Parship-Urteil: Verlieben, aber trotzdem weiterzahlen?

Parship-Urteil: Verlieben, aber trotzdem weiterzahlen?

Musterfeststellungsklage gegen Vertragsverlängerungen

Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship - mit diesem Slogan hat das Datingportal große Bekanntheit erlangt. Doch was passiert, wenn dieser Erfolg tatsächlich eintritt? Können die Nutzer und Nutzerinnen den Vertrag dann schnell wieder kündigen? Nicht wirklich, denn die Verträge haben sich oft sogar um ein ganzes Jahr automatisch verlängert, auch wenn die Kunden und Kundinnen bereits verliebt waren. Die Verbraucherzentralen sehen hierin eine unzulässige Praxis.

Worum geht es?

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat im Namen von 29 Kunden und Kundinnen der Datingportal Parship eine Musterklage wegen der Kündigungsmöglichkeiten bei Parship erhoben. Der Klage haben sich mehr als 1.200 Verbraucher*innen angeschlossen. Hintergrund des Rechtsstreits war unter anderem eine Klausel, die bis Ende Februar 2022 Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei Parship war. Danach verlängerten sich alle Verträge automatisch um ein ganzes Jahr, wenn sie nicht zwölf Wochen vor Ablauf gekündigt wurden. Diese Klausel galt für alle Verträge auch mit Laufzeiten von nur sechs bis zwölf Monaten. Der Verband argumentierte, dass es für die Mitglieder nicht zumutbar sei, mindestens zwölf Wochen vor Ablauf des Vertrages kündigen zu müssen, sofern sie sich kein weiteres ganzes Jahr an die Plattform binden möchten. Aufgrund einer neuen Gesetzeslage musste Parship seine AGB im März 2022 ohnehin umstellen, sodass die Mitgliedschaft seitdem auch monatlich gekündigt werden kann - es geht hier jedoch noch um die bis Februar 2022 geltenden Klauseln.

Parship-Vertrag mit Handyvertrag vergleichbar?

Das OLG Hamburg hat der Klage teilweise stattgegeben und hat sich der Argumentation des vzbv zumindest in Bezug auf Verträge mit einer Laufzeit von sechs bis zwölf Monaten angeschlossen. In solchen Fällen sei die Verlängerungsklausel wegen unangemessener Benachteiligung der Verbraucher*innen unwirksam. Bei einer Laufzeit von 24 Monaten sei die Kündigungsfrist von zwölf Wochen hingegen in Ordnung.

Das Gericht hat diese Entscheidung unter anderem mit dem Aspekt der Erfolgsbezogenheit begründet. Wann sich jemand mit Hilfe des Datingportals tatsächlich erfolgreich verliebt, sei zwar schwer zu sagen. Die Wahrscheinlichkeit sei aber hoch, dass diejenige Person dann kein Interesse mehr an dem Vertrag mit Parship hat und schnellstmöglich kündigen möchte. Dies unterscheide den Vertrag bei Parship auch von Mobilfunkverträgen, da man diese in den meisten Fällen nur kündige, um den Anbieter zu wechseln und es hier nicht auf den Erfolg wie bei Parship ankomme.

Fristlose Kündigung möglich?

Doch die Musterfeststellungsklage richtete sich nicht nur gegen die Kündigungsklausel. Die Verbraucherzentralen sind vielmehr der Meinung, dass die Kund*innen auch jederzeit fristlos kündigen dürfen. Habe die Kundschaft das Gefühl, die Daten seien bei der Vermittlungsagentur nicht mehr in guten Händen, dann sei ein längeres Festhalten am Vertrag ebenfalls nicht mehr zumutbar. Der Bundesverband berief sich dabei auf die Kündigungsmöglichkeit aus § 627 BGB. Laut § 627 BGB ist eine fristlose Kündigung möglich, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Anbieter besteht. Die Anwendung dieser Regelung ist nach Rechtsprechung des BGH zumindest auf Offline-Partnervermittlungsverträge anerkannt. Dabei handele es sich nach Ansicht des BGH um einen sogenannten Dienst höherer Art, die nur aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen würden. Das Vertrauensverhältnis berühre insoweit die Privat- und Intimsphäre der Kundschaft in besonderem Maße.

Das OLG lehnte diesen Punkt aber ab, da nach Ansicht des Gerichts ein Datingportal kein solcher Dienst höherer Art sei und deshalb nicht jederzeit gekündigt werden könne. Darüber hinaus habe der BGH bereits im Juni 2021 entschieden, dass es sich bei Parship nicht um eine klassische Heiratsvermittlung handele, da die Partnervorschläge auf Algorithmen basieren.

Der Bundesverband sieht hierin aber den Aspekt unberücksichtigt, dass die Datingportal dennoch viele sehr private Informationen von den Nutzer*innen erhalte, sodass ihnen das Recht auf eine fristlose Kündigung zustehen müsse. Für Online-Angebote müsse dies noch höchstrichterlich geklärt werden, sodass der Bundesverband hier die Revision prüfen werde.

Was ist eine Musterfeststellungsklage?

Das Verfahren der Musterfeststellungsklage wurde im Jahr 2018 als neues Instrument im Zivilprozessrecht eingeführt. Es ermöglicht Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen von Bedeutung sind, nunmehr in einem Musterverfahren zu klären. Hintergrund dieses Verfahrens ist die Überlegung, dass es für Verbraucher*innen oft zu aufwendig ist, Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche individuell zu verfolgen, wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall eher gering ist. In diesem Beitrag erfährst Du mehr zum Verfahren rund um die Musterfeststellungsklage: “Ein neues Instrument des Zivilprozessrechts: Die Musterfeststellungsklage.