Nach Alkoholexzess mit Erstsemestern von Uni verwiesen

Nach Alkoholexzess mit Erstsemestern von Uni verwiesen

Ritual zum Studienstart wurde Patin zum Verhängnis

Eine Hochschule kündigte den Dienstvertrag mit einer Studentin und verwies sie von der Uni. Der Grund? Sie hat sich als sogenannte Patin für Erstsemester an einer Veranstaltung beteiligt, bei der es zu einem für sie absehbaren ritualisierten Alkoholexzess gekommen war. Die Erstsemester sollen auf der Feier im Rahmen einer psychologischen Drucksituation den sog. Rohrbruch durchführen, sich also übertrieben betrinken. Gegen den Verweis wehrt sie sich im Wege der einstweiligen Verfügung.

Worum geht es?

An den meisten Unis finden jedes Jahr für die Erstsemester sog. Einführungswochen zum Semesterstart statt, in denen die Neuankömmlinge in der Regel von Studierenden aus älteren Semestern begrüßt und in den Uni-Alltag eingeführt werden. Auch an einer Uni in Rheinland-Pfalz findet jährlich eine solche Einführungswoche statt, bei der sogenannte Patengruppen von je fünf Personen aus dem älteren Jahrgang je fünf neue Studierende betreuen. Sie sollen als direkte Ansprechpersonen den Erstsemestern helfen, sich an der Uni besser zurechtzufinden. Einer Patin sind Alkoholexzesse früherer Einführungswochen bekannt geworden, bei denen Gruppenzwang auf die Studierenden des ersten Semesters ausgeübt wurde, um den sogenannten Rohrbruch durchzuführen. Dabei müssen die Studierenden einen Kasten Bier auf Ex trinken, um nicht aus der Studierendenschaft ausgeschlossen zu werden.

Per E-Mail informierte sie die Studierenden über eine anstehende Feier, bei der auch der Rohrbruch durchgeführt werden sollte. Im Laufe des Partyabends begaben sich zwei “Erstis” mit zwei ihrer Paten und einem Kasten Bier ins Badezimmer, der dann dort hinter verschlossener Tür getrunken werden sollte. Einer der Erstis wurde daraufhin mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,5 Promille ins Krankenhaus eingeliefert.

Schwerwiegende Verletzung ihrer Pflichten

Weil sie die Party mitorganisiert und durch das Abschließen der Badezimmertür eine psychologische Drucksituation geschaffen habe, kündigte die Uni den Studienvertrag der Patin fristlos und erteilte ihr ein Hausverbot. Sie hatte sich gem. § 3 III des Studienvertrags verpflichtet, den Code of Conduct der Uni einzuhalten sowie “alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen der Uni zu beeinträchtigen, die Ordnung an der Uni zu stören und den Bestand der Hochschuleinrichtung zu schädigen oder nachteilig zu beeinträchtigen.”

Sie habe sich jedoch in offizieller Funktion als Patin für die Erstis an einer Veranstaltung beteiligt, in deren Rahmen es zu einem für sie absehbaren ritualisierten Alkoholexzess gekommen war, der durch die Paten gemeinschaftlich und in einer psychologischen Drucksituation beeinflusst wurde.

Landgericht Koblenz: Fristlose Kündigung wirksam

Die Patin wehrt sich im Wege der einstweiligen Verfügung und erstrebt Zugang zum Studienbetrieb des laufenden Semesters. Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung hat sie vorgetragen, dass sie keine der bei dem Patentreffen anwesenden Personen unter psychischen Druck gesetzt und dazu genötigt habe, Alkohol zu konsumieren. Jedes “Patenkind” habe entscheiden können, was es trinken möchte. Der Student, der später ins Krankenhaus eingeliefert wurde, habe freiwillig vier alkoholische Mixgetränke zu sich genommen. Durch ein vorangehendes Patenvideo sowie einen WhatsApp-Chat habe er zudem den Eindruck erweckt, gerne Alkohol zu trinken und schon häufiger an seine alkoholischen Grenzen gegangen zu sein. Außerdem habe er schon um 22 Uhr die Wohnung verlassen, in der die Party stattgefunden hat und habe dabei nüchtern gewirkt. Aufgrund der gemessenen BAK muss er nach Ansicht der Patin und anderer Studierenden offenbar weiter Alkohol getrunken haben.

Das Landgericht hat den Antrag jedoch zurückgewiesen. Der Anspruch auf Teilhabe am Lehrbetrieb und das Betreten der universitären Einrichtungen gemäß § 2 des Studienvertrags sei aufgrund fristloser Kündigung gemäß § 3 IV des Studienvertrags erloschen. Die Patin habe schuldhaft gegen ihre Pflichten des Studienvertrages verstoßen, sodass der Uni eine Fortsetzung des Studienvertrags nicht zumutbar sei.

OLG Koblenz: Oder doch bloße (unwirksame) Verdachtskündigung?

Die Patin hingegen bekräftigt, dass das Gericht rechtsfehlerhaft von einem einheitlichen Geschehensablauf ausgegangen sei und bei seiner Entscheidung missachtet habe, dass sich in den Zimmern der 120 qm großen Wohnung unabhängig voneinander unterschiedliche Geschehensabläufe zugetragen hätten. Sie habe sich ausschließlich im Wohnzimmer und der Küche aufgehalten und sei auch nur ca. 1,5 Stunden anwesend gewesen. Zudem sei sie in die Planung und Durchführung der Feier nicht unterstützend involviert gewesen. Sie könne lediglich sagen, dass der betroffene Student der Teilnahme am “Rohrbruch” bereitwillig zugestimmt hat und nicht bedroht worden sei. Sie habe während der Zeitspanne des „Rohrbruchs“ von ca. 30 Minuten zusammen mit einer anderen Studentin dreimal nachgefragt, ob alles in Ordnung sei, was von den anderen beiden im Badezimmer anwesenden Paten bejaht worden sei. Zudem habe sie eine glänzende Studienzeit ohne Störungen des Vertragsverhältnisses absolviert und für ihre Leistungen ein Stipendium von der Uni erhalten. Es könne sich hier daher nur um eine Verdachtskündigung handeln, die mangels vorangehender Anhörung unwirksam sei.

Das OLG ist jedoch anderer Auffassung und sieht hierin keine bloße Verdachtskündigung: Denn die Uni habe nicht wegen eines Verdachts gekündigt, sondern wegen des Begehens einer Tat. Es kann daher dahinstehen, ob auch für den zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag eine Verdachtskündigung zulässig und zuvor eine Anhörung der Patin für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlich gewesen wäre.

Für die Kündigung eines Arbeits- bzw. Dienstvertrages ist vielmehr anerkannt, dass die Anhörung des Arbeitnehmers keine Wirksamkeitsvoraussetzungen der Tatkündigung ist. Maßgeblich für die Rechtfertigung einer Tatkündigung ist allein, ob zum Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die dazu führen, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Unterlässt der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Tatkündigung eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung, die insoweit in seinem eigenen Interesse liegt, geht er lediglich das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können.

Die Patin hätte also mehr machen müssen, als nur zu fragen, ob alles in Ordnung sei. Sie hätte das Geschehen in ihrer Funktion vielmehr unterbinden müssen - insbesondere dann, als Geräusche von umfallenden Flaschen und Rufe aus dem Badezimmer zu hören waren, die die “Auslieferungssituation” und ein “Abfüllen” nur bestätigen konnten. Inwieweit ihr Verhalten auch strafrechtliche Relevanz hat, war für die Frage eines schweren Verstoßes gegen ihre Pflichten aus dem Studienvertrag unerheblich.