Betrunkener Beifahrer - Hände weg vom Lenker
Hätte er sich mal am Vordermann festgehalten: Weil sich der betrunkene Hintermann auf dem E-Scooter am Lenker festgehalten habe, muss er nun seinen Führerschein abgeben. Allein das Festhalten des Lenkers während der Fahrt stelle das Führen eines Fahrzeugs dar, so das LG Oldenburg.
Worum geht es?
In Niedersachsen musste das LG Oldenburg über die Beschwerde eines Mannes entscheiden, der von der Polizei alkoholisiert auf einem E-Scooter erwischt wurde. Doch anders als in anderen Fällen, über die in den letzten Monaten vermehrt berichtet wird, war er nicht der Fahrer – oder doch?
Was war passiert?
Das LG Oldenburg bezeichnet den Betroffenen als „Sozius“, also als einen Gefährten oder einen Begleiter. Wer über Lateinkenntnisse verfügt, kennt vielleicht auch das Adjektiv „socius“, was gemeinsam bedeutet. Das niedersächsische Gericht wird später sogar von einer „Art Mittäterschaft“ sprechen. Aber was war passiert?
Der Beschuldigte soll am frühen Morgen als ein solcher Sozius auf einem E-Scooter (mit-) gefahren sein. Er befand sich betrunken hinter dem Fahrer auf dem Elektroroller. Bei einer Polizeikontrolle ergab sich, dass der beschuldigte Hintermann 1,2 Promille Alkohol im Blut gehabt habe. Das AG Oldenburg hatte ihm daher im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (vorläufig) die Fahrerlaubnis entzogen, denn: Der Mann habe sich während der Fahrt – trotz seiner hinteren Position – am Lenker des E-Scooters festgehalten, was den Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB erfülle.
Gegen die Entscheidung legte der Beschuldigte Beschwerde beim LG Oldenburg ein.
Auch das LG Oldenburg bejaht § 316 StGB
Dass das alkoholisierte Fahren auf einem E-Scooter die Entziehung der Fahrerlaubnis bedeuten kann, wurde in letzter Zeit häufig besprochen. Nicht zuletzt wegen des prominenten Falls um den Modechef, den eine Fahrt auf dem Roller unter Alkoholeinfluss teuer zu stehen kam. Das LG Oldenburg entschied aber nun, dass es auch den hinteren Mitfahrer treffen kann – wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Und dies sei hier der Fall:
Der Beschuldigte hat den E-Scooter zur Tatzeit […] „geführt“ i. S. d. § 316 StGB.
Nach § 316 StGB macht sich strafbar, wer im Verkehr ein Fahrzeug (ein E-Scooter zählt als Kraftfahrzeug) führt, obwohl er durch Alkoholkonsum oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Die Beweisregeln der Promillegrenzen werden dabei vom Auto auf den E-Scooter übertragen. Mit 1,2 Promille befindet man sich daher in der absoluten Fahruntüchtigkeit.
Rechtlicher Dreh- und Angelpunkt war hier die Frage, ob das alleinige Festhalten des Lenkers das „Führen“ eines Fahrzeugs darstellt. Das Oldenburger Gericht verwies dabei zunächst auf die ständige BGH-Rechtsprechung, wonach Führer eines Fahrzeugs derjenige sei, der selbst alle oder – und hierauf sei es in diesem Fall angekommen – wenigsten einen Teil der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bediene, die für die Fortbewegung bestimmt seien. Daher könne der Führer eines Fahrzeugs auch derjenige sein, der nur einzelne Tätigkeiten vornimmt – es müsse nur eine solche sein, ohne die ein zielgerichtetes Fortbewegen unmöglich wäre, also zum Beispiel das Bremsen oder das Lenken.
Für das LG Oldenburg scheinen die Hände des Beschuldigten am Lenker dafür zu genügen, auch wenn keine Lenkbewegungen durchgeführt worden seien. Allein das Festhalten des Lenkers während der Fahrt durch einen Sozius, erläuterte die 4. Große Strafkammer, stelle unabhängig von Lenkbewegungen nach links und rechts ein Lenken des Fahrzeugs und somit das „Führen“ eines Fahrzeugs i. S. d. § 316 StGB dar.
Denn das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters führt dazu, dass dieser in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt wird: nämlich geradeaus.
Wenn sich beide Personen auf dem E-Scooter am Lenker festhalten würden, so das Gericht, könne ein kontrolliertes Fortbewegen des Fahrzeugs auch nur durch ein Zusammenwirken beider Fahrer ermöglicht werden. Der E-Scooter würde dann „in einer Art Mittäterschaft“ von beiden Fahrern gleichzeitig geführt.
Damit bleibt es bei der (vorläufigen) Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Mann ist als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 II Nr. 2 StGB), beschloss das Gericht.
(Beschluss Landgericht Oldenburg vom 07.11.2022, Az. 4 Qs 368/22)
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