Dürfen Mitarbeiter das Tier einfach zurückholen?
In diesem Fall aus dem Reich der Tierwelt steht ein Kater namens Jack im Mittelpunkt des Geschehens. Diesen hatte seine fast 80-jährige Besitzerin aus dem Tierheim geholt, sich aber nicht an alle Vorgaben des Tierheims gehalten. Dies führte dazu, dass Mitarbeiter des Tierheims spontan vor ihrer Tür standen und den Kater wieder mitnahmen. Die fast 80-Jährige verlor vor Schreck das Bewusstsein, fasste später aber wieder Mut und verklagte das Tierheim.
Was war geschehen?
Die fast 80-jährige Katzenliebhaberin suchte sich Kater Jack im Tierheim aus. Das Tierheim gab ihr dabei auf, an ihrem Balkon eine Fliegengittertür anzubringen und Kater Jack auf Diät zu setzen, da dieser übergewichtig sei. Als ein Jahr später eine Mitarbeiterin des Tierheims bei der Katzenfreundin anrief, hatte diese die Fliegengittertür jedoch nicht angebracht, da Jack ohnehin Angst vorm Balkon habe und konnte keine Angaben zu dessen Gewicht machen, da sie keine Waage habe. Nur eine halbe Stunde später standen daraufhin zwei Mitarbeiter des Tierheims bei der fast 80-Jährigen auf der Matte, fingen Kater Jack ein und teilten seiner Besitzerin mit, dass sie diesen nie wieder sähe. Der emotionale Schreck über diese Ankündigung nahm ihr das Bewusstsein.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hat nun entschieden, ob der Katzenliebhaberin ein Herausgabeanspruch gegen das Tierheim zusteht. Dabei hielt es sich aber gar nicht erst mit der Frage auf, ob zwischen Katzenliebhaberin und Tierheim ein wirksamer „Tierüberlassungsvertrag” zustande kam und auch nicht mit der Eigentumslage hinsichtlich Kater Jack. Es prüfte vielmehr eine ganz andere und praktisch sehr relevante Anspruchsgrundlage: § 861 BGB.
Nach § 861 BGB kann der Besitzer, wenn ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wird, die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Indem sie die tatsächliche Gewalt über das Tier erlangte, war die Katzenliebhaberin jedenfalls nach § 854 BGB Besitzerin des Katers geworden. Dieser Besitz müsste ihr durch verbotene Eigenmacht entzogen worden sein. Verbotene Eigenmacht liegt nach § 858 I BGB unter anderem dann vor, wenn dem Besitzer ohne dessen Willen der Besitz entzogen wird und die Entziehung nicht durch Gesetz gestattet ist.
Eine solche Gestattung regelt zum Beispiel § 227 BGB im Falle einer Notwehrsituation.
Eine entsprechende Regelung, die dem Tierheim als Störer den Besitzentzug gestattet hätte, ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine Gestattung auch nicht aus einem möglicherweise bestehenden Herausgabeanspruch des Tierheims. Es ist nicht relevant, ob dem Tierheim ein Anspruch auf Herausgabe von Kater Jack zustand. Entsprechende Ansprüche aus dem Tierüberlassungsvertrag hätte das Tierheim nämlich gerichtlich geltend machen müssen und habe sie nicht selbst durchsetzen können.
Die fast 80-Jährige hatte also einen Anspruch gegen das Tierheim auf Herausgabe des geliebten Katers.
Prüfungsrelevanz
§ 861 BGB ist eine etwas verwirrende, aber sehr prüfungsrelevante Anspruchsgrundlage. Plötzlich kommt es auf die sonst so relevanten Ansprüche gar nicht an. Recht haben heißt in einem Rechtsstaat nämlich noch nicht gleich, dass man sein Recht auch selbst in die Hand nehmen und durchsetzen darf. Das ist der Hintergrund von § 861 BGB, den man unbedingt verstehen sollte.
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