LG Osnabrück zum Schmerzensgeld nach Verlust des Kindes

LG Osnabrück zum Schmerzensgeld nach Verlust des Kindes

Entschädigung für tragischen Verlust

Endet ein Strafverfahren mit einer Verurteilung, können Betroffene und Hinterbliebene anschließend im Zivilverfahren ihre Ansprüche geltend machen. Vor dem Landgericht Osnabrück erhob eine Mutter Klage und forderte vom Beklagten eine angemessene Entschädigung für den tragischen Verlust ihres Kindes.

Was war passiert?

Der Lebensgefährte der Klägerin sollte im August 2017 während ihrer Abwesenheit auf ihre beiden Kinder aufpassen. Er schüttelte den Säugling dabei so stark, dass das Kind einige Tage später an seinen Gehirnverletzungen starb. Das Landgericht Osnabrück verurteilte ihn daraufhin wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren.

Die Mutter des Kindes nahm den Beklagten anschließend auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld in Anspruch.

Schockschäden

Ein Schmerzensgeldanspruch kann sich grundsätzlich aus §§ 823 Abs.1, 253 Abs. 2 BGB ergeben. Voraussetzung dafür ist zunächst die Verletzung eines Rechtsgutes. Nach ständiger Rechtsprechung können auch psychische Störungen von Krankheitswert eine Gesundheitsverletzung i.S.d. § 823 I BGB darstellen. Nach früherer Rechtsprechung schränkten die Gerichte diese sogenannten “Schockschäden” allerdings ein. Eine Gesundheitsverletzung wurde nur in den Fällen bejaht, in denen sie “pathologisch fassbar war und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausging, denen Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind”. An dieser Einschränkung halten die Gerichte nicht mehr fest.

Nach aktueller Rechtsprechung muss die Gesundheitsverletzung nur noch pathologisch fassbar sein, ein besonderes Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist nicht mehr notwendig. Ein Sachverständiger diagnostizierte der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung. Somit bestünde eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert. Das Landgericht sprach ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu.

Weitere Schadensersatzansprüche

Das 13-monate alte Kind fiel erst nach der Aufnahme ins Krankenhaus ins Koma. Es habe die Tat und die Folgen somit zumindest für eine gewisse Zeit erlebt. Ihm würde daher ein Schadensersatzanspruch zustehen, der auf die Mutter als Erbin durch Universalsukzession übergeht, §1922 BGB. Dieser Anspruch beläuft sich auf 10.000 Euro.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Klägerin auch zukünftig ein Haftungsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen blieben oder sich verschlechtern.

Das Landgericht untersuchte schließlich, ob der Klägerin ein Anspruch aus § 844 Abs. 3 BGB zustehe, verneinte dies aber. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld entfalte nur eine Art Auffangwirkung, sofern die Gesundheitsschädigung nicht pathologisch sei. Dieser Anspruch sei demnach im Anspruch auf Schmerzensgeld enthalten. Insgesamt sprach das Gericht der Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 35.000 Euro zu.

(LG Osnabrück, Urteil vom 05.05.2023 - 1 O 1857/21)