BGH zum Verbraucherbauvertrag bei sukzessiver Beauftragung einzelner Gewerke

BGH zum Verbraucherbauvertrag bei sukzessiver Beauftragung einzelner Gewerke

Handelt es sich bei der sukzessiven Beauftragung einzelner Gewerke noch um einen Verbraucherbauvertrag?

Der Bauvertrag ist in §§ 650a f. BGB geregelt und danach kann der Unternehmer von dem Besteller gem. § 650f BGB unter anderem eine Bauhandwerkersicherung verlangen. Bei einem Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB ist dies nicht möglich. Liegt ein Verbraucherbauvertrag noch vor, wenn einzelne Gewerke nicht auf einmal, sondern nachfolgend beauftragt werden?

A. Sachverhalt

Die Klägerin K ist Bauunternehmerin. Der Beklagte B ist Besteller. B erteilte K zunächst einen Auftrag für Rohbauarbeiten zur Errichtung eines neuen Bürogebäudes, welches durch Vermietungen seiner privaten Altersvorsorge dienen sollte. Diese Arbeiten wurden fertiggestellt, per Schlussrechnung abgerechnet und von B -nach der Behauptung der K teilweise in Kenntnis einer Nichtschuld- vollständig bezahlt. Im nächsten Jahr beauftragte B die K erneut zu verschiedenen Zeitpunkten unter anderem mit Estrich-, Trockenbau- und Zimmererarbeiten. Auch hierfür erstellte K Schlussrechnungen. Insofern verlangt sie auch eine Bauhandwerkersicherung in Form eines Aufschlages von 10 % auf den Rechnungsbetrag. B macht hilfsweise die Aufrechnung mit zu viel geleisteten Zahlungen bei den Rohbauarbeiten geltend.

K verlangt von B einen Aufschlag von 10 % auf den Rechnungsbetrag.

B. Entscheidung

K möchte von B eine Bauhandwerkersicherung i.H.v. 10 % des Vergütungsanspruchs nach § 650f I 1 BGB.

I. Abgrenzung Bauvertrag und Verbraucherbauvertrag

Ein Bauvertrag nach § 650a BGB ist zunächst von einem Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB abzugrenzen.

1. Allgemeines

Bei Bauverträgen nach § 650a BGB und Verbraucherbauverträgen nach § 650i BGB handelt es sich auch um Werkverträge gem. § 631 BGB. Dort finden sich im Kapitel 1 in den §§ 631-650 BGB die allgemeinen Vorschriften über den Werkvertrag. Besonderheiten ergeben sich im 2. Kapitel für den Bauvertrag nach §§ 650a-h BGB, wonach der Unternehmer z.B. gem. § 650f von dem Besteller eine Sicherung für seinen Vergütungsanspruch verlangen kann, was nicht möglich ist, wenn es sich um einen in Kapitel 3 nach den §§ 650i-n BGB geregelten Verbraucherbauvertrag handelt.

2. Beauftragung einzelner Gewerke

Gem. § 650a I 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Verbraucherbauverträge sind gem. § 650i I BGB Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Für einen Verbraucherbauvertrag genügt es nicht,

dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt …. Die von dem Unternehmer als Erfolg geschuldete Herstellung des versprochenen Werkes (§ 631 I BGB) in der Form der Herstellung einer Sache (§ 631 II Fall 1 BGB) muss vielmehr in dem Bau eines neuen Gebäudes bestehen, wofür es nicht ausreicht, einen Erfolg zu versprechen, der auf einen Teil des Baus eines neuen Gebäudes beschränkt ist…

3. Sukzessive Beauftragung

Auch eine sukzessive Beauftragung einzelner Gewerke begründet nicht die Annahme eines Verbraucherbauvertrages nach § 650i BGB. Dabei

kommt es nicht auf die Gesamtheit aller dem Unternehmer sukzessive im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbstständigen Aufträge an. Das folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wonach jeder selbstständige Vertrag nach seinem Inhalt und den für diesen Vertrag geltenden Maßstäben zu beurteilen ist….

Wollte man in derartigen Fällen alle beauftragten Gewerke insgesamt in den Blick nehmen, lägen die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrags erst in dem Moment vor, in dem ein Vertrag geschlossen wird, der zusammen mit den zuvor geschlossenen Verträgen Verpflichtungen begründet, die als Bau eines neuen Gebäudes zu qualifizieren wären…

a) Keine Rückwirkung

Auch eine rückwirkende Einordnung als Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB nach Abschluss aller Verträge kommt nicht in Betracht.

Einer Rückwirkung auf alle bereits geschlossenen Verträge stehen schon die Gebote der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes entgegen.

b) Zweck

Auch der mit den §§ 650i f. BGB verfolgte Zweck gebietet keine Auslegung, dass es mit Abschluss des zuletzt geschlossenen Vertrages insgesamt um einen Verbraucherbauvertrag handeln soll. Denn

der mit den §§ 650i  ff. BGB maßgeblich verfolgte Zweck, den Verbraucher durch vorvertragliche Unterrichtungs- und Informationspflichten … zu schützen, ist im Wesentlichen nicht mehr erreichbar.

4. Gesamtumfang

Für die Einordnung als Verbraucherbauvertrag spielt es auch keine Rolle, ob die insgesamt beauftragten Arbeiten einen gewissen Prozentsatz eines Neubaus ausmachen würden, da die jeweiligen Aufträge selbständig und sukzessive erteilt wurden. Es

kommt daher nicht darauf an, ob … die Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Rohbauarbeiten und aus diesen Verträgen insgesamt ausreichen würden, um anzunehmen, dass sie den „Bau eines neuen Gebäudes“ umfassen, weil auf sie mehr als 80 % der insgesamt zu erwartenden Vergütung entfalle.

5. Keine Umgehung

Gem. § 650o S. 1 BGB kann von § 650i BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. Nach § 650o S. 2 BGB findet diese Vorschrift auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen wird. Hierfür gibt es allerdings keine Anhaltspunkte.

Ergebnis

Es handelt sich um Bauverträge nach § 650a BGB und nicht um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB.

II. Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB

K könnte somit von B eine Bauhandwerkersicherung i.H.v. 10 % des Vergütungsanspruchs nach § 650f I 1 BGB verlangen.

1. Vergütungsanspruch

Den entsprechenden Vergütungsanspruch -dem Grunde und der Höhe nach- hat K schlüssig dargelegt.

2. Keine Aufrechnung

B hat hilfsweise die Aufrechnung mit einem etwaigen Anspruch aus § 812 I 1, 1. Alt. BGB wegen zu viel geleisteter Zahlungen hinsichtlich der Rohbauarbeiten erklärt. Nach § 650f I 4 BGB bleiben Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Eine rechtskräftige Feststellung liegt nicht vor. Demnach ist eine Aufrechnung für B nur möglich, wenn sein Rückforderungsanspruch unstreitig ist. Für das Vorliegen einer streitigen Forderung reicht es aus, dass

die Kl. hinreichend substanziiert behauptet habe, dass der Bekl. die Zahlung auf die Schlussrechnung über die Rohbauarbeiten … in Kenntnis seiner (teilweisen) Nichtschuld geleistet habe. Hierfür reichte es unter den gegebenen Umständen aus, dass die Kl. sich auf § 814 BGB berufen …hat.

Da die Gegenforderung von B streitig ist, scheidet eine Aufrechnung gem. § 650f I 4 BGB aus und es nicht zu prüfen, ob ein solcher Anspruch nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB besteht.

Ergebnis

K kann von B eine Bauhandwerkersicherung i.H.v. 10 % des Vergütungsanspruchs nach § 650f I 1 BGB verlangen.

C. Prüfungsrelevanz

Die Abgrenzung von verschiedenen Vertragstypen ist häufig Gegenstand von Examensklausuren, insbesondere auch beim Werkvertrag. Der vorliegende Fall bietet die Möglichkeit, sich mit der Differenzierung von einem Bauvertrag nach § 650a BGB zu einem Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB zu beschäftigen und somit der Auslegung nach Wortlaut und Zweck.

Die Entscheidung ist zudem sehr prüfungsrelevant, da auch Gegenansprüche per Aufrechnung z.B. nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB einbezogen werden können.

(BGH Urt. v. 26.10.2023 – VII ZR 25/23)

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