Vertragsschluss durch Emoji?

Vertragsschluss durch Emoji?

Zum Vertragsschluss in Zeiten der sozialen Medien

Pro Tag werden über 10 Milliarden Emojis verschickt. Wahrscheinlich hast Du auch schon einmal den “Daumen-hoch-Emoji” verwendet, um Deine Zustimmung oder Lob auszudrücken. Doch kann die Versendung eines solchen kleinen Bildchens so weitreichende Auswirkungen wie einen Vertragsschluss haben? Über diese hochaktuelle Frage musste nun ein kanadisches Gericht entscheiden.

Der Fall aus Kanada

Die Klägerin ist eine kanadische Firma, die eine große Menge Flachs kaufen wollte. Flachs (Lein) ist eine besonders alte Kulturpflanze der Faser- und Ölgewinnung. Einer ihrer Einkäufer verschickte im März 2021 mehrere Textnachrichten an verschiedene Landwirte, weil er für die Firma 86 Tonnen Flachs bestellen wollte. Diese Textnachrichten enthielten die Informationen, dass die Lieferung im Herbst desselben Jahres stattfinden solle und dass der Kaufpreis 17 Kanada-Dollar pro Bushel (etwa 25 Kilogramm) betragen solle.

Der beklagter Landwirt aus Swift Current in der Provinz Saskatchewan meldete sich auf diese Nachricht und die Parteien vereinbarten ein Telefonat. Die kanadische Firma kündigte in diesem Telefonat an, einen schriftlichen Kaufvertrag per Textnachricht zu versenden. Als sie dies tat und um eine Bestätigung des Vertrags bat, antwortete der Landwirt mit einem simplen “Daumen-hoch-Emoji”. Für die Firma war damit der Vertrag geschlossen. Der Landwirt interpretierte seine Nachricht allerdings völlig anders: Er ging davon aus, dass er durch den nach oben gerichteten Daumen lediglich den Eingang der Nachricht bestätigt hatte.

Im Herbst 2021 blieb dann die erwartete Lieferung Flachs aus. Die Flachspreise waren in der Zwischenzeit allerdings gestiegen und das Unternehmen klagte gegen den Landwirt. Das kanadische Gericht fällte nun sein Urteil und entschied, dass der Klägerin durch die Nichtlieferung des Flachs ein Schaden entstanden sei. Durch die Textnachrichten sei ein wirksamer Kaufvertrag entstanden, sodass durch die Nichtleistung Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Dem Unternehmen sei daher ein Schaden in Höhe von rund 82.200 kanadischen Dollar (etwa 56.000 Euro) entstanden. Der Richter argumentierte, dass die Form der Vertragsschließung zwar ungewöhnlich sei, eine solche “Unterschrift” wäre in der heutigen Zeit aber durchaus möglich.

Wie hätte ein deutsches Gericht den Fall entschieden?

Ein vergleichbarer Fall ist in Deutschland nicht bekannt - noch nicht. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch deutsche Gerichte mit der Frage befassen müssen, wie viel Bedeutung einem Emoji beigemessen werden kann. Grundsätzlich kommt ein Vertrag gemäß §§ 145 ff. BGB durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme, zustande. Wie diese Willenserklärungen verstanden werden müssen, wird durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ermittelt. Dabei kommt es auf den sogenannten objektiven Empfängerhorizont an, nämlich darauf, wie das Gegenüber die Willenserklärung verstehen durfte. Man kann sich also leicht ausmalen, wie ein Emoji, das den Daumen hoch zeigt, objektiv verstanden werden könnte. Denke lieber zweimal nach, welche Emojis Du versendest, denn sie könnten Dich teuer zu stehen kommen!

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