dies ist bei Mietverträgen üblicherweise der Fall. Im zweiten Schritt geht es um die Einbeziehungskontrolle, also die Frage, ob die AGB wirksam in den Vertrag miteinbezogen wurde, was sich grundsätzlich nach § 305 II BGB richtet. Hinzu tritt aber auch noch die Vorschrift des § 305c I BGB, wonach überraschende Klauseln schon kein Vertragsbestandteil werden. Abschließend hat noch die Inhaltskontrolle zu erfolgen. Bei der dafür zu erfolgenden inhaltlichen Auslegung der Klausel kann § 305c II BGB relevant werden, wonach mehrdeutige Klauseln und Zweifel bei der Auslegung von AGB zulasten des Verwenders gehen. Wenn eine Klausel nach einer möglichen Auslegung den Anforderungen der §§ 309-307 BGB genügt, nach einer anderen aber nicht, dann stellt sich die Frage, welche der beiden Auslegungsalternativen zugrunde zu legen ist. Nach § 305 c II BGB gehen Zweifel bei der Auslegung immer zulasten des Verwenders.
Anwendung im konkreten Fall
Im vorliegenden Fall stellte das Gericht maßgeblich auf die Zweifelsregelung des § 305c II BGB ab. Bei der konkreten Klausel sei unklar, welche Rechtsfolgen sich aus der Formulierung „gelten als nicht mitvermietet“ ergeben sollen. Sie könne als Freistellung von der Instandhaltungspflicht für die Mietsache verstanden werden, allerdings auch so, dass für die Geräte neben dem Grundmietzins kein gesonderter Mietzins geschuldet sei, aber dem Mieter im Falle eines Mangels die Gewährleistungsrechte aus den §§ 535 ff. BGB zustehen sollten. Ob diese Auslegung zutreffend sei, sei nicht entscheidend, es komme nur auf die Vertretbarkeit dieser an. Die unklare Formulierung gehe im Wege der kundenfreundlichsten Auslegung somit zulasten der Vermieterin und es wird die Auslegungsart zugrunde gelegt, welche die Instandhaltungspflicht der Vermieterin für die Küchengeräte nicht ausschließt. Daher bleibt es bei der Pflicht zur Wiederinstandsetzung der Spülmaschine durch die Vermieterin.
Prüfungsrelevanz
AGB sauber prüfen ist das A und O. Dabei ist ein Verständnis für die Systematik der AGB-Regelungen der wichtigste Baustein. Falls nach der jeweiligen Prüfungsordnung erlaubt, bietet sich hier auch eine akribische Kommentierung an, um keine der in § 310 BGB geregelten Sondervorschriften zu übersehen. Unabhängig davon ist aber die richtige Reihenfolge der Prüfungsschritte besonders wichtig, um dem Prüfungsamt zeigen zu können, dass man Rechtsfolgen orientiert vorgeht. So wird beispielsweise § 305c I BGB nicht erst in der Inhaltskontrolle relevant, sondern führt ausweislich seines klaren Wortlauts „[…] werden nicht Vertragsbestandteil“ bereits dazu, dass die AGB nicht wirksam einbezogen werden. Beachtest Du dann noch die antichronologische Prüfungsreihenfolge innerhalb der Inhaltskontrolle (§§ 309, 308, 307 BGB) sowie überhaupt deren Anwendbarkeit gem. § 307 III 1 BGB zu prüfen, zeigst Du bereits ein überdurchschnittliches Systemverständnis von AGB. Insofern ein kleiner Tipp, dass Du Dich nicht zu schnell auf die Inhaltskontrolle stürzen solltest, weil nicht selten die Wirksamkeit einer AGB-Klausel bereits an vorheriger Stelle scheitert.
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