40.000 Euro Erstattung für Online-Spieler aus Niedersachsen
„Dieses Angebot gilt nur für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein“, diesen Satz kennt jeder aus der Online Glücksspiel Werbung. Jan Böhmermann berichtete in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ über die skurrile Ausnahmeregelung, durch die Online-Glücksspiele nur in einem Bundesland in Deutschland erlaubt waren.
Worum geht es?
Ursprünglich einigten sich 2018 alle 16 Bundesländer auf ein einheitliches Glücksspielgesetz und verabschiedeten einen Glücksspielstaatsvertrag. Laut diesem waren Glücksspiele im Internet in ganz Deutschland verboten. Der Staatsvertrag lief 2020 aus, behielt jedoch bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes seine Gültigkeit. Da die Regulierung des Glücksspiels Ländersache ist, hatte nun jedes Bundesland die Möglichkeit, eigenständig ein Glücksspielgesetz zu verabschieden.
Einzig Schleswig-Holstein machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und legalisierte mit einem eigenen Gesetz Online-Glücksspiele. Die Landesregierung schuf eine Lizenz, die legale Glücksspielanbieter kennzeichnete. Spieler aus Schleswig-Holstein konnten so online bei diesen Anbietern an Glücksspielen teilnehmen.
Mehr Spieler als Einwohner in Schleswig-Holstein
Das erdachte System funktionierte jedoch nicht korrekt. Zeitweise waren auf den Glücksspiel Plattformen mehr Spieler aktiv, als das Bundesland Schleswig-Holstein Einwohner hatte. Die Gewinne, die die Betreiber mit Online-Glücksspielen erzielen, sind hoch, deswegen duldeten die Betreiber damals offenbar, dass ihre Kunden falsche Angaben über den Wohnsitz machten.
Auch ein Spieler aus Braunschweig trickste und gab bei der Registrierung eine falsche Adresse an. Ob die Anmeldung auf der Plattform eine gute Entscheidung war, ist fraglich, denn in den Jahren 2018 und 2019 verlor der Spieler über 40.000 Euro. Er verklagte daraufhin den in Malta ansässigen Veranstalter auf Erstattung des verlorenen Spieleinsatzes.
Was sagte das LG Braunschweig?
Das Landgericht Braunschweig entschied zu seinen Gunsten. Nach Ansicht der Richter habe der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des Einsatzes aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Der Spieler habe an den Plattform Betreiber über 40.000 € ohne Rechtsgrund geleistet, da der Vertrag zwischen den Parteien nach § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig war. Glücksspiele im Internet waren im streitgegenständlichen Zeitraum in Niedersachsen verboten. Deshalb verstoße das Rechtsgeschäft der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB. Die Rückforderung sei auch nicht nach § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da der § 762 BGB nichtige Glücksspielverträge nicht umfasst. Die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB sei bereits aufgrund einer teleologischen Reduktion dieser Norm ausgeschlossen.
Es erscheint in Bezug auf Treu und Glauben, § 242 BGB, möglicherweise unbillig, dass der Spieler hier bewusst bei der Anmeldung über seinen Wohnort täuschte, um an den Online Glücksspielen teilzunehmen und sich anschließend auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes zu berufen. Es ist anzunehmen, dass er bei 40.000 € Gewinn nicht gegen den Betreiber vorgegangen wäre. Doch die Richter verneinten eine Treuwidrigkeit der Rückforderung. Der GlüStV solle die Spieler des Online Glücksspiels schützen, sodass der Betreiber beim Anbieten von Online Glücksspielen an Verbraucher in Ländern, in denen das Online Glücksspiel verboten sei, nicht darauf habe vertrauen dürfen, die erhaltenen Einzahlungen auch behalten zu können.
Und auch der eingangs erwähnte Hinweis: „Dieses Angebot gilt nur für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein”, schütze den Betreiber nicht vor einem Rückzahlungsanspruch zu Gunsten des Spielers. Nach Auffassung des Gerichts folge aus dem Hinweis nicht zwingend, dass die Glücksspielteilnahme für Teilnehmende anderer Bundesländer verboten sei.
Berufung ohne Erfolg
Der Veranstalter legte gegen das Urteil des LG Berufung ein. Doch auch das Oberlandesgericht Braunschweig kam im Februar 2023 zu derselben Einschätzung und bejahte ebenfalls den Rückzahlungsanspruch. Der Betreiber kann sich jetzt nur noch an den BGH wenden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung und der Vielzahl der Fälle, ließ das OLG die Revision zu.
Doch wie steht es eigentlich um die aktuelle Rechtslage in Sachen Online Glücksspiel?
Seit Mitte 2021 gilt bundesweit ein neuer Glücksspielstaatsvertrag. Das neue Gesetz legalisiert das Online Glücksspiel in ganz Deutschland. Mit der Legalisierung wollte die Bundesregierung dem illegalen Glücksspiel vorbeugen und dafür legales Glücksspiel im Internet besser regulieren. Insbesondere Maßnahmen zur Suchtprävention standen dabei im Fokus. Um dies zu gewährleisten gibt es jetzt bundesweit eine Glücksspiel Lizenz. Diese Lizenz kennzeichnet Anbieter, bei denen man legal und sicher spielen kann. Seit Juli 2021 haben Glücksspielanbieter die Möglichkeit, sich um die deutsche Zulassung zu bewerben, müssen dafür jedoch die im Glücksspielstaatsvertrag verankerten Regelungen einhalten.
(OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023. Az. 9 U 3/22)
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