Vom AfD-Bundestagsmandat unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand?

Vom AfD-Bundestagsmandat unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand?

BGH über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege in den Ruhestand

Für viele ist es das große Ziel und die tragende Motivation, um das Studium sowie das Referendariat erfolgreich zu absolvieren: Richter oder Richterin zu werden. Die Anforderungen für den Eintritt in die Justiz sind weiterhin nicht zu verachtende Hindernisse. Hat man es aber einmal geschafft und wurde auf Lebenszeit ernannt, so befindet man sich in einer komfortablen Situation. Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit bietet auf persönlicher und sachlicher Ebene nach Art. 97 I und II GG beträchtlichen Freiraum und auch eine Entfernung aus dem Amt ist nur unter hohen Hürden möglich.

Was für den betroffenen Richter oder die Richterin ein Grund zur Freude ist, stellt die Bundesländer als Dienstherren vor beträchtliche Schwierigkeiten. In diesem Spannungsfeld hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob ein aktives AfD-Mitglied wegen seiner Äußerungen in den Ruhestand versetzt werden kann.

Sachverhalt

Seit 1992 befindet sich der Antragsgegner bereits im Justizdienst des Freistaates Sachsen, wobei er seit 1997 als Richter am Landgericht tätig war. 2013 trat er der AfD bei, für die er 2017 in den Bundestag einzog. Er tat sich in der Vergangenheit durch Äußerungen hervor wie z. B. die Migration als „Herstellung von Mischvölkern“. Ferner soll er Mitglied des mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuften und offiziell aufgelösten „Flügel“ der AfD gewesen sein. 2020 stufte ihn der sächsische Verfassungsschutz selbst als rechtsextrem ein. Da der Antragsgegner 2021 nicht wiedergewählt wurde, beantragte er die Zurückführung in das frühere Dienstverhältnis. Daraufhin wurde er als Richter am Amtsgericht eingesetzt.

Der Freistaat Sachsen beantragte bei dem Landgericht Leipzig, dem sächsischen Dienstgericht für Richter, der Versetzung des Antragsgegners im Interesse der Rechtspflege nach § 31 Nr. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) in den Ruhestand zuzustimmen. Der § 31 Nr. 3 DRiG sieht vor, dass ein Richter auf Lebenszeit in den Ruhestand versetzt werden kann, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. Das Bundesland ist der Auffassung, der Antragsgegner habe seine Glaubwürdigkeit als Organ der Rechtspflege und das Vertrauen seiner Dienstherrin und der Allgemeinheit bei der Ausübung seines Richteramtes durch die Betätigung im „Flügel“ und durch rassistische, antisemitische, nationalistische und geschichtsrevisionistische Aussagen vollständig verloren.

Dieser Argumentation folgte das Dienstgericht in Leipzig, weswegen es der Versetzung des Antragsgegners in den Ruhestand zustimmte. Die genannten Gründe führten nach Ansicht des Gerichts dazu, dass eine künftige Rechtsprechung des Antragsgegners nicht mehr als glaubwürdig erschiene. Auch das Vertrauen in seine Unvoreingenommenheit bestehe nicht mehr, weswegen ein zwingender Grund i. S. d. § 31 Nr. 3 DRiG vorläge.

Der Antragsgegner wollte sich hiermit nicht abfinden und legte Revision vor dem Dienstgericht des Bundes beim BGH ein, §§ 62 II, 79, 78 DRiG.

Entscheidung des BGH

Die Revision hatte keinen Erfolg. Gleichwohl nutzte der BGH die sich bietende Chance, wesentliche Rechtsgrundsätze zu der Frage aufzustellen, unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung in den Ruhestand gem. § 31 DRiG im Interesse der Rechtspflege wegen der politischen Aktivitäten gerechtfertigt sein kann.

Nach Ansicht des Senats kommt eine Versetzung in den Ruhestand grundsätzlich dann in Betracht, „wenn der Richter nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten wird.“ Dies bleibe über die Berufung in das Richterverhältnis dauerhafte Voraussetzung für die Amtsausübung auf Basis des Grundgesetzes, weil die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unabdingbar für die Ausübung des Richteramtes sei.

Dementsprechend statuierte der Senat, dass die Voraussetzungen des § 31 Nr. 3 DRiG vorlägen, wenn ein Richter „sich in herausgehobener Stellung bei einer politischen Gruppierung betätigt, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaates ablehnt.“ Zudem könne eine Rechtfertigung aus einem Auftreten in der Öffentlichkeit resultieren, das den Eindruck erweckt, der betroffene Richter bzw. die betroffene Richterin werde das dienstliche Verhalten aus politischen Gründen nicht mehr einzig an den Gesichtspunkten der Sachrichtigkeit, der Rechtstreue, der Gerechtigkeit, der Objektivität und dem Allgemeinwohl ausrichten, sondern seinen persönlichen Präferenzen folgen.

Ausblick

Die Entscheidung des BGH untermauert die Verantwortung der richterlichen Tätigkeit in Hinblick auf die Verpflichtung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Jeder angehende Jurist und jede angehende Juristin sollte sich diese Verantwortung in ihrer Ausbildung vergegenwärtigen.

Der AfD-Politiker muss sich nun jedoch zwangsläufig von seiner richterlichen Tätigkeit verabschieden. In einem anderen Verfahren steht für ihn jedoch noch weitaus mehr auf dem Spiel: Aktuell läuft ein Disziplinarverfahren gegen ihn, anhand dessen überprüft wird, ob er mit seinen Äußerungen konkrete Dienstpflichten verletzt hat. Folgt das Gericht dabei den Anträgen des sächsischen Justizministeriums, könnte er entlassen werden und seine Bezüge verlieren.

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