Best-of unangenehme Gespräche

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10 Fragen, die man Jurastudierenden und ReferendarInnen nicht stellen sollte

Am Anfang der juristischen Ausbildung beantwortet man Fragen rund um das Studium noch gerne, teils auch mit Stolz und Leidenschaft. Die Begeisterung nutzt sich mit den Jahren bei den meisten allerdings ab, was in Anbetracht der immer gleichen Erkundigungen nicht verwunderlich ist. Dass Freunde, Familie oder auch entferntere Bekannte neugierig sind und die Fragerei auf ehrlichem Interesse beruht, muss man sich spätestens dann immer wieder vergegenwärtigen, wenn man von der Examensvorbereitung maximal gestresst ist. Die ein oder andere Frage mag ungewollt Unsicherheiten und Ängste triggern, die man ansonsten (gut) unter Kontrolle hat. Um einen Stimmungstiefpunkt auf der nächsten (Familien-)Feier zu verhindern, bietet es sich an, die Fragen so gut es geht mit Humor zu nehmen oder möglichst kreativ zu beantworten:

1. Ach, Du studierst Jura? Das ist doch ganz schön trocken. Da lernst Du doch nur Gesetze auswendig, oder?

Ja klar, wer die über 2000 Paragraphen des BGB nicht auswendig kann, der besteht das Examen nicht. Es geht ja schließlich nicht darum, unser Rechtssystem zu verstehen und Fälle zu lösen, um später in der Praxis Sachverhalte zu durchdringen, die so nicht im Lehrbuch stehen. Fragen aus dem echten Leben eben, die man nur mit den juristischen Grundfertigkeiten erarbeiten und nicht anhand von drei Klicks und einer laienhaften Google-Recherche beantworten kann. Wer Elan hat, erklärt dann noch, dass man die Grundlagen unserer staatlichen Ordnung durch ein rechtswissenschaftliches Studium erst so richtig versteht und dass Jura in unserem Alltag allgegenwärtig ist. Seine Zuhörer hat man spätestens dann verloren, wenn man erklärt, wie viele Rechtsgeschäfte (oder gar Willenserklärungen) doch beim Brötchenkauf am Ende vorliegen und wie diese ablaufen.

Schafft man es nicht, sein Gegenüber so erfolgreich zuzutexten, dass nur ein Themenwechsel oder der Gesprächsabbruch infrage kommt, ergibt sich eine oft, aber genauso ungern gehörte Folgefrage:

2. Ihr dürft in den Prüfungen die Gesetze benutzen? Das ist ja, als hätte man einen Spickzettel/direkt das ganze Lehrbuch mit Lösungen dabei.

Nein, ist es nicht. Wenn es so einfach wäre, dann müsste ja jeder, der die §§ 929 ff. BGB aufgeschlagen hat, einwandfrei feststellen können, wer nun Eigentümer der Sache ist. Das entspricht nur leider nicht der Realität. Rechtssprache gleicht manchmal eher einer Codierung.

Falls man die Muße hat, die Situation zu erklären, so bietet sich der Vergleich mit dem Taschenrechner bei naturwissenschaftlichen Fächern oder dem Hammer eines Zimmermannes an. Die Gesetze sind unser Arbeitsgerät, ohne die man äußerst schnell an seine Grenzen gerät. (Die Dozierenden, die Leute aus der Vorlesung verbannen, die ihre Gesetze nicht physisch dabeihaben, machen dies nicht grundlos.) Das ungewohnte Gefühl, was sich ausbreitet, wenn man das Haus nach der juristischen Ausbildung irgendwann wieder ohne Gesetze verlassen kann, ist gleichzeitig befreiend wie auch befremdlich – man fühlt sich in gewisser Weise erst mal nackt oder als hätte man etwas Wichtiges vergessen (bspw. sein Handy).

3. Wann bist Du endlich fertig? Du studierst ja schon ganz schön lange.

Es dauert so lange es dauert. Wer sich noch in der Regelstudienzeit befindet, oder sicher ist, in dieser fertig zu werden, mag die staatliche Zielvorgabe von 5 Jahren als Grundlage seiner Antwort heranziehen. Dabei begibt man sich allerdings in eine Zwickmühle, wenn man am Ende seine Klausuren oder das Examen nicht im ersten Versuch besteht, einen Verbesserungsversuch einplant, in der Examensvorbereitung krank wird oder es dabei langsamer angehen lässt, ein Semester aus gesundheitlichen- oder familiären Gründen pausieren muss oder ein Auslandssemester macht. Mit der Aussage, dass das Studium voraussichtlich mindestens 5 Jahre andauern wird und es sich dabei schon von der Länge her von üblichen Bachelorstudiengängen unterscheidet, hofft man, sich Zeit zu verschaffen, bis die nächsten Nachfragen dieser Art kommen. Spoiler alert: Das klappt nicht. Spätestens beim nächsten Familientreffen wird sie wieder von irgendwem gestellt.

Alle potenziellen Fragensteller sollten allerdings wissen, dass man als Studierender bereits unter einem beträchtlichen Druck steht. Das Studium fühlt sich zum Ende hin mehr nach Nervenkrieg als nach einem Spaziergang an und diese Frage triggert die Ängste vor dem Durchfallen oder dem Nichterreichen des Notenziels ungemein. Bitte einfach nicht nach der Dauer fragen, sondern abwarten und begeistert sein, wenn das Examen schließlich bestanden ist.

4. … und dann bist Du Anwalt?

Nein, nach dem Studium folgt für die meisten das Referendariat. Hat man das erfolgreich abgeschlossen, kann man, soweit man die weiteren Voraussetzungen (§§ 4 ff. BRAO) erfüllt, als Anwalt oder Anwältin zugelassen werden. Man kann aber auch in einem Unternehmen, in der Verwaltung, bei der Staatsanwaltschaft oder als Richter:in in die juristische Karriere starten.

In Deutschland wird man bis zum Ende des Referendariats zum juristischen Generalisten ausgebildet, in anderen Ländern muss das aber nicht so sein: Beispielsweise in Polen wird im Referendariat untergliedert und (nur noch) speziell für den ausgewählten Berufszweig (Staatsanwaltschaft/Richter oder Rechtsanwalt usw.) ausgebildet. Auch wenn man sich gefühlt viel zu oft und zu intensiv mit Rechtsgebieten beschäftigen muss, die einen nicht interessieren, so hat man am Ende also einen Strauß an Möglichkeiten. Berufswechsel sind so relativ einfach möglich.

5. Was willst Du werden?

GLÜCKLICH! Die Berufswünsche verändern sich bei den meisten im Laufe der juristischen Ausbildung massiv. Nur einige wenige sind auch am Ende noch Feuer und Flamme für einen konkreten Beruf. Natürlich ist es einfacher und beruhigender für die Verwandten, wenn man ihnen an Weihnachten einen solchen konkreten Beruf nennen kann. Wechselt dieser jedes Jahr, vermittelt dies vielleicht irgendwann den Eindruck fehlender Beständigkeit. Es ist auch keine Schande, bis zum Ende des Referendariats nicht den „Traumberuf“ ausfindig gemacht zu haben und stattdessen nur zu wissen, was man nicht machen will. Interessiert man sich für abseitige Tätigkeitsfelder, so kann man seine Praktika im Studium oder die Ausrichtung des Referendariats hieran orientieren, da man die Praxis in der Kürze der Stationszeiten allerdings nur begrenzt kennenlernt, „funkt“ es vielleicht nicht direkt. Der Unterschied zwischen der „idealen Praxis“, wie sie im Referendariat gelehrt und geprüft wird, unterscheidet sich teilweise recht erheblich von der Tätigkeit im Job. Wegen der generalistischen Ausbildung hat man immer wieder die Möglichkeit, sich auszuprobieren und auch nach einigen Jahren im Beruf noch eine andere Richtung einzuschlagen. Aber glücklich sollte man dabei sein.

6. Hä? Du freust Dich über 8 Punkte? Das ist ja nicht mal die Hälfte von 18 Punkten. Das ist ja gar nicht mal so gut.

Die Notenskala in der juristischen Ausbildung ist absolut nicht hilfreich. Studenten sind frustriert, weil der zweistellige Bereich nicht konsequent bis zur 18 ausgenutzt wird. Das Selbstwertgefühl leidet. Wie man die Notenvergabe seinen nichtjuristischen Freunden und der Familie erklären soll, bleibt eine schwierige Frage. Am besten nähert man sich ihr über „Vier gewinnt“. Denn 4 Punkte sind bestanden. 9 Punkte stellen wiederum das Ziel vieler Träume dar, das im ersten Examen etwa von 30 % der Kandidat:innen erreicht wird, wobei die Prädikatsquote nach Bundesland sehr verschieden ist.

Studierende anderer Studiengänge, die ein Modul „Recht“ gehört haben und diesen Schein dann auch bestanden haben, sind da die liebsten Fragensteller. Dass sich das nicht mit dem Jurastudium vergleichen lässt, könnte man denjenigen wohl nur ernsthaft klarmachen, indem man mal seine neben eine Juraklausur aus dem rechtswissenschaftlichen Studium legt. Aber man muss auch nicht jeden überzeugen und sich beweisen. Das ist reine Energieverschwendung. Es reicht, wenn man seine Leistung selbst einordnen kann. Deswegen blieb es bewusst beim Konjunktiv.

Anderen Menschen verständlich zu machen, dass juristische Prüfungen allein schon wegen des erforderlichen Stils und dem inhaltlichen Umfang der Materie wenig mit dem Abitur gemein haben, ist eine Mammutaufgabe. Wer im Abitur gut war, der wird nicht automatisch ein Jura-Ass. Gute Noten im Staatsexamen können, anders als in der Oberstufe, nicht mit Bulimielernen erzielt werden. Dafür bedarf es ein juristisches Grundverständnis und entsprechende Übung beim Klausurenschreiben unter Zeitdruck. Und das ist kein Spaziergang. Für diejenigen, die mit wenig Aufwand in der Schule gute Noten erzielt haben, ist diese Tatsache vielleicht sogar schwerer zu verkraften als für diejenigen, die auch schon in der Schule konsequent üben mussten, um gut zu sein. Das Level an Disziplin und eine hohe Frustrationstoleranz, also die Fähigkeit trotz auftretender Rückschläge weiter konsequent auf das Ziel „Staatsexamen“ hinzuarbeiten, sind hier absolut entscheidend.

8. Du nimmst Nachhilfe, damit Du das Examen packst?

Nein. Auch hier ist Jura wieder einmal speziell. Lediglich Medizinern dürfte das Konzept von Repetitorien bekannt sein. Die Stofffülle macht das Projekt des Examens anspruchsvoll. Sich Hilfe zu suchen ist daher kein Zeichen von Schwäche, sondern eine Möglichkeit, seine Effizienz beim Lernen zu steigern, ohne dabei wichtige Themenbereiche aus den Augen zu verlieren. Jura Online ermöglicht ein Lernen im eigenen Tempo und von überall auf der Welt. Auch kannst Du Dich mit dem Klausurenkurs auf das echte Examen vorbereiten. Du kannst hier wählen, ob Du original Examensklausuren aus vergangenen Durchgängen schreiben möchtest oder ob Du auf Grundlage aktueller Rechtsprechung konstruierte Sachverhalte als Klausurfall erhalten möchtest.

9. Worin hast Du Dich spezialisiert?

Im Überleben an der Uni? Im schnellen Schreiben (und zukünftig hoffentlich eher: dem schnellen Tippen) von Klausuren? Oder in der Erarbeitung von Lernplänen, die man am Ende dann doch wieder über Bord schmeißt?

Der Irrtum über die frühe Spezialisierung ist wahrscheinlich fehlender Kenntnisse der Fragenden über das Studium geschuldet. Hier kann man das Studium natürlich gern erklären - in der engeren Familie wird sich das lohnen, bei losen Bekannten muss das jeder für sich selber entscheiden. Natürlich kann man auch seinen universitären Schwerpunkt nennen, der allerdings für die Wenigsten schon zukunftsweisenden Charakter hat. Man kann im Studium Strafrecht wählen und später dann Fachanwalt:in für Familienrecht werden, auch wenn man sich das zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lässt. Genauso sieht dies im Referendariat aus: Die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anwalts- und Wahlstation im Referendariat können die zukünftige Karriere massiv beeinflussen, weil man seine Fähigkeiten schon vor Ort bei einem potenziellen Arbeitgeber zeigen kann. Es bleibt (mit entsprechenden Noten) allerdings auch jedes andere Betätigungsfeld offen.

10. Dann kannst Du mich also bald vertreten? Das trifft sich gut, denn ich habe da mal eine Frage: [Es folgt eine ultra komplexe Frage in einem Rechtsgebiet, zu dem man im Studium keine bzw. keine vertieften Kenntnisse erlangt, wahlweise Familien- oder Erbrecht]

Man kann ganze Partynächte mit entsprechenden Fallbesprechungen zubringen, sobald jemand herausgefunden hat, was man studiert oder studiert hat. Das mag in Maßen und ganz ganz vereinzelt auch mal nett sein, weil man Menschen gerne hilft. Aber in der Regel handelt es sich um Fragestellungen, die den Rahmen eines kleinen Gefallens sprengen und sehr schnell - soweit man die Frage denn seriös beantworten will - in umfangreicher juristischer Arbeit ausufern würden. Das ist für den Laien zugegebenermaßen oft schwer zu erkennen. Allerdings sollte man als Fragender einmal in sich gehen und prüfen, ob man das, was man selbst beruflich macht, der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung stellen würde. Auch innerhalb des Freundeskreises empfiehlt es sich, hierfür Grenzen zu setzen, um einer einseitigen Beziehung zuvorzukommen. Wenn man ganz ehrlich ist, dann fühlt sich doch am Ende immer jemand benachteiligt, weil man Gefallen nicht aufrechnen kann und sollte.

Wenn das Gegenüber dann auch noch in einem Satz einstreut, dass er/sie „da mal gegoogelt habe“ und eine Meinung zu dem Recherchierten verlangt, haben mir bisher nur zwei Dinge geholfen: Die erste Möglichkeit ist, bestimmt aber freundlich darauf hinzuweisen, dass man den Fall ohne die Details nicht beurteilen kann und dies auch nicht möchte, da dies ein Job für eine Kanzlei wäre, die jedenfalls versichert ist, wenn sie die Mandantschaft falsch berät. Es gilt also Grenzen zu setzen, auch wenn das nicht immer auf Zuspruch stößt. Die zweite, zugegebenermaßen weniger elegante Möglichkeit bzw. das Mittel der Wahl, wenn Nummer 1 nicht zieht: Flucht!

Deswegen liebe Familie, liebe Freunde und Bekannte, bevor Sie sich zu entsprechenden Fragen hinreißen lassen, so überprüfen Sie bitte, ob dies nach der Lektüre des Artikels wirklich noch erforderlich ist. Examenskandidaten und auch jüngere Semester genießen Feierlichkeiten und andere soziale Ereignisse, wahrscheinlich ähnlich wie Sie selbst, am meisten, wenn über andere Themen als die Arbeit (ja, das Jurastudium ist Arbeit!) gesprochen wird.

P.S.: Allen Jurastudierenden viel Spaß beim Ausprobieren und starke Nerven! Bis auf Frage 10 werden alle anderen Fragen irgendwann Geschichte sein.

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