Schwierigkeiten mit dem beA

Schwierigkeiten mit dem beA

BGH zur technischen Unmöglichkeit nach § 130 d S. 2 ZPO und den Anforderungen an die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Je mehr Zeit seit der Einführung der aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) ins Land geht, desto facettenreicher wird die Rechtsprechung zu der Thematik rund um den § 130d ZPO. In diesem Kontext gewinnt auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO ungeahnte Relevanz. Stellvertretend für die wachsende Bandbreite der möglichen Fehlerquellen soll ein Rechtsstreit beleuchtet werden, mit dem sich der zwölfte Zivilsenat des BGH im Rahmen einer Rechtsbeschwerde zuletzt beschäftigen durfte (Az. XII ZB 88/23).

Sachverhalt

In der Sache ging es um eine familienrechtliche Angelegenheit, bei der die Antragstellerin fristgemäß durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde gegen einen amtsgerichtlichen Beschluss vor dem zuständigen OLG eingelegt hat. Nachdem ihr Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hatte, zog es die Antragstellerin vor, sich als zugelassene Rechtsanwältin selbst zu vertreten. Die Beschwerdebegründung übermittelte sie im Mai 2022 nicht per beA, sondern nebst Ausführungen dazu, warum ihr eine Einreichung per beA nicht möglich gewesen sei, ausschließlich per Fax. Sie versicherte anwaltlich, dass ihr die elektronische Übermittlung nach § 130d ZPO aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich sei, da ihr Bedienungszähler abgelaufen sei. Bei dem Versuch den Bedienungszähler zurückzusetzen, habe das Programm nicht reagiert. Auch der Versuch der Deinstallation sei wegen bestimmter Probleme an ihrem PC gescheitert. Als sie bei der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer um Hilfe bat, erhielt sie eine Anleitung zur Zurücksetzung des Bedienungszählers. (Das beA-Kartensystem funktioniert an dieser Stelle ähnlich wie die Entsperrung einer SIM-Karte: Wenn die PIN dreimal falsch eingegeben wird, muss die Karte anhand einer PUK entsperrt werden.) Gegenüber der Zertifizierungsstelle gab sie an, dass bis dahin „keine Dokumente signiert“ worden seien und sie ihre PIN, die sie Anfang 2022 erhalten hatte, gar nicht benutzt habe. Ausführungen dazu, ob sie die Entsperrung anhand der PUK versucht hat, machte die Anwältin nicht. Vielmehr ließ sie ihre Karte sperren und beantragte eine neue beA-Karte, was einige Zeit in Anspruch nahm. Das technische Problem war schließlich erst nach Ende der Beschwerdebegründungsfrist behoben.

Für den Fall, dass das OLG die Voraussetzungen des § 130d S. 2 ZPO nicht für gegeben ansehen sollte, stellte die Anwältin hilfsweise einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ff. ZPO. Das zuständige OLG wies allerdings auch den Hilfsantrag zurück und verwarf die Beschwerde. Da sich die Antragstellerin hiergegen mit der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO wendete, durfte der BGH sich mit dem Fristenproblem auseinandersetzen.

Beschluss des BGH

Auch die Rechtsbeschwerde blieb jedoch ohne Erfolg, denn der Senat sah die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht für erfüllt an. Auch der BGH sah die per Fax eingereichte Beschwerdebegründungsschrift nicht als form- und fristgemäß eingereicht an. Zwar führe eine Störung des beA nach ständiger Rechtsprechung zur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit i.S.d. § 130d S. 2 ZPO, jedoch läge eine solche Konstellation hier nicht vor. Der Vortrag der Antragstellerin biete nämlich nicht die zur Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Unmöglichkeit wirklich auf technischer Seite begründet sei und nicht aus der Person der Antragstellerin selbst erwachse. Aus ihrem Vortrag über die unbenutzte PIN zog das Gericht nämlich den Schluss, dass sie den Übermittlungsweg des beA zum maßgeblichen Zeitpunkt möglicherweise noch nicht in Betrieb genommen bzw. eingerichtet haben könnte und seine Funktionsfähigkeit noch vor der erstmaligen Nutzung nicht überprüft worden war. So bliebe die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass die Anwältin ihrer Pflicht zur Vorhaltung der erforderlichen technischen Einrichtungen wie der entsprechenden Hardware und Software in der jeweils aktuellen Version nicht nachgekommen sein könnte. Eine Verzögerung der Einrichtung der technischen Infrastruktur stelle nämlich keinen vorübergehenden technischen Grund nach § 130 d S. 2 ZPO dar. Weil diesbezügliche Zweifel einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die technische Unmöglichkeit entgegenstehen, lägen die Voraussetzungen des § 130 d S. 2 ZPO schon nicht vor. Die Beschwerdebegründung erfolgte mithin nicht fristgemäß.

Für die Antragstellerin wäre jedenfalls noch nicht alles verloren, wenn wenigstens ihr Hilfsantrag erfolgreich gewesen wäre. Dann hätte die Prozesshandlung noch nachgeholt werden können. Aber auch die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vom OLG nach Auffassung des BGH zu Recht verweigert, da als Ursache für das Fristversäumnis nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Antragstellerin die erforderlichen technischen Einrichtungen nicht vorgehalten haben könnte. Mithin könne das fehlende Verschulden bezüglich des Fristversäumnisses i.S.d. § 233 S. 1 ZPO nicht zur Überzeugung festgestellt werden.

Fazit

Den Prüfungsämtern wird die praktische Relevanz der mehr oder weniger technischen Probleme rund um das beA bei der Klausurerstellung weiter in die Karten spielen, denn die Zahl der Verfahren in diesem Bereich dürfte noch eine Zeit lang anwachsen. Dies sollte jedoch nicht als Appell zum Auswendiglernen der Leitsätze missverstanden werden. Soweit man die hinter den Entscheidungen stehenden Grundsätze verstanden hat, sollte sich der jeweilige Klausur- bzw. Hausarbeitsfall mit überzeugenden Argumenten lösen lassen. In diesem Zuge lohnt auch der Blick in das öffentliche Recht und das Strafrecht, um die spezifischen Unterschiede der gleichsam als Wiedereinsetzung betitelten Institute in § 60 VwGO und §§ 44 f. StPO im Vergleich zum Zivilrecht herauszuarbeiten. Dementsprechend lässt sich allgemeingültig festhalten: Vorbereitung ist alles – ob in der juristischen Ausbildung oder auch im Umgang mit dem beA.

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