Neustart in der Strafrechtspolitik

Neustart in der Strafrechtspolitik

Gerecht oder Ungerecht - das ist die Frage?

Im Jahr 2020 gab es laut dem Statistischen Bundesamt 728.868 verurteilte Straffällige. Doch wie geht der Staat mit den Tätern um? Dies soll nun durch eine Neuregelung des strafrechtlichen Sanktionsrechts neu definiert werden. Bereits am 19.07.2022 hat das Bundesministerium für Justiz den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionsrechts veröffentlicht. Bundesjustizminister Marco Buschmann spricht von einer historischen Reform und einem Neustart für die Strafrechtspolitik.

Worum geht es?

Die Neuregelungen stellen die Stärkung der Resozialisierung und Prävention in den Vordergrund. Es geht inhaltlich unter anderem um die Regelungen bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe, der Strafzumessung, der Auflagen und Weisungen sowie der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Verringerung des Umfangs von Ersatzfreiheitsstrafen

Der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe in § 43 StGB soll um die Hälfte gekürzt werden. Mithin würden zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen, der jetzige Maßstab eins zu eins wäre aufgehoben. Somit soll ein Täter, der beispielsweise eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € nicht zahlt und auch keine gemeinnützige Arbeit ableistet, nur noch eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen erhalten. Zuvor betrug der Umfang der Ersatzfreiheitsstrafe 60 Tage.

Auch wurden vollstreckungsrechtliche Ergänzungen hinzugefügt. Dadurch soll dem Verurteilten bei der Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen, beispielsweise durch eine Ratenzahlungsvereinbarung, geholfen werden.

Anpassung des Maßregelrechts

Die Zahl der Personen, die in Entziehungsanstalten untergebracht sind, steigt stetig. Praxisberichten zufolge werden in den Entziehungsanstalten auch Täter untergebracht, bei denen keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliegt. Dies soll sich nun ändern. Das Augenmerk soll sich stärker auf behandlungsbedürftige und behandlungswillige Täter richten. Ziel der Änderungen des Maßregelrechts ist die Entlastung der Entziehungsanstalten.

Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB

Auch soll der Schutz vor Diskriminierungen gestärkt werden. Immer wieder sind Frauen oder LSBTI-Personen Opfer von Strafdelikten. Die Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB sieht vor, dass geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Tatmotive ausdrücklich als bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände genannt werden.

Zwar ermöglicht auch der bisherige § 46 StGB eine Strafschärfung, wenn die Tat etwa aus Hass gegen Frauen oder aus Hass gegen homosexuelle Menschen begangen wurde. Der § 46 StGB schreibt nämlich vor, dass die Beweggründe des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dennoch soll durch die explizite Nennung als „geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tat ein klares Zeichen gegen Hasskriminalität gesetzt werden.

Auflagen und Weisungen

Auflagen und Weisungen sollen verurteilte Personen darin unterstützen, nicht mehr straffällig zu werden. Hier sollen den Gerichten nun mehr Möglichkeiten für spezialpräventive Auflagen oder Weisungen eröffnet werden. Dabei geht es zum Beispiel um Therapieweisungen oder um Auflagen, gemeinnützige Arbeit zu vollbringen. Ziel ist die Reduzierung von Rückfällen.

Strafzweck des deutschen Strafrechts?

Diese Regelungen lassen die Frage aufkommen, wie der Staat mit Straftätern umzugehen hat. Es geht auch um die Frage, was eigentlich der Zweck der Strafe ist. Soll durch die Strafe das begangene Unrecht ausgeglichen werden? Oder ist Zweck der Strafe die Abschreckung der Allgemeinheit, dient sie also der Verhinderung zukünftiger Taten? Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass der Zweck der Strafe verschiedene Aspekte vereint. So soll die Strafe hauptsächlich dem Schuldausgleich, der Prävention und der Resozialisierung dienen. Die Strafe, die natürlich einen erheblichen Eingriff in die Freiheit des zu Bestrafenden ist, soll außerdem als ultima ratio (= letztes Mittel) des Rechtsgüterschutzes dienen.

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