Verstößt eine Klausel, wonach gegebenenfalls im Rahmen eines Riester-Vertrages Abschluss- oder Vermittlungskosten anfallen, gegen das Transparenzgebot?
Bei einem Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (sog. Riester-Verträge) kann der Sparer sich in der Auszahlungsphase entweder für einen Auszahlungsplan oder auch für eine lebenslange Leibrente entscheiden. Ist eine Klausel, wonach im Falle der Wahl einer Leibrente gegebenenfalls Abschluss- und Vermittlungskosten anfallen, nach § 307 I BGB unwirksam?
A. Sachverhalt
Der Kläger K - ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein - hat die beklagte Sparkasse B auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in einem Riester-Vertrag in Anspruch genommen. Diese Verträge sind steuerlich förderungsfähig und bestehen aus einer Ansparphase und einer Auszahlungsphase. In diesem für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten Vertrag, wonach der Sparer sich in der Auszahlungsphase entweder für einen Auszahlungsplan oder auch für eine lebenslange Leibrente entscheiden kann, verwendet B unter anderem in ihren Sonderbedingungen folgende Bestimmungen:
Die Sparkasse wird den Sparer bis spätestens sechs Monate vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auffordern, ihr mitzuteilen, zu welchem Zeitpunkt er in die Auszahlungsphase eintreten möchte. Zu diesem Zweck wird die Sparkasse dem Sparer … ein Angebot
- für eine lebenslange gleich bleibende oder steigende monatliche Leibrente, die die Sparkassegegebenenfalls zugunsten des Sparers mit einem Versicherungsunternehmen abschließt, sowie
unterbreiten. … Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer gegebenenfallsAbschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.
K nimmt B auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch.
B. Entscheidung
K begehrt von B nach §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klausel, wonach im Falle der Wahl einer Leibrente gegebenenfalls Abschluss- und Vermittlungskosten anfallen.
Als nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein kann K gem. §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG Ansprüche auf Unterlassung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von dem Verwender verlangen, die nach §§ 307-309 BGB unwirksam sind.
I. Eingetragener Verbraucherschutzverein
K ist ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Dementsprechend ist er grundsätzlich berechtigt, Verwender von AGB gem. §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. (Nach § 759 I BGB hat der zur Gewährung einer Leibrente Verpflichtete die Rente im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten.)
II. AGB
Bei der Klausel, wonach der Sparer gegebenenfalls bei Wahl einer Leibrente mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet wird, müsste es sich um AGB handeln. Dies sind nach § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dies setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, welche eine Regelung des Vertragsinhalts betrifft.
Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt danach vor, wenn ein im Vertrag enthaltener Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei – ebenso wie bei der Auslegung des Inhalts von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – auf den rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse abzustellen ist.
1. Auslegung nach Wortlaut
Zwar ergibt sich aus der Klausel nicht genau, unter welchen Voraussetzungen tatsächlich Abschluss- und/oder Vermittlungskosten im Falle der Vereinbarung einer Leibrente anfallen. Ferner ist die Höhe solcher Kosten nicht bestimmt. Und aufgrund des Wortes „gegebenenfalls“ ist auch nicht klar, ob diese Kosten überhaupt anfallen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Hinweis handelt.
Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittsverbraucher erkennt in der Klausel vielmehr eine vertragliche Regelung, nach der die Bekl. bei Vereinbarung einer Leibrente ohne Bindung an bestimmte weitere Voraussetzungen berechtigt sein soll, ihn mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu belasten, die der Höhe nach im Vorhinein nicht feststehen. Aus seiner Sicht schafft die Klausel damit die rechtliche Grundlage für eine Forderung der Höhe nach bei Vertragsschluss nicht feststehender Abschluss- und/oder Vermittlungskosten in der Auszahlungsphase, wenn er zur Leibrente optiert. Dass dem Sparer in der Auszahlungsphase neben der Leibrente eine alternative Auszahlungsvariante (Auszahlungsplan mit lebenslanger Teilkapitalverrentung) zur Wahl steht, ändert nichts daran …
2. Auslegung nach Kontext
Auch der Kontext spricht dafür, dass es sich bei der Klausel um eine Vertragsbedingung handelt. Die Klausel findet sich in den Sonderbedingungen. Dieser Abschnitt regelt die Rechte und Pflichten der B beim Übergang in die Auszahlungsphase. Danach ist B verpflichtet, den Sparer spätestens sechs Monate vor der Vollendung des 60. Lebensjahres aufzufordern, ihr mitzuteilen, wann er in die Auszahlungsphase eintreten möchte und sie muss ihm ein Angebot für einen Auszahlungsplan oder eine lebenslängliche Leibrente zu unterbreiten. Sofern dann von dem Sparer gegebenenfalls bei der Wahl der Leibrente Abschluss- und/oder Vermittlungskosten verlangt werden können, hat dies einen Regelungsgehalt und stellt keinen unverbindlichen Hinweis dar.
Ergebnis
Bei der Klausel, wonach der Sparer gegebenenfalls bei Wahl einer Leibrente mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet wird, handelt es sich um AGB nach § 305 I 1 BGB.
III. Unwirksamkeit nach § 307 I BGB
Die Klausel könnte gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB verstoßen und damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam sein.
Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
1. Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich gem. § 307 I 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, sog. Transparenzgebot.
Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; sie muss auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich sein. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den Umständen gefordert werden kann. Der Vertragspartner des Verwenders muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“.
Ob eine Klausel transparent ist, richtet sich nach den
Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses …. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Klauselwerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Vertragspartner erkennbar sind.
2. Verstoß gegen Transparenzgebot
Die wirtschaftlichen Folgen der Klausel lassen nicht absehen. Es lässt sich
weder erkennen, ob die Bekl. die genannten Abschluss- und Vermittlungskosten vom Sparer tatsächlich beansprucht, noch in welcher Höhe sie den Sparer mit Abschluss- und Vermittlungskosten belastet, wenn sich dieser im Rahmen der Auszahlungsphase für die Zahlung einer Leibrente entscheidet. Durch die Verwendung der Formulierung „ggfs.“ bleibt schon unklar, ob der Sparer im Fall der Vereinbarung einer Leibrente überhaupt mit Abschluss- und Vermittlungskosten belastet wird. Voraussetzungen, die maßgebend dafür sind, dass die genannten Abschluss- und Vermittlungskosten dem Grunde nach anfallen, werden dem Sparer weder in der Klausel noch an anderer Stelle mitgeteilt.
Ergebnis
Somit verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB und ist damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam.
IV. Wiederholungsgefahr
Eine Wiederholungsgefahr besteht, da B die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Ergebnis
K kann von B nach §§ 1, 3 I Nr. 1 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der Klausel, wonach im Falle der Wahl einer Leibrente gegebenenfalls Abschluss- und Vermittlungskosten anfallen, verlangen.
C. Prüfungsrelevanz
Die Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist häufig Gegenstand von Examensklausuren. Der vorliegende Fall bietet die Möglichkeit, sich damit zu beschäftigen, ob eine Klausel eine verbindliche Vertragsbedingung oder lediglich ein unverbindlicher Hinweis ist und ob ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB vorliegt. Dabei bedarf es einer Auslegung nach Wortlaut, Kontext sowie Sinn und Zweck.
Die Entscheidung ist zudem sehr prüfungsrelevant, da im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel gem. § 306 II BGB die gesetzlichen Vorschriften einschlägig sind und sich insofern ein Anspruch auf Ersatz etwaiger Abschluss- und/oder Vermittlungskosten aus § 670 BGB ergeben könnte.
(BGH Urt. v. 21.11.2023 – XI ZR 290/22)
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