OVG NRW und Sächs. OVG zur Rechtmäßigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen

OVG NRW und Sächs. OVG zur Rechtmäßigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen

Die Anfertigung von Lichtbildern, Fingerabdrücken und ähnlicher Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung können bei strafrechtlich in Erscheinung getretenen Personen (Beschuldigten) gegen deren Willen vorgenommen werden (§ 81b I StPO). Die die aus strafprozessual veranlassten Gründen (§ 81b I StPO, 1. Alternative: „für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens“) erhobenen Daten können für Zwecke des „Erkennungsdienstes“ aufbewahrt werden. Erkennungsdienst soll sicherstellen, dass der Beschuldigte nicht erneut eine strafbare Tat begeht. In dieser 2. Alternative geht es somit in § 81b I StPO um Gefahrenabwehr mit der Folge, dass die Vorschrift als Bundesrecht lex specialis zu den in den Polizeigesetzen der Länder geregelten vergleichbaren Ermächtigungsgrundlagen ist. Nicht nur diese Besonderheit, sondern auch die Auswirkungen der beiden Alternativen des § 81b I StPO mit ihren Zuordnungen zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr erschweren die Arbeit mit der klausurrelevanten Vorschrift, zumal sich daraus unterschiedliche Rechtswegzuweisungen ergeben.

Das OVG Münster und das OVG Bautzen befassen sich mit der Verhältnismäßigkeit der Aufbewahrung. Wir haben die Fälle miteinander verbunden und lösen den Fall klausurmäßig, damit die angeführte verwaltungsprozessuale Problematik nicht übersehen wird.

A. Vereinfachter Sachverhalt

Der Kläger K ist mehrfach wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr verurteilt worden. Hinzu traten einige Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Trunkenheitsfahrten mit Personenschäden und Körperverletzungen. Der Kläger M wurde nach Jugendstrafrecht wegen Raubes, Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt. In beiden Fällen haben die zuständigen Polizeibehörden nach Durchführung der Strafverfahren nach umfassender Ermittlung der Straftaten mit Rechtsbehelfsbelehrung angeordnet, dass die angefertigten ED-Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes aufzubewahren seien, weil unter Berücksichtigung aller Umstände die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie auch künftig strafrechtlich in Erscheinung treten würden.

Gegen die Anordnungen haben die beiden Kläger unter Beachtung aller verfahrensrechtlichen Voraussetzungen Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben mit der Begründung, die Wiederholungsprognose der Polizei sei unverhältnismäßig. Im Prozess stellt sich heraus, dass die Kläger zeitlich nach der Anordnung durch die Polizei erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, wobei M inzwischen 22 Jahre alt ist.

Haben die Klagen Erfolg?

B. Entscheidung

Die jeweilige Klage vor dem Verwaltungsgericht hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

I. Sachurteilsvoraussetzungen

1. K und M haben Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Das Verwaltungsgericht muss den Rechtsstreit verweisen, wenn es nicht zuständig ist (§§ 17a II GVG, 83 VwGO).

a) Es ist zweifelhaft, ob der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Zwar handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, zumal die Polizei einseitig durch Anordnungen und damit in typisch hoheitlichen Formen tätig geworden ist.

(1) Fraglich ist aber, ob die abdrängende Sonderzuweisung des § 23 I EGGVG zu beachten ist, wonach der Rechtsstreit den ordentlichen Gerichten zugewiesen sein könnte.

Wird die Polizei im Zusammenhang mit der Durchführung eines Strafverfahrens tätig, liegt der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in ihrem Aufgabenbereich zur repressiven Strafrechtspflege nach § 163 StPO. Gemäß § 23 I 1 EGGVG sind Anordnungen der Justizbehörden im Bereich der Strafrechtspflege den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Da der Behördenbegriff funktional und nicht nach der organisatorischen Zugehörigkeit eines Organs zu einer bestimmten Verwaltung zu bestimmen ist, wird die Polizei im Rahmen der Strafaufklärung als „Justizbehörde“ tätig.

Werden Maßnahmen wie die Anfertigung von Lichtbildern und die Abnahme von Fingerabdrücken sowie Messungen zur Identitätsfeststellung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren vorgenommen (§ 81b I StPO 1. Alternative“), ist der Rechtsstreit an die ordentlichen Gerichte zu verweisen. Dabei kommt vorrangig das Amtsgericht nach § 98 II StPO in Betracht, eine Vorschrift, deren Anwendungsbereich über ihren Wortlaut hinaus auf alle polizeilichen Vorbereitungshandlungen zur Strafverfolgung ausgeweitet wird. Der Anwendungsvorrang folgt dann aus § 23 III EGGVG. Soweit die StPO keine besonderen Zuständigkeiten regelt, gilt die Auffangkompetenz des Oberlandesgerichts nach § 23 I EGGVG.

(2) Maßnahme des Erkennungsdienstes können auch der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten und damit der präventiven Gefahrenabwehr dienen. Veranlasst durch ein Strafverfahren kann es der Polizei bei ihren Maßnahmen darum gehen, erkennungsdienstliche Unterlagen anzufertigen, um künftige Ermittlungen zu erleichtern, sei es zu Überführung, zur Entlastung des Betroffenen oder zur Vorbeugung. Da die künftige Straftat noch nicht begangen ist, dient dies alles der Gefahrenabwehr. Der Verwaltungsrechtsweg wäre dafür nach § 40 I VwGO eröffnet.

(3) Zur Abgrenzung ist auf den Schwerpunkt des polizeilichen Handelns abzustellen. Im vorliegenden Fall geht es der Polizei darum, künftigen Gesetzesverstößen entgegenzuwirken. Die Polizei weist auf zu erwartende Straftaten hin, deren Aufklärung sie sich dadurch erleichtern will, dass sie über die erkennungsdienstlichen Unterlagen verfügt.

Damit scheidet eine Verweisung des Rechtsstreits an die ordentlichen Gerichte aus.

b) Sachlich zuständig ist das angerufene Verwaltungsgericht nach § 45 VwGO.

2. Parteien des Rechtsstreites sind K bzw. M als Kläger und das Land als Träger der Polizeiverwaltung, §§ 61 Nr. 1, 63 Nr. 1 und 2 VwGO.

3. Klageart ist eine Anfechtungsklage. Die Anfechtungsklage ist nach § 42 I VwGO, 1. Alternative statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch das Gestaltungsurteil des Gerichts erstrebt. Die angegriffene Maßnahme ist nicht nur nach ihrer Form („Anordnung“), sondern auch inhaltlich ein Verwaltungsakt, weil sie eine einzelfallbezogene verbindliche Verpflichtung des jeweiligen Klägers begründet.

4. Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungsklage nach §§ 42 II, 68-74 VwGO sind erfüllt. Die Klagen sind ordnungsgemäß erhoben worden (§§ 68-74 VwGO).

Das für die Klagebefugnis erforderliche subjektive Recht folgt aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG, der das informationelle Selbstbestimmungsrecht schützt.

Demgegenüber scheidet ein Rückgriff auf die subjektiven Rechte nach der DSGVO (insbes. Art. 17) aus, weil der unionsrechtliche Datenschutz im Bereich der Strafverfolgung und der polizeilichen Gefahrenabwehr nicht zur Anwendung kommt (Art. 2 IId DSGVO).

II. Begründetheit

Das Verwaltungsgericht hebt die Anordnungen auf, wenn sie rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen (§ 113 I 1 VwGO). Als Adressaten der Verwaltungsakte sind die Kläger in ihren Grundrechten aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG verletzt, wenn der jeweilige Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig ist. Bei Rechtmäßigkeit sind die Klagen unbegründet.

1. Ermächtigungsgrundlage der Verwaltungsakte ist § 81b I StPO, 2. Alternative. Die Vorschrift sieht vor, dass Lichtbilder, Fingerabdrücke und Messungen bei Beschuldigten vorgenommen werden können, wenn dies aus Gründen des Erkennungsdienstes notwendig ist.

2. Es müssen die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme vorgelegen haben.

a) Formell ist dazu erforderlich, dass die zuständige Behörde unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorgaben in der vorgeschriebenen Form tätig geworden ist.

Nach den Polizeigesetzen der Länder ist die Polizei zuständig für Maßnahmen der Gefahrenabwehr, soweit die dafür an sich vorrangig zuständigen Ordnungsbehörden nicht rechtzeitig tätig werden können (subsidiäre Zuständigkeit). Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als Aufgabe der Gefahrenabwehr fällt ausnahmsweise in die „Erstzuständigkeit“ der Polizei. Für die Verhinderung von Straftaten gibt es keine sachlich zuständigen Verwaltungsbehörden, sodass diese Aufgabe von vornherein in den Aufgabenbereich der Polizei als Gefahrenabwehrbehörde fällt.

b) Materiell durfte der Verwaltungsakt nach § 81b I StPO, 2. Alternative nur ergehen, wenn der K bzw. M Beschuldigter ist und die Anfertigung der Unterlagen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Der Beschuldigtenbegriff ist gesetzlich nicht definiert. Die Eigenschaft als Beschuldigter entsteht, sobald Strafverfolgungsbehörden Maßnahmen treffen, die erkennbar darauf abzielen, gegen den Betroffenen strafrechtlich vorzugehen. Das trifft auf K und M zu.

Weitere Voraussetzung ist, dass die Anordnung zur Durchführung der Maßnahmen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Es bedarf somit einer polizeilichen Prognose über das zukünftige Verhalten der Betroffenen, wobei im Fall einer Negativprognose die Anfertigung der Unterlagen notwendig sein muss.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Durchführung der „Prognose“ und für die Beurteilung der „Notwendigkeit“ führt das OVG Bautzen aus:

Rn. 16: „Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Prüfung von Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO .. ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Nur für die Prognose der Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018 - 6 C 39.18).“

(1) Macht das Gesetz den Erlass eines Verwaltungsaktes von einer Prognoseentscheidung abhängig, eröffnet dies eine Beurteilungsermächtigung zugunsten der Verwaltung, die nur begrenzt von den Gerichten überprüfbar ist.

Wertungen im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich, Personalbeurteilungen etwa im Beamtenrecht, Prüfungsentscheidungen und auch Prognosen sind mit Einschätzungen verbunden, die von den Gerichten im Regelfall mangels Sachnähe nicht oder mangels Fachwissens nicht verlässlicher als durch die Behörde getroffen werden können. In diesen Fällen können materielle Fehler durch das Gericht nicht dadurch festgestellt werden, dass das Gericht – wie sonst beim materiellen Tatbestand – seine eigene Subsumtion anstelle der Subsumtion durch die Verwaltung stellt. Vielmehr müssen die Gerichte das Subsumtionsergebnis der Behörde übernehmen, es sei denn, die Einschätzung der Behörde beruht auf einem Beurteilungsfehler. Im Fall eines Beurteilungsfehlers hebt das Verwaltungsgericht den belastenden Verwaltungsakt auf, weil er dann so nicht ergehen durfte. Der Behörde ist es da nicht verwehrt, eine erneute – fehlerfreie – Beurteilung vorzunehmen.

Es ist beurteilungsfehlerhaft, wenn die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht umfassend ermittelt hat. Denn dann kann die behördliche Subsumtion nicht zutreffen. Dies gilt übrigens auch, wenn die Behörde den Rechtsbegriff fehlerhaft interpretiert, unter den sie subsumieren muss. Schließlich führen Erwägungen, die mit der Sache nichts zu tun haben, ebenfalls zu einem Beurteilungsfehler.

Die Polizeibehörden haben im vorliegenden Fall nach Abwägung aller Umstände unter vollständiger Ermittlung des Sachverhalts die Prognose getroffen, dass die Betroffenen auch künftig strafrechtlich in Erscheinung treten. Anhaltspunkte für Beurteilungsfehler liegen nicht vor.

(2) Trifft die Behörde beurteilungsfehlerfrei und damit zu Recht eine Negativprognose, so ist – worauf hinzuweisen ist – das sich anschließende Tatbestandsmerkmal, nämlich die Frage der Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung, seinerseits wiederum voll nachprüfbar. Denn diese Subsumtion ist mit Rechtsfragen verbunden, deren Bewertung dem Gericht ebenso möglich ist wie der Behörde, deshalb beurteilt sich dies auch nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor Gericht (siehe oben).

Das Tatbestandsmerkmal umschreibt das OVG Münster wie folgt:

Rn. 12: „Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellt worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten. Maßgeblich sind alle nach kriminalistischer Erfahrung bedeutsamen Umstände des Einzelfalls – insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist.“

Bei der Bewertung, ob die Datenspeicherung „notwendig“ ist, ist die Intensität der darin liegenden Grundrechtsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. OVG Bautzen:

Rn. 19: „Das in § 81b Alt. 2 StPO gesondert aufgenommene Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit, in dem das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf einfachgesetzlicher Ebene seinen Niederschlag gefunden hat, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff voller gerichtlicher Kontrolle. Damit werden im Anwendungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO Fälle ausgefiltert, in denen eine erkennungsdienstliche Behandlung zu Zwecken der Strafverfolgungsvorsorge, insbesondere aus dem Ergebnis des gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Anlassstrafverfahrens, bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt ist. Dementsprechend bemisst sich die Notwendigkeit von Maßnahmen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten. Liegen dahingehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Aufbewahrung bereits erhobener Unterlagen nicht (mehr) zulässig und demgemäß auch die Aufrechterhaltung einer noch nicht vollzogenen angefochtenen Anordnung zur Aufnahme von erkennungsdienstlichen Unterlagen rechtswidrig (BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018 - 6 C 39.16).

Das OVG Münster ergänzt die Interpretation aus der Gegenläufigkeit des öffentlichen Interesses und des betroffenen Grundrechts:

Rn. 14: „Dabei gebieten der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist.“

Die Kläger sind auch nach Durchführung der Strafverfahren in nicht unerheblicher Weise strafrechtlich erneut in Erscheinung getreten. Dabei ist auch von Bedeutung, dass M inzwischen nicht mehr dem Jugendstrafrecht unterfällt (§ 1 II JGG).

Damit lagen die Voraussetzungen für die Anordnungen der Polizei vor.

3. Auf der Rechtsfolgenseite eröffnet § 81b I StPO der Polizei Ermessen.

Ermessen bedeutet, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Rechtsfolge (Entschließungsermessen) und über das „Wie“ (Auswahlermessen) und damit über den Umfang der erkennungsdienstlichen Maßnahmen allein der Behörde vorbehalten ist. Das Gericht ist auf eine Feststellung von Ermessensfehlern beschränkt. Aus § 114 Satz 1 VwGO folgt, dass Ermessensfehler nur vorliegen, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht gebraucht hat (Ermessensausfall), etwaige Ermessensgrenzen überschritten hat (Ermessensüberschreitung) oder sich bei ihrer Ermessensbetätigung von unsachgemäßen Erwägungen hat leiten lassen (Ermessensfehlgebrauch).

Die Behörden haben im vorliegenden Fall unter Abwägung aller Umstände die streitigen Anordnungen getroffen. Das spricht für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Eine weitergehende Überprüfung durch das Gericht findet nicht statt, das Gericht kann nicht sein Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen.

Die Verwaltungsakte sind somit rechtmäßig.

Ergebnis

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

(OVG Münster 07.08.2024 – 5 A 885/21, OVG Bautzen 24.06.2024 – 6 A 526/20)

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