
Zulässige AGB im Hundekaufvertrag?
Eine inhaltliche Überprüfung von Vertragsbedingungen gehört zur Grundausstattung eines Juristen und einer Juristin und steht schon auf dem Vorlesungsplan Deiner BGB-AT Vorlesung im ersten Semester. Die Entscheidung vom Landgericht Köln ist ein sehr gutes Beispiel für Dich, welche Anforderungen an eine Inhaltskontrolle gestellt werden. Außerdem kannst Du aus dieser Entscheidung für Dich mitnehmen, was unter der gern verwendeten Floskel „sachverhaltsnahes Arbeiten und Argumentieren“ zu verstehen ist.
Was ist passiert?
Die Klägerin, die gewerbliche Hundezüchterin ist, verkaufte der Beklagten einen Labrador der Farbe schwarz, geboren am 07.04.2020, Chipnummer N01. Als Vertragsmuster für den schriftlichen Kaufvertrag nahmen die Parteien ein Muster eines Verbandes, der sich für Züchter einsetzt. Der Kaufvertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Vertragsgegenstand
…b) Die Parteien vereinbaren einen Kaufpreis von 2.200 Euro.
c) Das Tier bleibt bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung im Eigentum des Verkäufers.
…e) Weist der Käufer dem Verkäufer nicht innerhalb des ersten Jahres nach Übergabe des Tieres schriftlich nach, dass dieses nicht zu einer Zucht oder ähnliches verwendet wird oder verwendet werden kann (z.B. aufgrund von Kastration, Sterilisation) erhöht sich der Kaufpreis aufgrund der bestehenden Möglichkeit zur Zuchtnutzung auf den fünffachen Kaufpreis. Nach der schriftlichen Bestätigung geht das Eigentum des Hundes auf den Käufer über.
§ 8 Schlussbestimmungen
a) Für den oben genannten Welpen behält die Züchterin das Zuchtrecht, dieses beinhaltet den kompletten Erlös des Wurfes. Vereinbart wird, dass die Hündin für einen Wurf an die Züchterin ausgehändigt wird.
b) Nach der erfolgreichen Zucht oder sollte die Züchterin an einem Wurf kein Interesse haben, z.B. weil der Hund sich nicht positiv entwickelt hat, verpflichtet sich der Käufer der Hündin, diese unverzüglich kastrieren zu lassen. Die Kosten übernimmt der Käufer.
c) Nach erfolgter Kastration geht das Eigentum auf den Käufer über.
d) Der Kaufpreis beträgt 2.200 Euro, es wird ein vorläufig reduzierter Kaufpreis i.H.v. 1.700 Euro vereinbart. Sollte sich allerdings die Hündin nicht als Zuchttier eignen, wäre der komplette Kaufpreis fällig.
Die Beklagte zahlte 1.700 Euro an die Klägerin und erhielt den Hund. In der nachfolgenden Zeit forderte die Klägerin die Beklagte mehrfach auf, die Hündin untersuchen und die Zuchttauglichkeit durch einen Tierarzt feststellen zu lassen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach und reichte den vertraglich vereinbarten Nachweis über die Zuchttauglichkeit nicht ein.
Aufgrund dessen informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass sich wegen des nicht erbrachten schriftlichen Nachweises der Kaufpreis auf den fünffachen Wert des Kaufpreises erhöhte und forderte den restlichen Kaufpreis ein. Die Beklagte bot lediglich eine Nachzahlung in Höhe von 500 Euro an. Dies lehnte die Klägerin ab.
Die Klägerin erhob daraufhin vor dem Landgericht Köln Klage auf Zahlung der restlichen 9.300 Euro.
Rechtlicher Hintergrund
Das Landgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 9.300 Euro, weil die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere § 1e und § 8d des Kaufvertrages unwirksam seien. Diese Klauseln benachteiligen die Beklagte aus Sicht des Gerichts unangemessen gemäß § 307 I BGB.
Laut LG Köln stellen die Klauseln in dem verwendeten Vertragsmuster Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB dar, sodass eine Inhaltskontrolle dieser Vertragsbedingungen gemäß §§ 309, 308, 307 BGB eröffnet sei. Das Landgericht kam in seiner Inhaltskontrolle zu dem Ergebnis, dass die Klauseln in § 1 und § 8 nicht klar und verständlich formuliert seien, was dazu führt, dass die Beklagte einseitig und unangemessen benachteiligt werde gemäß § 307 I 2 BGB.
Das Landgericht knüpft seine Begründung gleich an mehrfache Formulierungen in den Vertragsbedingungen an:
§ 1e des Vertrages statuiere mit der Nachweispflicht eine zusätzliche vertragliche Nebenpflicht der Beklagten, die zulasten der Beklagten gehe.
Darüber hinaus treffe § 1e keine Regelung über einen etwaigen Verschuldens- bzw. Nichtverschuldensvorwurf. Die Beklagte habe daher nicht die Möglichkeit ihre Nachweispflicht in irgendeiner Weise abzuwenden. Insbesondere in den Fällen, in denen sie es nicht zu verschulden habe, dass sie den Nachweis über die Zuchttauglichkeit nicht rechtzeitig erbringen könne z.B., weil sie keinen Termin beim Tierarzt bekommen habe, dieser den Nachweis nicht rechtzeitig ausgestellt habe oder ihr Informationen fehlen würden.
Alternativ enthielt die schriftliche Vereinbarung auch keine Regelung dahingehend, dass die Beklagte diese Pflicht beispielsweise durch Überlassung des Tieres an die Klägerin abwenden könne.
Außerdem umfasse § 1e des Vertrages lediglich den Fall der Zuchtuntauglichkeit des Tieres. Die Beklagte könne der dort statuierten Nachweispflicht also nur im Falle der Untauglichkeit nachkommen. Unklar und offen bliebe, was mit der Nachweispflicht passiere, wenn das Tier zur Zucht geeignet sei. Dies ergebe sich auch nicht im Zusammenspiel mit § 8 des Vertrages, so das Landgericht.
Weiterhin enthielt das verwendete Vertragsmuster in § 1b, § 1e sowie in § 8d verschiedene Angaben zum Kaufpreis. In § 1b werde der Kaufpreis auf 2.200 Euro bestimmt. § 1e modifiziert diese Regelung jedoch für die Fälle der Nichterfüllung der Nachweispflicht und erhöhe den Kaufpreis um den fünffachen Wert. In § 8d werde zudem ein reduzierter Kaufpreis i.H.v. 1.700 Euro vereinbart. Allerdings werde der komplette Kaufpreis fällig, wenn sich das Tier nicht zur Zucht eigne. Durch diese unterschiedliche Begriffsverwendung sei nicht eindeutig erkennbar und klar verständlich, wie hoch nun der tatsächliche Kaufpreis sei, was insbesondere unter der Formulierung „kompletter“ Kaufpreis zu verstehen sei und vor allem, wann welche Zahlungsverpflichtung eintrete.
Außerdem werde laut dem Landgericht durch § 1e und § 8d das Zuchtrisiko des Tieres vollständig auf den Käufer des Tieres übertragen, was sich ebenfalls zulasten der Beklagten auswirke. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass in § 8d die Zahlung des kompletten Kaufpreises an die Zuchtuntauglichkeit geknüpft werde.
Schließlich enthalten § 1 und § 8 verschiedene widersprüchliche Regelungen zum Eigentumserwerb an dem Tier. In § 1c werde der Eigentumserwerb unter die Voraussetzung der vollständigen Kaufpreiszahlung gestellt. § 1e sehe dann jedoch erst vor, dass das Eigentum an dem Tier mit Erbringung des Nachweises über die Zuchtuntauglichkeit auf den Käufer übergehe. Wiederum in § 8c sei der Eigentumsübergang dann an die erfolgreiche Kastration des Tieres geknüpft. Durch diese Regelungen sei gemäß § 307 I 2 BGB nicht klar und verständlich, wann der Eigentumsübergang nun erfolge und unter welchen Voraussetzungen. Insbesondere werde der Eigentumsübergang unangemessen lang hinausgezögert. Das Landgericht sah in diesen Regelungen eine unzulässige Abweichung von den gesetzlichen Bestimmungen über den Eigentumserwerb gemäß §§ 929 ff. BGB. Dies führe zu einer einseitigen Interessenverteilung zulasten des Käufers. Das Gesetz sieht in § 929 BGB nämlich vor, dass das Eigentum an beweglichen Sachen mit der Einigung und Übergabe übergeht.
Prüfungsrelevanz
Auf den ersten Blick wirken Klausuren, die eine AGB-Kontrolle beinhalten, überschaubar. Du weißt von Anfang an, zu welchen §§ die Reise hingeht, welche Prüfungsschritte erforderlich sind und Du hast ein bekanntes und bewährtes Prüfungsschema zur Hand, an dem Du Dich entlanghangeln kannst. Die Gefahr besteht hier, dass die eigentliche inhaltliche Prüfung der Vertragsklauseln unterschätzt wird, die jedoch den Kern solcher Klausuren darstellt. Charakteristisch für solche Klausuren ist zum einen, dass die rechtliche Lösung nicht von irgendwelchen juristischen Raffinessen geprägt ist, sondern eine saubere Argumentationsarbeit im Vordergrund steht. Zum anderen gibt es in solchen Klausuren nicht die richtige oder die falsche Lösung, sondern nur eine vertretbare oder nicht vertretbare Lösung. Und so lange Du eine stichhaltige Argumentation ablieferst, ist bekanntlich vieles vertretbar.
Resümee
Solltest Du schon ein paar Semester im Rücken haben, ist das Urteil vom Landgericht Köln für Dich wahrscheinlich eine gute Wiederholung. Wenn Du Dich gerade erst im ersten oder zweiten Semester befindest, ist das Urteil ein hilfreiches Beispiel, wie eine sorgfältige und detaillierte Inhaltskontrolle von Vertragsbedingungen zu erfolgen hat. Wichtig ist, dass Du bei solchen Klausuren Schritt für Schritt durch die jeweiligen Klauseln gehst, Dir Wort für Wort anschaust und die Klauseln auch in Bezug zueinander setzt. Dann gelingt Dir eine allumfassende Kontrolle der Klauseln und Du wirst wertvolle Punkte sammeln können.
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