Netflix im Gerichtssaal

Netflix im Gerichtssaal

Aus der Haft in die Haft

Der “Candy Love” Prozess ist vermutlich eine der spannendsten Gerichtsverhandlungen des Jahres. Den hohen Bekanntheitsgrad und das öffentliche Interesse verdankt der Fall nicht zuletzt der Netflix Dokumentation “Shiny Flakes: The Teenage Drug Lord”. Die Doku zeigt die Geschichte eines 19-Jährigen, der unter dem Decknamen “Shiny Flakes” über einen Online Shop von seinem Kinderzimmer aus Drogen verkaufte. Die 90-minütige Dokumentation ließ das Landgericht Leipzig jetzt als Beweismittel zu. Warum?

Worum geht es?

“Shiny Flakes: The Teenage Drug Lord“, dokumentiert die Geschichte des ersten Online-Portals, mit dem der Angeklagte 2015 aufflog. Wir berichteten davon. Durch den Verkauf von Betäubungsmitteln verdiente der Angeklagte mehrere Millionen Euro. Bei der Verhaftung sicherte die Polizei rund eine Tonne verschiedenster Drogen. Es handelte sich dabei um einen der größten Drogenfunde in Deutschland. Das LG Leipzig verurteilte den Angeklagten damals zu 7 Jahren Haft. Nach 4 Jahren und 7 Monaten kam er auf Bewährung frei. Doch nun steht der Leipziger erneut vor Gericht.

Diesmal soll er sich mit Mitangeklagten zusammengeschlossen haben, um über eine neue Plattform “candylove.to” den gleichen Handel noch einmal zu betreiben. Über den Online Shop “Candy Love” sollen die Angeklagten 16,5 Kg Amphetamin und 2,5 Kg Haschisch verkauft haben. Sie sollen die Drogen in über 400 Sendungen per Post verschickt und so etwa 95.000 Euro verdient haben.

Dem Angeklagten könnte daher dieses Mal eine höhere Haftstrafe drohen. Zum einen würde es sich um eine Wiederholungstat handeln und zum anderen steht der Tatbestand des bandenmäßigen Drogenhandels i.S.v. § 30a Abs. 1 BtMG im Raum, sollte das Gericht zur Überzeugung gelangen, dass alle Angeklagten als Bande zusammen gewirkt haben.

Netflix Doku als Beweismittel

Warum gerade die Netflix Dokumentation erheblich sein könnte, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur mutmaßen, denn diese betrifft nur die Ereignisse rund um “Shiny Flakes”. Allerdings dokumentiert die Netflix Produktion den Aufbau und das System des ersten Shops sehr genau, der offenbar in “candylove.to” eine Kopie fand. Dass er den neuen Online Shop programmiert habe, hatte der Angeklagte aber bereits eingeräumt. Warum also noch die Dokumentation als Beweis in die Hauptverhandlung einführen? In der Dokumentation wird der Angeklagte gefragt, welcher Tätigkeit er jetzt nachginge. Er antwortete knapp: „Autosachen“. Tatsächlich flossen 900 € monatlich von einem Autohandel auf das Konto des Angeklagten. Inhaber des Autohandels war der mitangeklagte Anwalt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er zu dem Zeitpunkt gemeinsam mit den Mitangeklagten den neuen Online-Shop “Candy Love” aufbaute bzw. betrieb. Der mitangeklagte Anwalt schweigt allerdings bis heute zu den Vorwürfen.

Möglicherweise hielt die zuständige Strafkammer die Dokumentation deshalb für die Entscheidung bedeutsam. Vor der Ausstrahlung im Gerichtssaal musste die Zustimmung des Streamingportals eingeholt werden, da die Aufführung der Dokumentation innerhalb einer öffentlichen Hauptverhandlung stattfand. Am zehnten Verhandlungstag konnte die Doku schließlich gezeigt werden. Es bleibt spannend, welchen Beweiswert das Gericht der Netflix Doku zuschreibt. Der nächste Verhandlungstag ist für den 18. April 2023 angesetzt.

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