Anwohner klagt vor dem VG Freiburg auf Feststellung
Fuß runter vom Gas! Das wünschen sich in einigen Gegenden Deutschlands viele Anwohner. Hintergrund ist der Schutz der Umwelt und/oder der dort lebenden Kinder. Daher sieht man es immer häufiger, dass einige Anwohner selbst gebastelte Freiwillig-Tempo-30-Schilder aufstellen. Nun hatte das Verwaltungsgericht Freiburg zu entscheiden, ob ein Anwohner gegen die bloße Beseitigungsaufforderung seines Tempo-30-Schildes vorgehen kann.
Worum geht es?
Der Kläger hat auf seinem Grundstück ein Metallschild aufgestellt, mit dem er zur freiwilligen Geschwindigkeitsbegrenzung die Verkehrsteilnehmer auffordern wollte. Das Schild, welches auf zwei Holzpfählen befestigt ist, ist eingefasst durch eine schwarze Linie auf weißem Untergrund, in der Mitte ist ein rot-grün umrandeter Kreis aufgemalt, in dem in Schwarz die Zahl 30 steht. Über dem Kreis befindet sich die Aufschrift „Freiwillig“ und unter dem Kreis sind scherenschnittartig in schwarzer Zeichnung fünf rennende Kinder abgebildet.
Mit Schreiben vom 02.06.2022 wies das Landratsamt den Kläger darauf hin, die 30er-Abbildung gleiche dem Zeichen 274 StVO und der weiße Grund mit der schwarzen Umrandung gleiche einem Zusatzzeichen. Derartige Schilder beeinträchtigen die Wirksamkeit der amtlichen Verkehrszeichen. Daher wurde der Kläger aufgefordert, die Schilder unverzüglich spätestens bis zum 17.06.2022 zu entfernen.
Das Schreiben endet mit dem fett gedruckten Satz: „Falls Sie unserer Bitte nicht nachgehen, werden wir als nächsten Schritt in einem Verwaltungsakt ein deutliches Zwangsgeld bei Nichtbeseitigung der Schilder gegen Sie verhängen müssen.“
Daraufhin hat der Kläger am 12.07.2022 Klage erhoben und beantragt, unter anderem festzustellen, dass das Aufstellen des Schildes zulässig ist.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage unzulässig. Grundsätzlich liege zwar ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Klage sei dennoch gem. § 43 II S. 1 VwGO unzulässig. Sie scheitere an dem Merkmal der Subsidiarität. Der Kläger müsse, wenn es ihm möglich ist, vorrangig versuchen, seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Der Kläger umgehe hier eben diesen Grundsatz. Bei dem Schreiben vom 02.06.2022 handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Das Schreiben kündige einen Verwaltungsakt viel eher nur an. Nach Auffassung des Gerichts sei es dem Kläger jedoch zumutbar, die Entfernungsverfügung abzuwarten und dann dagegen mit einem Widerspruch zunächst vorzugehen. Sofern das Widerspruchsverfahren erfolglos bleibe, sei es dem Kläger möglich, sodann gegen den Verwaltungsakt eine Anfechtungsklage zu erheben. Selbst wenn der Bescheid zur sofortigen Vollziehung angeordnet werde, könne der Kläger sich auch gegen diese Vollziehungsanordnung mit dem einstweiligen Rechtsschutz gem. § 80 V VwGO wehren.
Auch die Androhung eines „deutlichen Zwangsgeldes“ rechtfertige nicht ausnahmsweise die Feststellungsklage. Der vorliegende Fall sei nicht vergleichbar mit der „Damokles-Rechtsprechung“. Diese Rechtsprechung bejaht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, wenn die Behörde durch eine Drohung mit einer Strafanzeige Druck auf den Bürger ausübt, um ein bestimmtes verwaltungsrechtlich relevantes Verhalten des Bürgers zu erzielen. Die Zwangsgeldandrohung könne nicht mit dem Druck einer Straf- oder Ordnungswidrigkeitsanzeige verglichen werden. Es fehle vorliegend nämlich an jeglicher Bezugnahme auf eine Geldstrafe oder einen Straftatbestand.
Hier müsse außerdem noch beachtet werden, dass es sich vorliegend um eine vorbeugende Feststellungsklage handle. Diese erfordert ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse, das dann gegeben ist, wenn dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, den nachträglichen Rechtsschutz (Widerspruch, Anfechtungsklage etc.) zu beschreiten. Dies sei hier nicht ersichtlich.
Ausblick
Ein Fall, der bereits in der Zulässigkeit scheitert, ist zwar eher untypisch und kann Dir dennoch in einer Klausur begegnen. Meist handelt es sich hierbei um sogenannte „Rennfahrerklausuren“. Der hier vorliegende Fall eignet sich hervorragend als Zusatzfrage in eben einer solchen Klausur. Wenn Du nicht erkennst, dass die Musik in der Zulässigkeit spielt und die Klage hier schon scheitert, könnte es nach hinten raus mit der Zeit knapp werden. Der Fall eignet sich gut, um Dein systematisches Verständnis der verschiedenen Rechtsschutzmöglichkeiten zu zeigen. Daher empfehlen wir Dir das Widerspruchsverfahren, die Klagearten und auch den einstweiligen Rechtsschutz zu wiederholen. Auch für Referendare und Referendarinnen ist der Fall relevant. Er bietet sich beispielsweise an, um in einer Anwaltsklausur Deiner Mandantschaft eine Handlungsempfehlung an die Hand zu geben und zu erläutern, welche Rechtsschutzmöglichkeiten es gibt.
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