AG Düsseldorf zum Reiserecht

AG Düsseldorf zum Reiserecht

Kein Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters bei Rücktritt wegen Waldbränden

Auf den Urlaub freuen wir uns alle riesig. Groß ist dann die Enttäuschung, wenn die geplante Reise storniert werden muss. Sofern es dann aber auch noch Stress mit dem Reiseveranstalter gibt, ist der Super-GAU perfekt. So erging es auch einer Familie aus Düsseldorf, worüber jüngst das Düsseldorfer Amtsgericht zu entscheiden hatte.

Was ist passiert?

A buchte für sich, ihren Ehemann und ihre Kinder Anfang 2023 beim Reiseveranstalter B eine Pauschalreise nach Rhodos für den Sommer 2023 zu einem Preis von ca. 3.000 Euro, den sie auch sogleich beglich. Ab Juli 2023 kam es in Griechenland aufgrund der extremen Temperaturen vermehrt zu Waldbränden. Auch das deutsche Auswärtige Amt veröffentlichte dazu eine entsprechende Mitteilung. Darin zu finden war auch der Hinweis, dass sich Reisende vor Antritt der Reise über die konkrete Gefährdungslage informieren und ihren Reiseveranstalter kontaktieren sollten. Auch ein Verschieben der Reise sollte in Erwägung gezogen werden. Eine offizielle Reisewarnung gab es indes aber nicht.

In der Folgezeit berichteten auch diverse Nachrichtensender über das Geschehen auf Rhodos. Lokale Sicherheitskräfte gaben an, dass die Lage besonders gefährlich sei und sich das Feuer durch den Wind auch schnell ausbreite.

Laut einer von A aufgerufenen Satellitenkarte der NASA befand sich das Feuer in nur etwas mehr als 10 Kilometer Entfernung zum gebuchten Hotel. Sie entscheidet sich schließlich, die gesamte Reise zu stornieren. Weil B dann aber nicht den vollen Betrag zurückzahlt, sondern eine Stornopauschale einbehält, zog A vor Gericht.

Rechtliche Einordnung

In der Sache geht es im oben geschilderten Sachverhalt um § 651h BGB, konkret dessen Absatz 1 und 3. Sofern die gebuchte Pauschalreise vor Antritt vom Reisenden storniert wird, kann der Veranstalter eine angemessene Entschädigung verlangen. Dies gilt allerdings nicht, wenn außergewöhnliche Umstände am Urlaubsort vorliegen, welche die Durchführung der Reise beeinträchtigen.

Die Entscheidung des AG Düsseldorf

Das Gericht gibt der Klage von A statt. Hierzu führt es aus, dass B den vollen Reisepreis erstatten müsse, weil der Anspruch auf Entschädigung nach § 651h III BGB ausgeschlossen sei und sich B damit nicht mit Erfolg auf die in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegte Stornopauschale berufen könne. Nach dieser Norm könne ein Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare außergewöhnliche Umstände auftreten, welche die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen erheblich beeinträchtigen.

Maßgeblich sei hier eine Prognose im Zeitpunkt des Rücktritts. Auf eine tatsächliche Gefahr bzw. den Umstand, dass die Reise wie vereinbart stattfinden habe können, komme es dagegen nicht an.

Die Prognose sei ex ante aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden vorzunehmen. Sie müsse insbesondere den Ort, die Art, die Länge und die wesentlichen Umstände der Reise berücksichtigen und dann zu dem Ergebnis kommen, dass eine hinreichende Gefährdung bestehe.

Diese Grundsätze treffen laut Gericht auch auf den hiesigen Fall zu. Die A durfte aufgrund ihrer im Rücktrittszeitpunkt - hier einen Tag vor Anreise - mit hinreichender Sicherheit von einer erheblich beeinträchtigten Reise ausgehen. Die Waldbrände seien zu diesem Zeitpunkt noch längst nicht gelöscht gewesen, vielmehr breiteten sie sich laufend aus. Dieser Umstand stelle eine Gefahr für die persönliche Sicherheit der Reisenden dar. Insbesondere sei hier zu berücksichtigen, dass die A mit ihren Kleinstkindern reisen wollte, die zum Zeitpunkt des geplanten Reiseantritts nicht einmal das erste Lebensjahr vollendet hatten und für die wegen der zu erwartenden Rauchentwicklung aufgrund der Brände sowie der vorherrschenden Hitze eine erhebliche Gesundheitsgefahr bestehe.

Auch wenn es sich bei der Meldung des Auswärtigen Amtes nicht um eine offizielle Reisewarnung gehandelt habe, so sei dies ein Indiz, dass die Prognose der A richtig gewesen sei. Durchschnittsreisende könnten nur schwer zwischen einer offiziellen Reisewarnung und bloßen Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes unterscheiden. Hinzu komme, dass andere Reiseveranstalter zu diesem Zeitpunkt bereits keine Touristen mehr nach Rhodos ausgeflogen haben. Auch dieses Verhalten anderer Anbieter habe eine Indizwirkung, weshalb der von A erklärte Rücktritt letztlich also nicht zu einem Entschädigungsanspruch führe.

Prüfungsrelevanz

Auch wenn das Reisevertragsrecht nicht (mehr) in allen Bundesländern zum Pflichtfachstoff gehört, können einzelne Normen daraus sehrwohl Gegenstand einer Klausur werden. Gerade die hier im Beitrag behandelte Norm § 651h BGB bietet bestens Gelegenheit für eigenständige Argumentation, sauberes gesetzesnahes Arbeiten und insbesondere auch die Anwendung altbekannter Auslegungsmethoden.

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