Aufsehenerregendes Urteil zum Cum-Ex-Steuerskandal
Die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte gelten als einer der größten Steuerskandale in der deutschen Geschichte. Über Jahre hinweg wurden dem Staat Milliarden an Steuern vorenthalten. Namhafte Kanzleien, Banken, Unternehmen, ja selbst der Bundeskanzler sind in den Skandal involviert. Die Ermittlungen zogen sich über Jahre hin, die juristische Aufarbeitung dauert noch an.
Worum geht es?
Nun musste sich ein weiterer Täter vor Gericht verantworten, der dabei als Architekt und treibende Kraft hinter dem Betrug gilt. Der Steueranwalt beriet Banken und vermittelte Investoren, um mit deren Kapital hohe Kredite zu bekommen. Diese investieren damit in Cum-Ex-Deals. Damit verdiente er laut Gericht 13,7 Millionen Euro. Grund genug nochmal das Wichtigste zu dem Steuerskandal zusammenzufassen, bei dem bis heute so Vieles unklar ist.
Warum der Name Cum-Ex und was steckt dahinter?
Bei Cum-Ex handelt es sich um Aktiengeschäfte. Die beteiligten Akteure leiten das Finanzamt bewusst in die Irre, mit dem Ziel eine mehrfache Steuererstattung zu erhalten. Drei Banken sind bei einem beispielhaften Cum-Ex-Geschäft beteiligt. Diese teilen sich die anschließende „Steuererstattung“. Handelsgegenstand sind dabei jeweils Aktien eines Unternehmens. Doch wie funktionierte das Cum-Ex-System genau?
Börsennotierte Unternehmen schütten einmal im Jahr eine Dividende an ihre Aktionäre aus. Dadurch sind die Anteilseigner am Gewinn des Unternehmens beteiligt. Stichtag ist der Tag vor der geplanten Dividendenzahlung. Wer an diesem Tag Inhaber einer Aktie ist, dem wird die Dividende ausgezahlt. Auf diese Zahlung wird eine automatisch abgeführte Steuer fällig, die sogenannte Kapitalertragsteuer. Über die Zahlung erhält der Aktionär eine Bescheinigung, welche die Bank ausstellt. Bei der Steuererklärung können Unternehmen mit dieser Bescheinigung unter bestimmten Bedingungen die Steuern wieder zurückfordern. Bei Cum-Ex-Geschäften werden die Aktien deshalb kurz vor dem Dividendenstichtag gehandelt. Vor dem Stichtag ist die Aktie mehr wert, da sie noch den Dividenenanspruch beinhaltet. Nach dem Stichtag ist die Aktie entsprechend weniger wert. Sie wird jetzt an einem an dem Geschäft beteiligten Leerverkäufer verkauft. Diese werden dann wiederum an eine andere involvierte Bank ausgegeben. Auch diese Bank bekommt eine Bescheinigung für die vermeintlich abgeführte Kapitalertragsteuer. Die Bank verkauft die Aktien wieder dorthin, wo sie ursprünglich herkamen. Die Aktien werden also mit Cum (Dividendenanspruch vor Ausschüttung) und ohne Ex (Dividendenanspruch nach Ausschüttung) gehandelt. Daher der Name Cum-Ex.
Durch die von mehreren Akteuren innerhalb kürzester Zeit durchgeführten Transaktionen, ist dem Finanzamt unklar, wer Anspruch auf die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hat. Die beteiligten Banken und andere Finanzakteure lassen sich dieses Geld dann mehrfach “zurückerstatten”.
Die weniger bekannten Cum-Cum Geschäfte für ausländische Aktionäre
Bei den verwandten Cum-Cum-Geschäften ging es darum, einem ausländischen Inhaber deutscher Aktien dabei zu helfen, eine Rückerstattung der Kapitalertragssteuer zu bekommen, obwohl er als ausländischer Investor darauf gar keinen Anspruch hatte. Das funktionierte so: Die von ausländischen Anlegern gehaltenen Anteile werden kurz vor dem Dividendenstichtag an inländische Anteilseigner übertragen, z.B. an Banken. An diese wird die Dividende dann ausgeschüttet. Auf die Summe wird die bereits angesprochene Kapitalertragsteuer fällig. Die inländische Bank konnte sich dann, anders als die ausländischen Investoren, die Kapitalertragsteuer vom Staat erstatten lassen. Danach werden die Aktien samt Dividende zurückgereicht, die gesparte Steuer teilten die beteiligten Banken und Investoren auch hier untereinander.
Schätzungen zufolge entgingen dem deutschen Staat mindestens 10 Milliarden Euro durch Cum-Ex- und über 20 Milliarden Euro durch Cum-Cum-Geschäfte. Weltweit ist der Schaden noch viel höher, etwa 150 Milliarden.
Das wirft die Frage auf: Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Und wieso haben Politik und Justiz nicht reagiert?
Wer trägt die Verantwortung für den Skandal?
Kritik wird vor allem gegenüber der Politik laut. Nicht weil Politiker eine solche Lücke der Steuerumgehung zugelassen haben, sondern weil sie viel zu spät bzw. gar nicht handelten, nachdem die Umgehungsstrategie und die immensen Verluste bekannt waren. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz, damals noch Finanzminister, wird vorgeworfen, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, um dieses Geschäft endgültig zu unterbinden, wie es in anderen Ländern längst geschehen ist.
Ein weiterer in die Kritik geratener Akteur ist eine renommierte Kanzlei. Ein Gutachten dieser bestätigte 2005 die Existenz des Cum-Ex-Geschäfts und erklärte die Vorgehensweise für gesetzeskonform. Andere Kanzleien lehnten zuvor die Erstellung von Cum-Ex-Gutachten ab, weil man sie als rechtlich unhaltbar ansah. Zahlreiche Mandanten vertrauten auf das rechtliche Gutachten der angesehen Kanzlei mit ihren Top-Anwälten. Bis im wahrsten Sinne des Wortes, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft vor der Tür standen. Ein von dieser Kanzlei beratenden Bank, musste anschließend Insolvenz anmelden. Schließlich verklagte der Insolvenzverwalter die Kanzlei auf Schadensersatz. Ein halbes Jahr später zahlte sie per Vergleich 50 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter, ohne dabei eine Verantwortlichkeit einzugestehen.
Waren die Cum-Ex-Geschäfte wirklich legal?
Der BGH bestätigte 2021 die Illegalität von Cum-Ex und CumCum-Geschäften. Konkret handelt es sich um den Tatbestand der Steuerhinterziehung, § 370 AO. Seitdem können die erzielten Gewinne aus den Geschäften von den Finanzämtern sicher zurückgefordert werden. Die weitere juristische Aufarbeitung geht jedoch nur schleppend voran. Auch haben bislang nur wenige Bundesländer Rückzahlungsansprüche gegenüber Banken und Unternehmen geltend gemacht.
Der ehemalige Steueranwalt muss laut dem Urteil nun 13,7 Millionen Euro zurückzahlen. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Revision hat der Anwalt, der übrigens bis heute behauptet, dass die Geschäfte legal waren, bereits angekündigt. Er möchte vor den Bundesgerichtshof (BGH) ziehen. Dazu wird er sich dieses Jahr jedoch erstmal einem weiteren Verfahren stellen müssen. Vor dem Wiesbadener Landgericht läuft gegen ihn im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal ein weiteres Verfahren. Das letzte Wort in der Causa Cum-Ex ist damit noch nicht gesprochen.
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