Schadensersatz bei Sturz auf der Strandpromenade

Schadensersatz bei Sturz auf der Strandpromenade

LG Lübeck zur Verkehrssicherungspflicht

Im Land der Dauerbaustellen dürfte es keine Seltenheit sein, dass Fußgänger auf provisorische Behelfswege ausweichen müssen. Doch was ist, wenn diese dann (vermeintlich) nicht hinreichend abgesichert sind und es zu einem Sturz mit einhergehender Verletzung kommt?

Was ist passiert?

In der Gemeinde fanden im Sommer 2021 Bauarbeiten auf der Strandpromenade statt, von denen auch der eigentliche Fußweg betroffen war. Neben dem Baustellenbereich waren sowohl ein provisorischer Gehweg eingerichtet als auch Absperrbaken angebracht. Die Gemeinde übertrug die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Baustelle in der maßgeblichen Zeit auf die C Bau GmbH. Verantwortlich für wöchentliche Kontrollen war zudem ein privates Planungsbüro.

Mitte August 2021 stürzte nun die Passantin und spätere Klägerin beim Passieren des provisorischen Fußwegs und zog sich eine Verletzung an der Wirbelsäule zu. Schuld für das Umknicken sei der uneben angelegte Weg gewesen. Insgesamt habe die Gemeinde die Baustelle nicht ausreichend abgesichert.

Nachdem die Gemeinde dem Schmerzensgeldverlangen der Passantin nicht nachkam, klagte diese vor dem Landgericht Lübeck.

Die Gemeinde trug im Prozess dann vor, dass sie zunächst schon die falsche Beklagte sei, vielmehr müsste die C Bau GmbH verklagt werden. Des Weiteren hätten wöchentliche Kontrollen auf der Baustelle stattgefunden.

Rechtliche Einordnung

Dass der eben geschilderte Fall im Deliktsrecht spielt, ist wohl kein Geheimnis. Spannend ist indes aber, ob es sich hier um einen Anspruch aus § 823 BGB oder um einen Amtshaftungsanspruch handelt. Für letzteren sind die Landgerichte nach §§ 1 ZPO, 71 II Nr. 2 GVG sachlich ausschließlich zuständig.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG weist die zulässige Klage als unbegründet ab.

Die Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand bezüglich öffentlicher Wege und Plätze sei grundsätzlich zwar keine Amtspflicht, sondern eine allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB, anders sei dies aber dann, wenn das jeweilige Bundesland die Verkehrssicherungspflicht konkret als öffentlich-rechtlich geregelt hat. Dann nämlich werde sie zu einer Amtspflicht mit der Folge, dass dann § 839 BGB iVm. Art. 34 GG heranzuziehen sei.

In Schleswig-Holstein sei mit § 10 IV StrWG SH eine solche Regelung vorhanden. Danach würden alle mit der Unterhaltung und Überwachung der Verkehrssicherheit öffentlicher Straßen zusammenhängenden Aufgaben als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen. Sie ziele gerade auch darauf ab, jeden Einzelnen u.A. vor Verletzungen zu schützen. Sie sei demnach drittgerichtet und eine Verletzung könne einen Amtshaftungsanspruch begründen. Die Reichweite dieser Pflicht entspräche dabei im Wesentlichen der Verkehrssicherungspflicht des § 823 BGB.

Sofern die Gemeinde die von ihr durchzuführenden Arbeiten auf ein anderes Unternehmen überträgt, bleibe sie zwar trotzdem verkehrssicherungspflichtig, inhaltlich beschränke sich diese Pflicht dann aber auf eine Aufsichts- und Überwachungspflicht. Deren Umfang sei nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

Grundsätzlich dürfe sich die Gemeinde auf sorgfältig ausgewählte Fachunternehmen verlassen. Sie müsse aber gewährleisten, dass Verkehrssicherungsmaßnahmen auch tatsächlich ergriffen werden. Ferner müsse es stichprobenartige Kontrollen geben. Sofern sich der mit den Aufgaben betraute Unternehmer nicht als zuverlässig erweise, müsse sofort eingeschritten werden.

Nach den Gesamtumständen im vorliegenden Fall habe aber bereits die C Bau GmbH die ihr übertragene Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, sodass auch die Gemeinde ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt habe.

Eine Pflichtverletzung seitens der C Bau GmbH liege hier nicht im Anlegen des provisorischen Weges als solches. Der Behelfsweg sei als solcher deutlich erkennbar gewesen und habe dadurch gerade nicht den Eindruck vermittelt, es könne hier in gleicher Weise wie auf der eigentlichen Strandpromenade entlang spaziert werden. Vielmehr müsse in solchen Fällen mit Unebenheiten im Boden gerechnet und besonders darauf geachtet werden. Größere Löcher oder Ähnliches habe es hier nicht gegeben, auch die A habe derartiges nicht vorgetragen.

Sofern nun aber schon seitens der C Bau GmbH keine Verkehrssicherungspflichtverletzung gegeben sei, so könne die Gemeinde ihre Überwachungspflicht gar nicht verletzt haben, sodass hier mangels Amtspflichtverletzung kein Amtshaftungsanspruch bestehe.

Prüfungsrelevanz

Deliktsrechtliche Ansprüche rund um eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sind als solches schon ein absoluter Prüfungsklassiker. Besonders attraktiv für das Prüfungsamt dürfte in diesem Fall die Heranziehung des § 10 IV StrWG SH sein, woraus sich erst der drittschützende Charakter und damit der Amtshaftungsanspruch ergibt. Sicher werden von Dir keine tiefer gehende Kenntnisse im Straßen- und Wegerecht Deines Bundeslandes erwartet und in der Regel dürfte die entscheidende Norm auch unter dem Sachverhalt abgedruckt sein.

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