Was genau sind „wenige Gehminuten“?
Mit Beginn der Semesterferien startet auch für Studierende die Reisezeit. Zwar werden die wenigsten von uns in ein Boutique-Hotel nach Costa Rica fliegen, die diesem Beitrag zugrunde liegende Gerichtsentscheidung beschäftigt sich aber mit einer ganz zentralen und für viele relevanten Fragestellung beim Strandurlaub: Was genau sind „wenige Gehminuten“ vom Hotel zum Strand? Dazu hat das AG München nun konkret Stellung genommen und sogar, nach Auslegung der vorliegenden Umstände, eine bestimmte Minutenanzahl festgelegt.
Was war geschehen?
Die Klägerin war mit ihrer neunjährigen Tochter im Urlaub in Costa Rica. Dafür buchte sie ein Boutique-Hotel, das nach eigenen Angaben „nur wenige Gehminuten von wunderschönen Stränden entfernt“ sei. Als sie dort ankamen, stellte sich auf Nachfrage an der Rezeption heraus, dass sie ein Taxi bräuchte, um den nächsten Strand zu erreichen, da dieser 25 Gehminuten entfernt sei. Zwischen Hotel und Strand liegt eine Entfernung von 1,3 Kilometern. Daraufhin buchte die Klägerin ein Ersatzhotel für die restliche Zeit - in Absprache mit der Reiseveranstalterin und auf eigene Kosten. Diese Kosten in Höhe von 733 Euro sowie 1.062 Euro an Schadensersatz wegen des Hotelwechsels, der einen Tag Urlaubszeit gekostet habe, machte sie sodann gegenüber dem Reiseveranstalter geltend. Dieser hielt dagegen und stellte darauf ab, es sei nie eine bestimmte Gehzeit oder Entfernung zum Strand vereinbart gewesen und ohnehin betrage die Zeit nur etwa 15 Minuten. So kam es zum Rechtsstreit am Amtsgericht München.
Entscheidung des Gerichts
Das AG München gab der Klage vollumfänglich statt. Dies begründete es damit, dass unstreitig eine 1,3 Kilometer betragende Entfernung von Hotel zu Strand vorliege. Wenn es um die Frage gehe, was wenige Gehminuten bei dieser Entfernung seien, sei in Betracht zu ziehen, dass es sich bei der gebuchten Reise um eine im Hochpreissegment handle mit Kosten von knapp 9.000 Euro ohne Flüge, aber einer Dauer von 12 Tagen. Zudem sei mit einzubeziehen, dass die Klägerin mit ihrer noch recht jungen Tochter unterwegs gewesen sei, was die Beklagte auch gewusst habe, sodass kein Lauftempo von den Gästen hätte erwartet werden können. Als Ergebnis davon sei nach Auffassung des Gerichts, per Auslegung des vertraglich festgelegten Merkmals „wenige Gehminuten“, eine Zeit von nicht mehr als fünf Minuten anzusetzen. Lege man diese als Maßstab für die 1,3 Kilometer zugrunde, dann ergebe sich eine erforderliche Geschwindigkeit von 15,6 km/h. Dies sei selbst für erfahrene Läufer eine Herausforderung und damit in der Gesamtschau hier nicht zumutbar gewesen. Nach Ansicht des Gerichts liege darin ein Mangel im Sinne des Reisevertragsrechts. Somit sprach sie der Klägerin den Anspruch auf Zahlung der insgesamt geforderten 1.795 Euro zu.
Prüfungsrelevanz
Zwar ist das (Pauschal-)Reisevertragsrecht nicht in jedem Bundesland (mehr) Prüfungsstoff nach der jeweiligen Ausbildungsordnung, allerdings liegt auch diesem die gleiche Grundstruktur zugrunde wie bei den anderen Gewährleistungsrechten, sodass nach Angabe der maßgeblichen Normen auch in diesem Rechtsgebiet eine saubere Gesetzesanwendung abgeprüft werden kann. Die Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB hingegen ist zumindest mittelbarer Bestandteil von fast jeder zivilrechtlichen Klausur. Zudem lohnt sich die Kenntnis dieser Rechtsprechung auch für die eigenen Reiseplanungen – in diesem Sinne wünschen wir von Jura Online schöne Semesterferien!
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